Mit dem Tod der Bäume in Valinor war alles Licht aus der Welt verschwunden. Nur die Dunkelheit war geblieben. Unheildrohende, furchtbare Dunkelheit, in der Vadars Sterne heller leuchteten als je zuvor. Auch wenn ihr Licht kalt war, so war es doch wunderschön. Und wie die Elben liebte sie die Sterne. Deswegen fürchtete sie sich nicht vor der Nacht und sie folgte dem erschütternden Schrei, der Lammoth seinen Namen gab.
Was sie hoch im Norden fand ließ ihr Herz eine unbekannte Furcht empfinden. Im Chor der Ainur hatte sie stets nur leise gesungen, doch war sie Zeuge der Kraft der Valar geworden. Sie wusste wessen Werk die Kreaturen der Dunkelheit waren, die sie mit tapferen Herzen erschlug, als sie sich mit blutiger Klinge ihren Weg in Morgoths finstere Hallen bahnte.Auf seinem Haupt saß eine eiserne Krone und in den Silmaril schimmerte das letzte Licht von Telperion und Laurelin. Das letze Licht der Welt. Umhüllt von Dunkelheit, in der er mit seiner blassen Haut und den Gemmen an der Stirn beinahe zu leuchten schien, wirkte er beinahe einsam. Ihr Schwert glitt aus ihrer Hand und fiel klirrend zu Boden, als sein durchdringender Blick sie streifte. Der verbliebene Mut wich aus ihrem Herzen und ließ sie unterwürfig auf die Knie sinken.
König der Welt nannte er sich, doch alles, das er beherrsche, hatte er selbst erschaffen. Im Auftrag von Manwe, der einst wie ein Bruder für den schwarzen Feind der Welt gewesen war, war sie gekommen, um ihn zu schlachten und das Reich Arda auf ewig von der Dunkelheit seiner Gedanken zu befreien.
Orome und Tulkas hatten sie gewarnt. Sie durfte keinen seiner Worte glauben schenken und keine Gnade walten lassen, wenn der Augenblick kam, in dem sie ihre Klinge durch sein Herz stoßen würde.
Schon zu der Zeit, als sie als Wächterin vor seine Zelle gestanden hatte, ohne jemals ihren Posten zu verlassen, hatte die unausweichliche Verbindung zu ihm erahnen können. Sie war sein Schicksal und er würde ihr Untergang sein.
Sie sah den Hass, der wie Feuer in seinen Augen brannte. Sie sah die Bosheit, die sein Herz so schwarz wie seine verbrannten Hände gemacht hatte. Auch wenn sie wie einer seiner Knechte vor ihm kniete, so konnte sie doch seinem Blick standhalten. Die Hand, die ihn erschlagen sollte zitterte, als sie wieder nach ihrem Schwert griff.
„Um mich zu richten kamst du, doch wirst du niemals wieder fortgehen können."
Seine Stimme war unheilvoll und dunkel, wie ein stürzender Berg und ließ sie schaudern. Sie sah die Einsamkeit in seinem boshaften Lächeln, als er sich erhob.
Langsam schritt er auf sie zu. Sie konnte sich nicht bewegen als er mit der Spitze seines kalten Fingers ihr Kinn grob nach oben drückte. „Weit bist du gekommen, ohne der Angst der Verlorenheit zu erliegen, doch dies ist das Ende deines Weges. All dein Schmerz, als die Qualen hast du vergeblich ertragen."
„Wenigstens bin ich am Ende frei", erwiderte sie und holte zum finalen Schlag aus. Das Blut unzähliger Ungeheuer hatte ihre Klinge rot gefärbt. Von Anfang an war ihr bewusst gewesen, dass ihre Reise zum Scheitern verurteilt war. Eigentlich hatte sie erwartet zu sterben, als sie sich einem Balrog mit Feuergeisel stellte. Doch war sie siegreich gewesen und ihr Herz voller wilder Entschlossenheit, die heißer brannte als Morgoths Hass.
„Freiheit ist ein Traum für Narren. Einzig und allein der Mächtigsten in diesem Reich wird jemals wirklich frei sein."
Er brach ihr sehnsüchtig lächelnd das Handgelenk. Sie wagte es nicht einen Laut des Schmerzes von sich zu gegeben. Der dunkle König sah ihre Trotz und belächelte ihn. Dann landete sie für einige Zeit in den dunklen Tiefen seiner Verließe.Ihre Gedanken und ein halbvergessenes Lied waren ihre einzige Gesellschaft, während sie für unbestimmte Zeit die Mauern ihres Gefängnisses betrachtete. Etwa zu der Zeit, da Isil und Anar ihre Fahrten in den Himmel antraten, kam Morgoth mit dieser Botschaft aus Valinor und Mittelerde zu ihr.
All die Zeit in der Einsamkeit hatte sie nachdenklich gemacht und ihre Augen, die einst im Sternenlicht geleuchtet hatten, waren traurig geworden. Sehnsucht nach den Sternen hatte ihr Herz schwer und ihre Gedanken dunkel werden lassen. Der Tod war schon immer ein Freund von ihr gewesen, doch sie konnte ihn nicht begrüßen, es sei den sie würde erschlagen. Nun da sie wieder ihn Melkors kaltes Gesicht blickte konnte sie die Erlösung beinahe schon fühlen. Mandos hatte ihr vor langer Zeit unter den Sternen einen Platz in seinen Hallen versprochen.
Ohne zu zögern griff sie nach Morhoths Hand, die er ihr anbot und sie schließlich hochzog. Er führte sie endlose Stufen hinauf, durch viele Hallen und prachtvolle Flure, während die Schreie seiner Kreaturen in ihren Ohren widerhallten.
Schon immer hatte Morgoth alles Schöne begehrt, und die Traurigkeit, die Einsamkeit, die sie nun ausstrahlte, weckte sein Interesse. Auch ihre frühere Stärke hatte insgeheim ein wenig bewundert. Und ihren Mut.
„Melkor", flüsterte sie plötzlich, als es für einen Moment vollkommen still war. „So lautete Euer Name, ehe Feanor euch den dunklen Feind der Welt nannte."
Als sie ihn mit ihren glanzlosen Augen anschaute war es, als sehe sie tief in sein dunkles Herz. Hinab bis in den schwarzen Abgrund seiner Seele. Er lächelte sein kaltes Lächeln und stieß das Tor zu jenem Saal auf, in dem er sie einst auf die Knie gezwungen hatte.
Mit Eisenketten gefesselt und blutverkrusteten Gesicht kniete dort, wo sie selbst unterlegen war, Maedhros, Feanors Sohn. Sie konnte sich daran erinnern, ihn einst im fernen Valinor gekannt zu haben, ehe Feanor die Noldor nach über das Meer nach Mittelerde geführt hatte. Doch als ihre Blicke sich trafen lag kein Zeichen des Erkennens in seinen Augen.
Morgoth legte seine schwere Hand auf ihre Schulter und die Kälte, die von ihm ausging, drang bis zu ihren Knochen.
„Welche Strafe ist angemessen für einen, der meine Juwelen stehlen will und mir nach den Leben trachtet?", verlangte der Dunkle Fürst von ihr zu wissen, einen manipulierenden Zauber in seine Worte webend.
„Nehmt seine Hand, mit der er das Schwert schwingt", antwortete sie. „Er ist Feanors Erstgeborener. In seinen Ader fließt das selbe brennende Blut. Hängt ihn an seiner Schwerthand an die Hänge der Berge und lauscht dem Lied seiner Verzweiflung."
Morgoth lächelte bei der Gleichgültigkeit ihrer Worte und Feanors Sohn wurde mit schreckensweiten Augen aus dem Raum gezerrt.
„Hat die Einsamkeit dich so grausam gemacht?"
„Töte mich", forderte sie im selben Ton, mit dem sie Maedhros' Schicksal besiegelt hatte. „Erweise mir ein letztes Mal deine Gnade, Melkor."
Er trat nahe zu ihr. „Gibst du schon auf? Jetzt, da dieses Spiel erst interessant wird?"
Sein kalter Atem ließ sie schaudern. Sie sah direkt in seine Augen, die den Beginn der Welt gesehen hatten. „Wenn es jemals ein Spiel war, dann wird es Zeit, es endlich zu beenden."
Sein Lächeln war furchtbar. Schrecklich einsam und sehnsüchtig. Selbst als er sich zu ihr hinunter beugte und seine Lippen über ihren Mund strichen war alles, was sie empfand, das dumpfe Gefühl von Leere.
„Du bist immer noch wunderschön", flüsterte er und ihr wurde ganz plötzlich bewusst, dass diese Worte vor sehr langer Zeit ihr Herz hätten höher schlagen lassen. Dass sie einst unter seiner Berührung erschaudert wäre.
Damals, als er seine wahren Absichten noch niemanden preisgegeben hatte und die Welt nichts weiter als eine Vision gewesen war. Damals vor so langer Zeit, als sein Gesicht, das jetzt von Gier, Hass und Neid verunstaltet war, noch so schön wie der Traum vom Leben gewesen war.
In jenen Tagen, als sich das Böse seines Wesens noch nicht offenbart und sie geglaubt hatte, dass sie eine Chance hätte.
„Fürchtest du dich, Y/N?", fragte er leise, fast zärtlich und schlang dabei einen Arm um ihre Hüfte, um sie an sich zu ziehen. „Bin ich so schrecklich geworden, dass sie am Ende niemand anderen als dich schicken konnten, um ihr Urteil auszuführen?"
„Deine Schönheit hat mich nie verschreckt. Auch wenn sie dunkel und grausam ist. Auch wenn dein Name Morgoth ist, so wird ein Teil von dir immer Melkor bleiben." Und jenen Teil wird mein verräterisches Herz solange es schlägt auf eine naive, banale Weise lieben.
Selbst wenn sie in diesen Moment der unerwarteten Nähe und Zärtlichkeit ihr Schwert wieder gehabt hätte, selbst wenn sie sich nach all der Zeit noch an die Techniken erinnerte, so hätte sie ihm die Klinge doch nicht ins Herz stoßen können.
Er hielt sie in seinen Armen, an seine kalte, harte Brust gepresst und über seine Schulter blickend konnte sie seinen einsamen Thron in seinen dunklen Hallen sehen. Sie schloss die Augen und für den Bruchteil eines Augenblicks konnte sie sich vorstellen, dass sie in einer anderen Welt zu einer anderen Zeit hätten glücklich sein können.
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Random Oneshots
Fiksi PenggemarGeschichten, die mir so durch den Kopf gehen Manchmal zu einzelnen Charaktere, manchmal zu Shippings Hauptsächlich dramatisch und traurig Erwartet nichts Umwerfendes Für Logik- und Rechtschreibfehler wird nicht gehaftet