Kapitel 10: Schlechte Lügnerin

52 3 0
                                    


Nickis Sicht

Die Autofahrt mit Billy dauerte eine halbe Ewigkeit. Endlich bei mir zu Hause angekommen, begleitet er mich zum Haus.

Ich sollte glücklich sein, dass ich wieder zu Hause bin, aber ich bin alles andere als glücklich. Wie denn auch? Ich bin in Eddies Armen eingeschlafen, habe mich sicher und geborgen gefühlt, und jetzt bin ich hier. Mit Billy.

Ich blicke mich in meinem Haus um. Es ist so kalt und leer wie eh und je. Billy steht im Türrahmen, unsicher, ob er nun reinkommen darf oder nicht, und blickt mich mit seinen blauen Augen an. „Ich... ich habe dich vermisst", flüstert er, und ich nicke. „Tut mir leid, ich brauchte Abstand und dann, du weißt schon." Ich will ihm nicht eine detaillierte Lüge auftischen, ich will nicht so über Eddie sprechen. Vor allem nicht vor Billy.

„Es tut mir leid, wie ich mich am Freitag verhalten habe, war... schrecklich." Ich lache leise und weiche seinem Blick aus. „Ich habe es wieder mehr als gut gemacht! Ich... ich habe dich gesucht, und Jason und ich haben eine Truppe gegründet. Ich hab das für dich getan." Seine Stimme wird lauter. Hätte er etwas daraus gelernt, würde er nicht so mit mir sprechen.

Nichts hat sich geändert, er ist immer noch derselbe selbstsüchtige Mensch wie vor all dem. Aber was soll ich tun? Ich muss mich bedeckt halten, das Opfer eines Psychopathen spielen, sie alle auf eine falsche Fährte locken. Also nicke ich und setze mich auf die Treppe.

„Ja... ich weiß, und ich bin dir dankbar."

Er setzt sich neben mich und legt seinen Arm um mich. „Vorher, im Auto, bekam ich eine Nachricht." Er fängt an und streicht mir über den Rücken. „Es gab noch einen Mord am Lovers Lake."

Schnell stehe ich auf. „Wer ist es?" Bitte niemanden, den ich kenne, bitte. „Ehm, ich glaube, er hieß Ned oder Brad, er hat für die Hawkins Post gearbeitet." Sofort muss ich an Nancy denken. Ich muss sie anrufen, ich muss Steve anrufen und Dustin. Wissen sie es schon? Haben sie schon mit Eddie gesprochen? Mein Kopf fängt an zu hämmern, und ich sacke zu Boden.

Der Schlafmangel, die Aufregung und alles machen sich bemerkbar, und ich fange an zu weinen.

Billy, der offensichtlich überfordert ist, setzt sich zu mir auf den Boden und kramt etwas aus seiner Tasche.

„Hier, ein neues Handy. Du solltest deine Eltern anrufen oder wen auch immer du willst." Ich nicke und tippe sofort eine Nummer ein. „Und wen rufst du an?" Ohne nachzudenken antworte ich: „Dustin."

„Dustin? Diesen Hellfire-Freak?!" Seine Stimme klingt misstrauisch. Abbruch, schnell.

„Das war ein Scherz. Ich rufe Steve an, meinen besten Freund," betone ich und stehe auf. Ich laufe in die Küche und gehe zum Kühlschrank, um mir etwas zu trinken zu nehmen.

„Gut, dann ruf ihn an." Er lehnt sich an die Küchentheke und durchbohrt mich mit seinem Blick. Er glaubt mir kein Wort. Er vertraut mir nicht. Ich bin eine miserable Lügnerin, also was soll ich tun? Unsicher wähle ich Steves Nummer, und zu meinem Glück geht er nicht ran. „Er geht nicht ran," sage ich und nehme mir ein Glas Orangensaft.

Er nickt und kommt zu mir rüber, legt seine Hände an meine Hüfte und dreht mich zu sich.

„Ich hasse es, belogen zu werden," zischt er mir ins Ohr und streicht mir durch die Haare. „Du belügst mich doch nicht, oder?" Mein ganzer Körper zittert, und mein Herz rast wie wild. Ich schüttle den Kopf und füge ein leises „Nein" hinzu.

„Gut." Sein Griff an meiner Hüfte verstärkt sich. „Ich will dir nicht wehtun müssen, verstanden?" Wieder nicke ich nur und unterdrücke meine Tränen. Endlich lässt er mich los und küsst meine Wange. Ein Kuss, gefüllt mit Hass, Zorn und Verachtung. „Ich werde jetzt gehen, damit du dich ausruhen kannst, aber vergiss nicht, ich habe dich im Auge." Seine Worte versetzen mir einen Stoß ins Herz, doch ich zwinge mich zu einem Lächeln.

Erst als sein schwarzer Mustang völlig aus meinem Blickfeld verschwunden ist, fange ich an zu weinen und nehme das Handy. Das Handy, das mir Billy gegeben hat? Ich werfe es weg und gehe zum Haustelefon. Ganz bestimmt wird er dieses Handy abhören oder sonst irgendetwas damit gemacht haben. Panisch fange ich an, die Nummer zu wählen, als mich ein Klingeln erschreckt. Ich blicke zur Tür und weine nur noch mehr, als ich Steve sehe.

Ich mache die Tür auf und falle ihm in die Arme. „Ich bin so schnell gekommen, wie ich nur konnte," sagt er und hält mich fest.

Sofort erzähle ich ihm alles. Die Sache mit Eddie, das mit dem Handy, die Dinge, die Billy gesagt hat, und, und, und.

Völlig perplex blickt er mich an. „Du hast Eddie geküsst?" Ich nicke verlegen und schlage ihm dann auf den Oberarm. „Darum geht's doch gar nicht! Billy weiß, dass ich lüge, und er hat mir gedroht," sage ich ernst und laufe aufgeregt hin und her. „Ja, und dann ist da noch die Sache mit Lovers Lake." Stimmt, noch ein Mord. Ich setze mich hin und vergrabe meinen Kopf in meinen Händen.

„Hör zu, Dustin ist bei Eddie. Er hat eine Theorie, und wenn er recht hat, dann haben wir bald einen Weg zur anderen Seite." Steve klingt überzeugt, was mich beruhigt.

Eddie, wie sehr ich ihn vermisse. Es ist noch kein Tag her, und trotzdem fühlt es sich an wie eine Ewigkeit. Aber ich kann keinen Kontakt mit ihm riskieren. Nicht, solange Billy mir nicht traut.

„Was soll ich denn jetzt tun? Untätig hier sitzen und hoffen, dass alles gut geht?" Ich unterdrücke meine Tränen, ich kann nicht noch mehr heulen. „Du solltest zur Polizei gehen und ihnen alles sagen, was du weißt. Wenn du mit der Polizei 'kooperierst', wird niemand dich für verdächtig halten."

Steve hat recht, ich muss mir eine handfeste Story ausdenken. Von A bis Z, alles ganz genau durchdenken und dann zur Polizei gehen.

Je mehr falsche Infos ich ihnen gebe, umso mehr Zeit kann ich ihnen verschaffen.


Die Geschichte von Eddie dem Freak (Part One)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt