Suguru Geto ~ Falling

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Du betrachtest den dunklen Himmel über dir. Wolken verdreckten die Sterne und lichtlose Dunkelheit hüllte dich ein. Du schlosst die Augen und hofftest wieder träumen zu können.
Träume.
Träume von Frieden und dem Ende der Welt. Träume von Tod und Leben. Träume, in denen du mit Suguru durch blutroten Nebel tanztest.
Wie sehr du sie liebtest. Wie sehr du dich nach der Erinnerung an ihn verzerrtest. Nach der Erinnerung an die Tage, als ihr noch jung, unsagbar dämlich und über alle Maßen hinaus verliebt gewesen wart.
An etwas, das wie Fallen gewesen war. Ihr beide zusammen, fielt so tief, verloren in Wunschgedanken bis er von der kalten Hand des Todes aus deinen Armen gerissen wurde.
Lebendig. Das war es gewesen. Das Gefühl, dass du empfandest, wenn du mit ihm zusammen Flüche vernichtetest und Menschen rettetest. Das Flattern in deiner Brust, wann immer er dich bloß ansah. Die vielen kleinen Berührungen. Das Bild von seinem Lächeln, das sich in dein Herz gebrannt hatte.
Träume von der Zeit, als du noch jeden Morgen mit der Gewissheit aufwachen konntest, dass er da war. Dass er lebte.
Träume von einer Zeit, die du immer mehr zu vergessen begannst. Damals, als ihr euch all eure Lügen erzählt und euch gegenseitig den Atem geraubt hattet. All die Nächte in denen ihr die Sternen angesehen und von einem Leben geträumt hattet, dass ihr ohnehin niemals haben konntet. Nichts als Erinnerung an einen verlorenen Traum, den ihr Liebe nanntet.
Und alles was von diesem Traum geblieben war, warst du. Du allein, mit gebrochenen Herzen und Narben auf der Seele, die niemals heilen konnten. Du und dein stummer Schrei der Verzweiflung, der für immer andauern würde.

Manchmal konntest du noch seine Berührungen spüren. Wie seine Hand deine gestreift hatte, als er vorgetreten war um dich vor Toji Fushiguro zu beschützen. Manchmal bildetest du dir ein ihn direkt vor dir zu sehen. Mit diesem einen, ganz besonderen Lächeln, das dir vorbehalten war.
Doch wann immer du dich daran erinnertest, wie schön es mit ihm gewesen war, blitzten auch die Bilder von seinem blutüberströmten Körper in deinen Gedanken auf. Wie er regungslos in deinen Armen lag und seine Augen blicklos vor sich hinstarrten ohne etwas zu sehen.  Jedes Mal konntest du den brennenden Schmerz in deiner Brust aufs Neue fühlen. Als ob dein Herz zersplittern würde. Als würdest du Tag für Tag aufs Neue sterben.
Am schlimmsten jedoch war die Gewissheit, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem du nicht jede Sekunde an ihn dachtest und in der Menschenmenge nach ihm Ausschau hieltst. Die Welt drehte sich auch ohne ihn weiter. Dein Leben endete nicht weil sein Herz zu schlagen aufgehört hatte.
Du hattest furchtbare Angst, dass dieses Bild von ihm in deinem Herzen irgendwann verblasste. Dass du den Klang seiner Stimme vergaßt und das Gefühl, das er in dir wach gerufen hatte.
Du hättest alles gegeben, um ihn noch ein aller letztes Mal sehen zu dürfen. Mit ihm sprechen. Ihn küssen und ihn sein Ohr flüstern, wie sehr er dir fehlte. Dass es dir gut ging, auch wenn du nicht glücklich sein konntest.

„Hast du dich zum Sterben hierhin gelegt oder wartest du auf etwas?", riss eine wohlbekannte Stimme dich aus deinen Gedanken.
Satoru blickte dich mit seinen unheimlich schönen blauen Augen an über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg an. Warum er diese mitten in der Nacht trug hinterfragtest du nicht. Du hättest ihm gerne sein Grinsen aus dem Gesicht geschlagen, doch dazu fehlte dir die Kraft. Er ließ sich neben dich ins Gras fallen.
„Bist du nicht zu jung, um für immer so traurig zu sein?"
Du antwortest nicht. Er schien es nicht einmal wirklich zu bemerken. Satoru blickte zu den Sternen hinauf, die du Nacht für Nacht ansahst, wenn du dich an Suguru erinnertest und nicht an deiner Traurigkeit ersticken wolltest.
„Du weißt, dass du nicht die einzige Person bist, die ihn vermisst? Die ihn geliebt hat."
Du warfst ihm einen kurzen Blick zu. „Erklärst du mir gerade, dass es tatsächlich jemanden gibt, den du halb so gern hast, wie dich selbst?"
Er lachte auf, doch in dem Ton schwang etwas Trauriges mit. „Er war mein Freund. Natürlich hatte ich ihn gern."
Du beschlosst ihm dieses eine Mal zu glauben. Eine Weile lagt ihr beide schweigend im Gras.
„Y/N?"
„Halt deine verfluchte Klappe, Satoru", du wolltest abweisend klingen, doch deine Stimme zitterte. Du wolltest nicht, dass er deinen Namen flüsterte. Nicht hier. Nicht so. Als würdest du ihm tatsächlich etwas bedeuten.
„Weinst du?"
Du stießt einen Fluch aus. Er schielte zu dir herüber und du bedecktest dein Gesicht mit dem Arm, damit er deine Tränen nicht sehen konnte.
„Wieso bist du hier, Satoru?", fragtest du leise mit tränenerstickter Stimme.
Da dein Arm immer noch deine Augen bedeckte konntest du sein melancholisches, fast trauriges Lächeln nicht sehen.
„Ich sehe, wie du fällst, Y/N. Unendlich tief. Und am Ende wartet niemand der dich fangen könnte."
Du hinterfragtest diese seltsam dramatische  Aussage nicht. „Einst hatte ich Flügel", erwidertest du nur im gleichen Ton. „Einst habe ich tatsächlich daran geglaubt, dass sie mich tragen könnten. "

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