Teil 25 | Noahs POV

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„Nur noch zehn, das schaffst du Noah!", schreit mich Elias an, während ich gegen den Boxsack boxe.
Ich versuche mich zu konzentrieren, aber es klappt einfach nicht.
Sarah hat sich in meinen Kopf festgesetzt und ich bekomme sie nicht raus.
Je öfter ich gegen diesen Boxsack schlage, desto mehr muss ich an sie denken.
Sie war mir so nah, ich hatte sie fast und dann ist sie mir aus den Händen gefallen.
Deswegen werde ich mir nie verzeihen.
„Und weil's dir so Spaß macht, mach noch weitere zehn!"
Ich atme schnell ein und aus, schlage weiter hinzu und spüre den Schmerz in meinen Armen.

Ihr Gesichtsausdruck.
Ich werde es nie vergessen.
Ihre schönen Augen waren rot und angeschwollen, ihre Lippe zitterte und sie konnte mich nicht länger als einige Sekunden anschauen.
„Das war's, geiles Workout Noah!", Elias klatscht mir auf meine Schulter und grinst mich an.
Erschöpft atme ich in seine Richtung und setze mich hin.
„Ich geh jetzt duschen, mein Vater wollte noch was mit mir besprechen, aber danach können wir was machen. Kannst unten duschen gehen."
Ich nicke, verabschiede mich von ihm und nehme große Schlücke von meiner Wasserflasche.
Es ist Mittwoch, heute hat Sarah ihre erste Sitzung in der Selbsthilfegruppe und ich bin nicht da, um sie zu unterstützen.
Ich lege die Boxhandschuhe ab und fahre mir durch die Haare, weil mir meine Strähnen vor mein Gesicht fallen.
Meine Arme, meine Brust und meine Hände pulsieren.
Elias dachte, dass es eine gute Idee ist Sport zu machen.
Als Ablenkung oder so, aber im Moment würde ich gerne nur mit Sarah sein.
Die Jungs meinten, dass Sarah Abstand und Ruhe braucht.
Vor allem von mir.

Und das gefällt mir überhaupt nicht.

Ich hätte ihr das alles sagen sollen, ich weiß. Aber ich hatte Angst. Angst, dass sie mir nicht glauben wird.
„Jo, willst du vielleicht eine Runde....oh-", platzt Bryson in das Sportzimmer rein.
Ich richte meinen Blick nach oben,"Joggen?"
Bryson nickt.
„Ja, das war meine Frage."
„Klar.", ich stehe auf und nehme noch einen Schluck.
„Geil Mann!"
Ich nehme mein Handy und meine Kopfhörer, laufe mit Bryson aus dem Haus und höre Musik beim Aufwärmen.
„Wie lange willst du joggen?", frage ich ihn.
„Nicht lange, muss noch was erledigen."
„Halbe Stunde?"
„Perfekt."
Wir joggen los und ich spüre die Mischung der Sonne und des kalten Windes auf meiner Haut.

Ich war ein Idiot.
Ich war ein beschissener Idiot.

Ich weiß das und wenn ich könnte, dann würde ich die Zeit zurückdrehen und fast alles anders machen. Geht halt nur nicht.
Sarahs Wut und Enttäuschung ist berechtigt, das verstehe ich auch, aber ich muss Leah zurückbringen.

Es ist meine einzige Chance.
Leah ist seit fast sieben Monaten in Gefangenschaft und wir müssen sie einfach Nachhause bringen.
Seit Leahs Entführung hat sich die Welt verändert.
Ich möchte einfach, dass sie wieder in Sicherheit ist und ihr keiner ein Haar krümmen kann.

Die Welt ist unfair und grausam. Sie hat das nicht verdient.
Keiner hat das verdient.

Ich wünsche mir einfach nur, dass ich Sarah unter anderen Umständen wiedergesehen hätte.
Es fühlt sich nicht richtig an, überhaupt nicht richtig.
Mit meinen Lügen habe ich ihr Vertrauen missbraucht und ich habe Angst, dass sie mich nie wieder sehen möchte, dass sie mir nie wieder vertrauen kann.
Ich liebe Sarah.
Das mache ich seit zehn Jahren.
Seitdem ich sie kennengelernt habe ist sie meine große Liebe gewesen und zweimal in meinem Leben habe ich sie fallen gelassen.
Eventuell ist es das Universum, das uns nicht zusammen sehen möchte, Gott oder sonst wer.
Ich werde nicht aufhören.
Ich werde um Sarah kämpfen,
ich lasse sie nicht gehen.
Ich werde sie nicht gehen lassen.

Meine Beine schmerzen, mein Atem ist unkontrolliert und mein Herz schlägt aus meiner Brust.
Bryson und ich schauen uns an, legen unsere Hände auf unsere Knie und atmen.
Ich stoppe die Musik und schaue ihn an.
„Wir waren schnell."
„Wir müssen nur noch die Hälfte joggen, dann haben wir's geschafft."
Ich schaue die Umgebung an.
Wir sind auf irgendeinem Landweg.
„Ich war so in meinen Gedanken vertieft, dass ich gar nicht bemerkt habe wo wir sind."
„Sarah?", Bryson atmet ein und schaut sich auch um.
Ich nicke,"Wer sonst?"
„Wir haben sie angelogen, das ist jetzt unsere Strafe."
„Das ist die schlimmste Strafe. Mit ihr nicht zu reden ist einfach quälend.", ich fahre mir durch die Haare.
„Das kann ich mir vorstellen, bro."
„Ich kann nicht aufhören mir die ganze Zeit Vorwürfe zu machen..."
Bryson legt eine Hand auf meine Schulter.
„Du kannst jetzt nichts verändern, gib ihr Zeit. Sie wird mit dir reden."
„Das hoffe ich."
„Und wenn nicht, dann gehst du ihr auf die Nerven bis sie mit dir redet.", er atmet ein,"Du kannst ja gut nerven."
Ich haue ihm auf die Schulter,"Pass auf mit wem du redest, ich bin der Fürst der Finsternis.", mache ich mich über ihn lustig.
„Wir machen jetzt weiter, Fürst der Finsternis."
Ich mache meine Musik an, wir zählen von drei runter und laufen los.

NoahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt