Kapitel 1: Rettung nein Danke

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Nickis Sicht

Ein lautes Klingeln reißt mich aus meinen Gedanken. Schulschluss, na endlich. Ich packe meine Sachen und laufe schnell zur Tür, raus in den Flur. Wenn Mister Bennet etwas konnte, dann Biologie noch uninteressanter machen. Wie immer begrüßen mich etliche Schüler auf dem Schulflur der Hawkins High. Ich bin beliebt, nicht so beliebt wie Chrissy Cunningham, aber so beliebt, dass ich vor vier Monaten die Aufmerksamkeit von Billy Hargrove auf mich gezogen habe. Schnell entstand ein ewiges Hin und Her aus Leidenschaft und Hass. Er, der typische Bad Boy, der auf alle Regeln pfeift, und ich, einfach nur Nicki. Das Anhängsel von Chrissy, der großen Cheerleaderin. Es gefällt mir, mein Leben ist... okay.

Billy ist der Typ Mensch, der jeden Tag eine andere Stimmung hat. Mal süß und witzig, dann wieder arrogant und regelrecht gemein. Deswegen sind wir kein Paar, nur Freunde, die sich offensichtlich lieben und eben auch hassen. Nicht optimal, schon klar, aber besser als nichts. Meistens jedenfalls. Seine Hassreden gegen mich, wenn er einen wirklich miesen Tag hat, tun weh, wirklich weh, aber genauso liebe ich es, einfach in seinen starken Armen zu liegen, wenn die Welt um mich herum kaum zu ertragen ist.

Ich stoße die große Tür auf und laufe direkt zum Parkplatz, wo ich ihn sichtlich genervt gegen seinen schwarzen Mustang lehnen sehe. Na toll, heute hat er schlechte Laune. Ich laufe mit etwas gesenktem Blick auf ihn zu, darauf bedacht, keinen Blickkontakt mit ihm aufzubauen, als seine raue Stimme mich dazu zwingt, stehen zu bleiben. „Wow, die Königin hat sich entschieden, doch noch rauszukommen", faucht er mich an. „Ich bin keine Minute zu spät", sage ich leise, was ihm ein wütendes „Wie bitte??" entlockt.

„Ich habe dich gerade nicht verstanden, hast du etwas gesagt?" Sein Tonfall lässt mich erschaudern. Normalerweise würde ich jetzt einen Streit anfangen, aber der Tag ist schon fast vorbei, und ich will keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen, also schüttle ich den Kopf. Wie ich es hasse, dass er diese Macht über mich hat. Er grinst und greift nach meinem Arm, so fest, dass ich aus Reflex zurückziehe, was ihm offensichtlich nicht gefällt. Er hebt die Hand, und ich bereite mich schon mal auf einen Anflug von Schmerzen vor, als Billys Hand auf einmal nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt von jemandem festgehalten wird. „Wirklich, Hargrove? Schlagen wir jetzt schon Frauen", zischt eine Stimme, eine Stimme, die mir bekannt vorkommt. Ich hebe meinen Blick und sehe ihn. Eddie Munson, der selbsternannte King of Hellfire, einem kindischen Dungeons und Dragons Club und das totale Gegenteil von Billy.

Billy, groß, blond, blaue Augen und ziemlich kräftig gebaut. Eddie, etwas kleiner, schwarze lange Haare, fast schon schwarze Augen und eher athletisch als kräftig. Beide gutaussehend, obwohl Eddie nicht meinem Typ entspricht.

Na toll, Billy wird Hackfleisch aus ihm machen. „Und du bist?" faucht er, nicht beeindruckt, und reißt seine Hand los. „Scheißegal, wer ich bin, aber das tust du nicht noch mal, verstanden?!" Eddies Stimme klingt bedrohlich, was mich erschaudern lässt. Das wird Billy nicht auf sich sitzen lassen. Ich schreie auf, als Eddie einen Schlag mitten ins Gesicht kassiert und zurücktaumelt. Er wischt sich das Blut aus dem Gesicht und rammt Billy mit einem harten Stoß zu Boden. Mittlerweile haben sich 10 bis 15 Schaulustige um uns versammelt, und bei dem Anblick, der sich mir hier bietet, wird mir regelrecht übel. Eddie hat die Oberhand und schlägt Billy ein, zweimal ins Gesicht, bevor er von Mister Bennet von ihm runtergerissen wird. „Schluss damit", schreit Mister Bennet und zieht Billy auf die Beine.

So schnell wie sich alle um uns versammelt haben, so schnell sind sie auch wieder weg. „Nachsitzen!! Alle drei". Die Wut in Mister Bennets Stimme ist nicht zu überhören. Wir laufen ihm alle hinterher, alle darauf bedacht, dem anderen keinen Grund zu geben, noch mal zuzuschlagen. Mister B. sperrt die Tür zu seinem Klassenzimmer auf und gibt uns mit einem Handzeichen zu verstehen, dass wir uns hinsetzen sollen. Die große Uhr über seinem Pult zeigt 17.30 an. „Na toll, das große Spiel kann ich jetzt wohl vergessen", murmle ich und erhalte nur ein fieses Lachen seitens Mister B. „Ja, ganz genau, zwei Stunden, keiner verlässt den Raum." Und so macht er sich davon und lässt mich mit den beiden Vollidioten zurück. Es sind noch keine 10 Minuten vergangen, als Billy aufsteht und zur Tür läuft. „Toll gemacht, Miller, ich bin fertig mit dem Scheiß und fertig mit dir", flucht er und verlässt den Raum.

Hat Billy gerade mit mir abgerechnet, und das obwohl ich absolut nichts getan habe?! Völlig verwirrt sitze ich da, unfähig, Worte zu finden, als mich ein lautes Klatschen aus meiner Starre holt. Ich drehe mich zu Eddie, der auf einer Bank hinter mir sitzt, und blicke ihn wütend an. „Findest du das etwa witzig?" fauche ich ihn an. Er lacht, lehnt sich in seinem Stuhl zurück und faltet die Hände hinter seinem Kopf zusammen. „Ja. Irgendwie schon." „W... Was?! Weißt du eigentlich, was du angerichtet hast?!", „Ich habe dich verteidigt." Er grinst, doch mir ist nicht nach Grinsen zu Mute. Ich schnappe nach Luft, ja, er hat mich verteidigt, aber ich brauche keinen Beschützer und schon gar nicht einen wie ihn. „Oh, danke King of Hellfire, dass du mich gerettet hast, obwohl ich dich nicht darum gebeten habe", sage ich mit hoher Stimme und ernte einen verblüfften Blick.

„Wow, da spiel ich einmal den Helden und das ist der Dank?" Er steht auf und läuft ebenfalls zur Tür, dreht sich aber noch einmal zu mir um. Seine Hände sind aufgeschürft und seine Lippe blutig, und das wegen mir... Gott, bin ich eine Idiotin. „Seit Monaten lässt du dich wie Scheiße behandeln, lässt dich schikanieren von einem Möchtegern Bad Boy mit billigem Haarspray, und ich bin der Böse? Große Klasse, Nicki, große Klasse." Er scheint nicht wütend zu sein, nur enttäuscht und irgendwie traurig. Er verlässt das Zimmer und lässt mich ganz alleine zurück. Ein Kloss sammelt sich in meinem Hals und ich wische mir die Tränen weg. Schlimmer kann dieser Tag immerhin nicht mehr werden.

Wie sehr ich mich doch getäuscht habe.

Die Geschichte von Eddie dem Freak (Part One)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt