Kapitel 9: Auf nach Mordor

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Eddies Sicht

Regungslos sitze ich auf dem Boden. Was ist gerade passiert? Noch vor 20 Minuten war sie hier, bei mir, und jetzt ist sie weg. Ich habe sie gehen lassen. Ich habe zugelassen, dass sie sich für mich in diese Situation bringt. Sie ist weg, und ich bin schuld. An einfach allem. Auch wenn ich Chrissy nicht direkt getötet habe, habe ich definitiv Steve und die Gruppe in diesen Scheiß mit reingezogen. Hätte ich mich am Freitag nicht eingemischt, dann wäre Nicki gar nie zu diesem Trailerpark gegangen; sie hätte nie Chrissys Leiche gefunden. Sie würde wie alle anderen einfach davon ausgehen, dass ich es war. Sie würde mich hassen, doch das wäre besser als die Situation jetzt.

Gedankenverloren greife ich nach meinem Walkie-Talkie und schaue auf die Uhr: 5:30 Uhr am Morgen. Ich muss es den anderen sagen. Dustin, hier ist Eddie. Geduldig warte ich auf eine Antwort, doch es kommt keine.

Ich lehne mich an die Wand und starre an die Decke. Für einen Moment stelle ich mir vor, dass ich bei mir zu Hause bin und alles nur ein Traum gewesen ist. Ich versuche, mir innerlich Bilder meines Hauses vorzustellen, während ich einfach nur dasitze. Ich denke an mein Zimmer, an meine vielen Poster, an meine Gitarre, mein Ein und Alles, die mir mein Onkel geschenkt hat. Mein Onkel… Ob er sich Sorgen macht? Ob er genau so wie alle anderen an meine Schuld glaubt? Ich verwerfe den Gedanken und versuche mich wieder nur an das Aussehen meiner Wohnung zu erinnern, wie sie aussah, als ich sie das letzte Mal gesehen habe.

Ich habe das Bild von Chrissy, wie sie an der Decke schwebt, vor Augen und da sehe ich es. Vor meinem geistigen Auge sehe ich einen Riss. Einen Riss in der Decke. Ein Riss, der nicht dort hingehört. Einbildung? Nein, ich kann mich an alles von diesem Abend erinnern; dieser Riss war da.

Das muss doch etwas bedeuten. Ich werde wieder in die Realität gerissen, als ich Schritte höre und dann das geheime Klopfzeichen. Ich öffne die Tür, und ein gut gelaunter Dustin steht vor der Tür, diesmal nur mit Max im Schlepptau.

Ich bitte ihn rein und setze mich auf das Bett. „Ehm, wo ist Nicki?“ fragt er und blickt sich fragend um. Wie soll ich das jetzt erklären? „Sie… sie ist weg“, sage ich leise, und Max fallen fast die Augen aus dem Kopf. „Wie weg?“

„Heute früh, so gegen halb fünf, haben wir Besuch bekommen von Billy und seinen Gefolgsleuten.“ Meine Stimme zittert, doch ich erzähle weiter. „Sie haben angefangen, die Wohnwagen zu durchsuchen. Wir… wir wussten nicht, was wir tun sollten. Da hatte Nicki eine Idee. Sie ist aus dem Fenster geklettert und hat so getan, als ob sie auf der Flucht vor mir sei. Sie hat sie auf eine falsche Fährte gelockt, damit sie vom Wohnwagen ablassen. Und jetzt ist sie weg; sie ist mit Billy nach Hause. Sie hat mir den Arsch gerettet.“ Mir steigen Tränen in die Augen, und Dustin sieht mich mitleidig an.

„Das tut mir leid, Eddie, aber vielleicht ist das gut so“, versucht er mich zu beruhigen, und ich schüttle meinen Kopf. „Billy ist gefährlich! Er ist kein guter Kerl. Was, was wenn er ihr was antut?“ Meine Stimme überschlägt sich fast, und mein Herz scheint fast zu explodieren bei dem Gedanken, dass er ihr etwas antun könnte.

„Hör zu, wenn Nicki wieder zurück ist, wird sie sich bald mit Steve in Verbindung setzen. Wir behalten sie im Auge, und dann wird ihr nichts passieren“, sagt Dustin. Er hat recht, hoffe ich zumindest.

Ich atme tief ein und blicke zu Max. „Wir haben, glaube ich, gute Neuigkeiten“, fängt sie an, doch ihr Ton verrät mir, dass sie sich nicht sicher ist.

„Elfi, das Mädchen mit den Superkräften, ist wohl in so einer Art Bootcamp für Superkräfte und arbeitet daran, sie wiederzubekommen, nur könnte das ziemlich lange dauern, also ist es wohl nicht so eine gute Neuigkeit.“ Unsicher sieht sie mich an, und ich kann nicht anders, als zu lachen.

Einfach nur lachen, denn das ist besser, als zu schreien, um mich zu schlagen und wirklich noch einen Mord zu begehen.

Ich gehe im Zimmer auf und ab. „Wenn wir nur wüssten, wo ein Tor ist…“, sagt Dustin verzweifelt, und ich schrecke auf. „Was ist, wenn ein Tor in meinem Wohnwagen ist?“ Dustin lacht auf. „Ja klar, ein Tor, ein riesiges Tor ist in deinem Trailer, und du hast es nie gemerkt.“ Sein Sarkasmus ignoriere ich gekonnt, denn das Letzte, was ich brauche, ist ein Klugscheißer, der mir noch den allerletzten Nerv raubt. „Nein, ich meine, was ist, wenn an dem Abend, als Chrissy gestorben ist, sich ein kleines Tor geöffnet hat? Und niemand es gemerkt hat, weil keiner noch einmal am Tatort gewesen ist?“

Dustin nickt mit dem Kopf, und ich sehe förmlich Rauch aus seinem Kopf steigen bei dem Versuch, eins und eins zusammenzuzählen. „Naja, ein Versuch ist es wert“, sagt Max, und ich nicke eifrig.

„Ehm, ich schätze, wir müssen nicht zu Eddies Trailer, um seine Theorie zu bestätigen“, sagt Dustin und hält sein Handy hoch, auf dem groß die Schlagzeile steht:

HAWKINS: DIE HEIMAT EINES MÖRDERS – NEUE LEICHE BEI LOVERS LAKE GEFUNDEN.

Eine Welle an Wut übermannt mich, als ich diese Zeile lese. Genug, genug verstecken gespielt! Schluss mit dem Abwarten und Däumchen drehen. Es wird Zeit, diesem Monster die Stirn zu bieten. Dass ich diesem Monster die Stirn biete und die Menschen um mich herum beschütze! Zeit für Eddie, den Helden.

„Ich sage nur eins: Auf nach Mordor!“


Die Geschichte von Eddie dem Freak (Part One)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt