Teil 23 | Die Offenbarung

6 1 0
                                    

Noah sitzt auf dem Boden, packt meine wenigen Klamotten in meinen Koffer rein und schaut jede zweite Minute auf sein Handy.
Er möchte mir das nicht zeigen, doch ich weiß, dass er panisch ist.
„Noah, brauchst du Hilfe?"
„Nein, ist schon gut. Ich bin jetzt fertig, die Sachen aus dem Bad habe ich auch schon geholt. Wir können jetzt los."
„Hast du schon was gegessen? Du siehst ziemlich blass aus."
Noah dreht sich um, während ich vom Bett aufstehe und nimmt meine Hände.
„Es ist alles gut, je schneller wir hier weg sind, desto sicherer bist du."
Wir, desto sicherer sind wir.", korrigiere ich ihn.
Er nickt,"Du hast Recht."
Abrupt dreht sich Noah um, trägt meinen Koffer zur Türe und lässt mich hier alleine.

Ich war seit gestern Abend nicht mehr außerhalb des Zimmers, ich habe mich schlicht und ergreifend einfach nicht getraut.
Mitten in der Nacht habe ich Noah aufgeweckt, damit er mir von der Küche eine Wasserflasche bringen kann.
Ich atme tief durch, laufe zögerlich durch die Türe und schaue zur Haustüre.
„Nur noch paar Schritte, dann bist du hier raus.", flüstere ich zu mir selber.
Ich mache Babyschritte in Richtung Haustüre und drehe mich zur Tür des Wohnzimmers.
Es sieht alles normal aus.
Wie hat Sebastian das alles hinbekommen?
Wo ist Brian?
Ich öffne die Haustüre und fühle mich beim Herauslaufen befreit.
Als könnte ich wieder atmen.
„Bereit?", Noah macht den Kofferraum zu.
Ich nicke,"Wo ist Sebastian?"
„Hier!", er stellt sich vor das Auto und lächelt mich an.
„Es war schön dich kennengelernt zu haben, Sarah.", er möchte mir die Hand geben, doch ich laufe mit offenen Armen zu ihm und umarme ihn tief.
„Danke, für..."
„Nichts zu danken..."
Wir lösen uns nach einer langen halben Minute.
„Ihr müsst mich wieder besuchen kommen. Wenn alles hier vorbei ist."
Ich nicke,"Hoffentlich ist es bald vorbei..."
Seb verabschiedet sich von Noah und steckt ihm ein kleines Zettelchen zu.
Stumm steige ich in das Auto ein und warte auf Noah, der noch mit Seb redet.
Nach fünf Minuten steigt er ein, atmet tief durch und fährt nach dem Anschnallen los.

„Was hat er dir da zugesteckt?"
„Es ist besser das mit den anderen zu besprechen."
„Dafür muss ich aber noch Stunden warten."
„Wir werden streiten."
„Warum?"
„Weil du mich nicht verstehen würdest."
„Wie bitte?"
Noah antwortet nicht.
„Jetzt sag mir doch was los ist!"
„Wir haben eine Spur."
„Wie eine Spur? Von Leah?"
Noah nickt.
„Und du bist dir sicher, dass das keine Falle ist?"
„Sicher bin ich mir nicht, aber-"
„Was aber? Aber ihr müsst es versuchen?"
„Ja."
Ich überkreuze meine Arme vor meiner Brust und lache spöttisch auf,"Das ist nicht dein Ernst."
„Die anderen stimmen mir zu."
„Ach so, na dann, Entschuldige, das ist nicht euer Ernst."
„Wir müssen diese Chance ergreifen."
„Und was wollt ihr denn machen? In das Gebäude reinlaufen, nett nach ihr fragen? Was wenn euch was passiert!? Denkt denn keiner an eure Sicherheit?"
„Wir müssen-"
„Ihr müsst was? Auf eine Selbstmordmission gehen!?", unterbreche ich ihn.
„Du verstehst es nicht!"
„Natürlich verstehe ich es nicht! Mir liegt was an dir - an allen von euch!"
Noah verstummt.
„Was? Werde ich jetzt auch noch ignoriert?"
„Nein, es ist nur-", er reibt sich über das Gesicht.
„Es ist nur was? Was ist es denn!?"
„Seit sechs Monaten versuche ich meine Schwester zu finden! Verstehst du? Seit sechs Monaten! Das ist das einzige was ich habe, es ist meine einzige Chance sie zu finden!"
„Noah, das verstehe ich! Ich verstehe es, aber ihr wisst doch gar nicht auf was ihr euch einlässt!"
„Dieses Risiko müssen wir eingehen.", sagt er ruhig.

Wie kann er das so ruhig sagen?

„Das Risiko, dass einer von euch draufgeht oder was!?"
„So weit wird es nicht kommen."
„Und das kannst du mir versichern?"
„Nein."
„Natürlich nicht!"

Wie in einem schlechten Drama fängt es stürmisch an zu regnen.
„Ich - Wir werden es machen und egal was du sagst, es wird uns nicht davon abhalten."
„Elias macht da mit!?"
„Jeder."
„Mein Bruder riskiert sein Leben! Du könntest deine Schwester zurückbekommen und ich würde damit meinen Bruder verlieren? Wie egoistisch bist du!?", schreie ich ihn an.
„Elias ist in der Lage seine eigenen Entscheidungen zu treffen."
Ich schaue ihn enttäuscht von der Seite an.
„Halt an."
„Was?"
„Halt verdammt nochmal an!", schreie ich wieder.
Er fährt rechts ran, hält an und ich steige aus.
Der kalte Regen brennt tröpfchenweise in meine Haut, zumindest fühlt sich das so an.
„Steig wieder ein!", ruft Noah vom Auto.

NoahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt