Guren Ichinose ~ Dusk till Dawn

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Sie stand auf dem Dach eines halb verfallenen Gebäudes und blickte auf die zerstörte Stadt hinunter. Wie lange mussten sich sich noch terrorisieren lassen? Wie lange mussten sich noch die Beute von diesen blutrünstigen Monstern sein, die Blut tranken, als wäre es Wasser? Wie lange sollten sie noch für nichts sterben?
Seine Schritte waren lautlos, doch sie konnte seine Anwesenheit fühlen. Diese Präsenz, die er ausstrahlte. Eine ruhige Zuversicht.
„Bist du hier um dich in den Tod zu stürzen?", seine Stimme hatte den gewohnten spöttischen Unterton. Sie gestattete sich ein kleines Lächeln.
„Bei deinem Anblick könnte ich direkt in Versuchung geraten."
Guren reagierte mit einem leisen Lachen. Eine Brise fuhr durch sein Haar, als sie ihn ansah.
„Ich komme hierher um den Sonnenaufgang zu beobachten, wenn ich davon träume, dass ich jeden verliere, den ich jemals geliebt habe."
Er nickte in Richtung der untergehenden Sonne. „Das ist nicht die Morgendämmerung."
„Manchmal habe ich das Gefühl, dass alles was wir tun, nutzlos ist. Dass es für uns schon lange keine Hoffnung mehr gibt. Nicht für uns. Nicht für diese Welt, die unser Zuhause ist. Vielleicht hoffe ich, dass die Sonne dieser Verrückten endlich untergeht."
„Sie können nicht für immer herrschen. Irgendwann werden die Mondjäger triumphieren. Wir werden wieder frei sein, Y/N. Deine Albträume werden ein Ende haben."
Er war näher gekommen. Seine Hand strich vorsichtig über ihre Wange. „Du wirst keine Angst mehr haben müssen", flüsterte er zärtlich. „Wir werden glücklich sein."
Seine Worte waren so voller Überzeugung und Zuversicht, dass sie die Lüge in seinen Augen beinahe übersehen hätte.
„Du weißt so gut wie ich, dass es dazu niemals kommen wird, Guren. Das war nie unser Schicksal."
„Vielleicht hast du recht, aber ich glaube nicht an solche absurden Dinge. Du kannst den Weg, den du gehen willst, selbst wählen. Es gibt nichts, das dich aufhält. Lass dich fallen und vertraue darauf, dass ich dich auffangen werde."
Sein Kuss schmeckte süß nach Wahrheit. Für einen Moment verlor sie sich in diesem Gefühl, das er ihn ihr auslöste. Dieses Kribbeln in ihrer Brust und das Verlangen, den Augenblick niemals enden zu lassen.
„Und selbst wenn das Ende unserer Tage dämmert werde ich in der Dunkelheit an deiner Seite sein und bis zum Morgengrauen bleiben."
Sie lächelte, das Gesicht in dem dunklen Stoff seiner Uniform vergraben, damit er ihre Tränen nicht sehen konnte.
„Du solltest keine Versprechungen machen, die du nicht halten kannst."
Brich mein Herz nicht, wenn du das letzte Mal ausatmest. Lass mich nicht hoffen, wenn du ein letztes Mal Lebewohl sagst.
„Y/N, rotzt du gerade meine Uniform voll?"
Ihre Schulterten bebten, als sie schluchzte. „Nein. Wie kommst du denn darauf? Glaubst du wirklich es gäbe jemanden, abgesehen von Yuu und deinem Team, der deinen Verlust betrauern würde?"
Seine Hand streichelte vorsichtig über ihren Rücken. Jemanden zu trösten war noch nie seine Stärke gewesen.
„Natürlich nicht. Shinya würde dich vermutlich auf eine Party einladen, die er mit meinem Geld finanziert, das eigentlich für meine Beerdigung vorhergesehen wäre."
„Du sparst für dein Begräbnis?"
Wieder erzitterte sie und Guren zog sie noch ein wenig näher an sich heran. „Die Leute sollen mich stillvoll in Erinnerung behalten. Ich will diese dramatische Geigenmusik und makellos weiße Rosen. Du darfst eine Rede darüber halten, wie wunderbar ich war."
„Hoffen wir das es niemals dazu kommt. Das wäre eine sehr kurze Rede."
„Ein schlichtes Ich habe ihn geliebt würde mir reichen."
„Träum weiter, Guren. Ich bring dich um, wenn du vor mir stirbst."
„Dann kann ich ja beruhigt sein."
Er hauchte einen Kuss auf ihren Scheitel. „Und jetzt hör auf zu weinen und sieh mich an", forderte er sanft.
Zaghaft kam sie seiner Bitte nach. Guren grinste sie an.
„Du bist sogar mit geröteten Augen und einer zerzausten Haaren immer noch umwerfend schön."
„Hör auf damit."
„Womit denn? Ich dachte du magst, wenn ich dir Komplimente mache?"
„Hör auf so zu tun, als ob das alles nur ein Spiel wäre."
„Aber das ist es doch, Y/N. Dieser Krieg ist das Spiel und unser Einsatz sind unsere Leben."
„Und wenn wir verlieren?"
„Dann sehen wir uns im nächsten Leben wieder den Sonnenaufgang an", murmelte er, ehe er sie küsste. „Ich werde dich finden, wohin auch immer du gehen wirst. Du bist der Teil von mir, den ich nicht verlieren will."

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