7 • Die (nicht?) Set-Liste

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Das Wetter draußen sieht jetzt schon so aus, als würde es nicht gemütlich werden, wenn ich gleich draußen auf den Bus warten muss.

"Ich hoffe, ich überlebe Französisch gleich", seufzt Cassie theatralisch und lässt ihre Hände auf das Tablett fallen, dass durch das Besteck darauf ein klirrendes Geräusch von sich gibt.

Heute ist Montag, die Woche startet wieder neu und ich sitze mit Cassie ausnahmsweise an der Glasfront der Cafeteria. Normalerweise könnte ich jetzt schon gehen, weil ich nur noch Freistunden habe und mein Tag somit beendet ist. Unser Psychologielehrer hat sich seine Achillessehne gerissen und seitdem hat niemand des Lehrerkollegiums eine Vertretung für uns gefunden - nebenbei bemerkt ist seine Verletzung am ersten Schultag nach den Ferien passiert. Aber mir soll es recht sein. Theoretisch könnte ich in der Study Hall Hausaufgaben machen, aber das ergibt keinen Sinn, weil ich auf Nichts warten würde, da ich danach keine Stunden mehr habe. Nur dummerweise fährt der früheste Bus erst in zwanzig Minuten. Deswegen kann ich so auch genauso gut mit Cassie hier warten.

Unser Gespräch heute in der Mittagspause hat sich grob um die Party am Wochenende gedreht, obwohl sie eigentlich gar nicht wirklich interessant war. Nach dem Auftreffen mit Cosmo habe ich ihn später, als wir gegangen sind, noch einmal mit Noah gesehen. Cassie hatte noch weiter getanzt, ich auch kurz. Irgendwann stand ich einfach nur in einer Ecke und habe beobachtet, wie Romeo und Esra weiter Misserfolge eingefahren haben. Das wars eigentlich.

"Wird schon", gebe ich nachdenklich von mir und strecke meine Hand aus, um Cassie, die mir gegenüber sitzt, auf die Schulter zu klopfen. Da der Tisch recht breit ist, muss ich meinen Arm dafür ganz schön weit strecken. "Du hast dafür Mrs. Dzeko." Micahs Mutter unterrichtet Französisch und Chemie. Im Gegensatz zu mir hat Cassie damals Französisch gewählt. Über jeden Tag, den sie mir darüber erzählt, bin ich froh in diesem komischen Handwerkskurs gelandet zu sein. Ich bin zwar nicht wirklich handwerklich begabt, aber alles ist besser als meine Sprachkünste.

"Ja, sie ist in Ordnung. Aber trotzdem. Wieso wollte ich damals auch unbedingt nach Frankreich? Alles nur wegen diesem einem Austausch", seufzt sie und rollt mit ihren Augen. Ich nicke nur als Antwort.

Verurteilen wir nicht alle manchmal unser altes Ich für Entscheidungen in der Vergangenheit?

"Der im Endeffekt ins Wasser gefallen ist", füge ich noch weiter hinzu. Denn das ist eigentlich der Hauptfaktor. Sie hat Französisch alleine deswegen gewählt und der Austausch fand nie statt. Wieso er nicht stattfand, weiß bis heute niemand - das ist anscheinend das große Mysterium der Lehrer. Zudem sind wir sogar der einzige Jahrgang, in dem der Austausch nicht stattfand, da er nach uns komplett normal weitergeführt wurde. Viele Schüler haben sich dann beschwert, aber wie sooft, hat es keinen der Lehrer interessiert.

"Erinner' mich nicht daran", mahnt Cassie und schüttelt ihren Kopf. "Nur deswegen habe ich jetzt nicht frei. Kann jemand bitte meinem alten Ich eine Kopfnuss geben? Danke."

"Würde ich in die Vergangenheit reisen können, würde ich es sofort tun", gebe ich ohne mit der Wimpern zu zucken von mir und stehe dann ohne Vorwarnung ruckartig auf. "Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Spaß in deinem Untergang. Ich werde indessen meinen Untergang da draußen finden", gebe ich theatralisch von mir und breite meine Hände zum Fenster hin aus, um das Wetter zur Schau zu stellen. Es regnet zwar noch nicht, aber es sind super dunkle Wolken am Himmel. Und genau deswegen wird es wahrscheinlich auch gleich regnen.

"Okay, viel Spaß", gibt Cassie nur trocken von sich, während sie nochmal ihre Gabel in die Hand nimmt. Fast als würde sie noch etwas essen wollen. Dann legt sie sie jedoch doch, wieder hin und steht auch auf. "Lass den Wind dich nicht wegwehen. Wir sehen uns nachher."

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