Teil 17 | Kurze Ruhe

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Jannik nimmt einen langen Zug seiner Zigarette und schaut auf seine Hände.
„Weißt du...als Noah hier ankam, mit dir in seinen Armen,", er schaut mich mit glänzenden Augen an,"er war...ich weiß nicht wie ich es ausdrücken soll. Er war ganz einfach...beängstigt? Ja, so würde ich es sagen."
Ich lasse ihm einen Moment Zeit, um nachzudenken.
„Man konnte ihm nicht ins Gesicht schauen. Er ist direkt in dein Zimmer gelaufen. Nein, eher gerannt. Ich weiß nicht wovon, vielleicht aber, damit wir dich nicht zu Gesicht bekommen."

Meine Augen fangen an zu brennen und ich blinzele mehrmals.

„Niemand von uns hat dein Gesicht gesehen, aber dein Arm hing so leblos herunter. Deine Haut war ganz blass.", er nimmt einen weiteren Zug,"Keiner von uns durfte in dein Zimmer. Nicht einmal Alex und Elias schon überhaupt nicht."
Ich öffne meinen trockenen Mund, doch werde unterbrochen.
„Das war...überhaupt nicht cool.", er nimmt den letzten genüsslichen Zug.
„Weißt du, ich glaube von uns allen hat es Noah am meisten mitgenommen."

Mir kullern kleine Tränen die Wange herunter.

„Ich meine, er hat uns nicht erzählt was genau passiert ist. Aber, er sah genauso leblos aus wie du."

„Elias hat geweint, als er davon mitbekommen hat.", er drückt seine Zigarette aus.
„Sarah, hör damit auf."

Seine Worte waren wie ein Hilferuf - nein, sie haben mich eher aufgeweckt.
„Du tötest uns damit...und dich vor allem, dich und deinen Körper."
Ich nicke.
„Dein Nicken bringt nichts, Sarah. Du nickst schon seit Wochen und es hört nicht auf. Immer muss man dich leblos in ein Zimmer tragen und dann über dich wachen, damit du nicht an deiner eigenen Kotze im Schlaf erstickst."

Ich hebe mir schockiert die Hand vor meinen Mund.
„Es...Ich...", ich bringe keinen richtigen Satz heraus.
„Sarah, du brauchst Hilfe. Ich sehe das doch, du möchtest Hilfe, warum sagst du dann nichts?"

Ich fange an zu schluchzen und mir strömen die Tränen über mein weiches Gesicht.
„Ich...weiß es nicht."
Jannik lehnt sich zurück und fährt sich durch seine ungefähr schulterlangen blonden voluminösen Haare.
„So wird das nichts. Das weißt du auch."
Ich nicke schon wieder.
„Ich weiß, du möchtest so nicht weitermachen."
Jannik seufzt tief und hörbar.
„Bryson geht in eine Selbsthilfegruppe, vielleicht wäre das auch etwas für dich?"
Ich schaue ihn mit meinem verströmten Gesicht an.
„Ich würde das gerne ausprobieren.", ich schlucke
auf und wische mir die Tränen weg.

Er spielt nervös mit seinen Fingern,"Das weiß zwar nicht jeder, aber meine Mutter ist an einem Heroinkonsum gestorben."
Ich hebe mir wieder die Hand vor das Gesicht und flüstere,"Das...tut mir Leid."
„Muss es nicht.", er schnieft auf.
„Ich halte nichts von Drogen, Sarah. Und dass du welche nimmst, das...bringt mich in die Zeit zurück, als ich neun Jahre alt war."
„Es war bestimmt nicht leicht für dich...", ich lehne mich nach vorne und strecke meine Hand offen aus.
„Um ehrlich zu sein, es war gar nicht leicht.", er nimmt meine Hand in seine und drückt sie.

In dem Aschenbecher, der auf dem kleinen Tisch liegt, glüht die Asche der Zigarette.

„Sie war so, voller Leben...voller Energie.", er schaut unsere Hände an.
„Und dann hat sie einen Mann kennengelernt.", er lacht kurz auf und wischt sich mit der anderen eine kullernde Träne weg,"Es ist einfach so, so...stereotypisch. Er hat sie einfach kaputt gemacht."
Ich halte meinen Atem an.
„In jede Scheiße hat er sie reingeritten. Drogen, Schlägertypen, Schulden. Und sie, was hat sie gemacht?", er schaut mich an und lächelt mit einer zitternden Lippe.
„Sie wollte ihm nur helfen,. Sie sagte, er würde sich bessern, ändern, Hilfe holen."
„Doch das...war dann doch nicht so...", flüstere ich.
„Ja, du hast es auf den Punkt gebracht. Sie selbst hat Drogen genommen, wie es dazu kam weiß ich immer noch nicht. Sie war so schlank.", er zeigt seinen kleinen Finger.
„Und so blass...", er schüttelt seinen Kopf,"...sie war nicht mehr die Mutter, die ich kannte."
„Sie war nicht mehr sie selbst. Weißt du wie sehr Drogen dich verändern können?", er wischt seine Tränen weg.
„Es tut mir so leid...", sage ich mit zitternder Stimme.
„Bitte, wenn du nicht für dich aufhören kannst, dann bitte, höre für uns auf. Höre für mich auf."
Ich nicke und weine wieder.
Abrupt stehe ich auf und umarme Jannik tief und fest.
Ich weine und weine in seine Schulter hinein.

NoahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt