Kapitel 14

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MILLY

Panisch und wie gelähmt vor Angst stand ich noch eine gute Minute lang an der Wand der Toilette, bevor ich mir schnell die Tränen aus den Augen wischte und mir etwas Wasser ins Gesicht spritzte. Wie hatte Avery mich hier nur gefunden? Ich hatte panische Angst und ich wusste genau, dass ich jetzt noch mehr aufpassen musste, aber ich wollte Otis weiterhin treffen. Allerdings ging das nur, wenn Avery mich in Ruhe lassen würde und das wiederum würde er nur tun, wenn die Polizei ihn wegsperrte. Und sollte die Polizei zu Avery kommen, war Otis dran. Das war ein verdammter Teufelskreis! Das konnte doch nicht wahr sein! Wieso musste mir so etwas passieren?! Nachdem ich sichergestellt hatte, dass ich nicht allzu verweint aussah, ging ich wieder nach draußen, wo Kelly an der Nische stand und auf mich wartete.
"Hey, da bist du ja, ich hab mir schon Sorgen gemacht. Ist alles in Ordnung? Du siehst ein bisschen durch den Wind aus", fragte er besorgt nach, ich schüttelte schnell den Kopf.
"Ach was, nein, alles gut. Ich hab mir nur ein bisschen Wasser ins Gesicht gespritzt, das ist alles. Lass uns gehen, ja? Ich will mich noch ein bisschen ausruhen, bevor wir heute Abend ins Molly's gehen", wehrte ich schnell ab und lächelte ihn an. "Außerdem will ich jetzt endlich die Wohnung des großen Kelly Severide sehen, der große Held von Chicago. Zumindest steht das so auf den Zeitungsartikeln, die Benny von dir aufgehoben hat."

Obwohl ich immer noch ein mulmiges Gefühl wegen Avery hatte, zog ich mir am Abend eine schicke Jeans und eine hübsche Bluse an, bevor Kelly mich in die Bar fuhr. Schon als wir vor der kleinen Eckbar hielten, gefiel es mir hier. Die alte Tür wirkte einladend und das Neonschild darüber blinkte, als wollte es die Aufmerksamkeit der ganzen Stadt auf sich ziehen. Meine Aufmerksamkeit hatte es jedenfalls. Ich sah Kelly an, als wir ausstiegen und auf die Tür zugingen.
"Und? Bereit DIE Feuerwehrbar in Chicago kennenzulernen?", fragte Kelly grinsend, während ich von drinnen schon den Lärm der Menschen hören konnte. Ich hörte Lachen und Rufen, also schien da drin wohl gute Laune zu sein.
"Na klar, mehr als nur bereit! Komm endlich!", antwortete ich meinem großen Bruder und öffnete die Tür. Als ich die Bar von innen sah, begannen meine Augen vor Begeisterung zu leuchten. An der Decke hingen viele kleine Lichter, die beinahe wie ein magischer Nachthimmel funkelten und das viele Holz ließ die Bar urig und sehr gemütlich wirken. Es war brechend voll und von überall drang Gelächter und Gerede zu mir durch. Ich konnte Herrmann und Otis hinter der Bar stehen sehen, während Cruz und Mouch bei ihnen saßen und Bier tranken. Ich sah Kelly an, lächelte und ging dann ebenfalls auf die Bar zu. Kelly folgte mir und Otis grinste, als er mich sah. Ich setzte mich neben Cruz auf einen Hocker und erwiderte das Lächeln.
"Hey, du bist gekommen. Das freut mich, wirklich", sagte er.
"Na klar doch! Was dachtest du denn?", grinste ich. "Glaubst du wirklich, ich lasse mir eure Bar entgehen? Eher trinke ich zwei Flaschen Wodka pur!" Otis lachte.
"Vergiss es, dazu bist du noch zu jung, aber ich könnte dir einen alkoholfreien Cocktail anbieten", erwiderte er, ich nickte.
"Gerne, ja", stimmte ich zu, worauf Cruz grinste.
"Du nimmst, was du kriegen kannst, was? Du bist eine Severide, das kannst du nicht verleugnen!", grinste er, ich lachte, während Otis mir meinen Drink mixte.
"Will ich auch nicht, dieser Name ist schließlich heilig. In dieser Stadt öffnet er eine Menge Türen", konterte ich und nahm den Drink dankend an, als Otis ihn mir hinstellte.
"Wissen wir. Wann immer wir einen seltsamen Fall haben, brauchen wir bloß Benny Severides Namen zu erwähnen und wir kriegen alle Informationen, die es jemals gab", erwiderte Cruz. "Dein Alter ist echt eine Legende."
"Hm, eine Legende im Idiotsein wohl eher. Schließlich ist er nicht gerade tolerant, was mich - seine missratene Tochter - angeht. Aber was alles andere angeht... Ja, da hat er wirklich ein Händchen für", gab ich zu und zuckte die Schultern.
"Was ist das eigentlich zwischen Benny und dir?", fragte Mouch neugierig nach. "Ihr habt ja wirklich einen enormen Streit."
"Na ja, er ist einfach gegen alles, was ich machen will. Und da mir das nicht gefällt und ich einen genau so großen Sturkopf wie er habe, entartet es immer im Streit", erklärte ich knapp. "Ist aber auch nicht so wichtig. Können wir bitte das Thema wechseln? Es gibt schöneres, als heute Abend über Benny zu reden."

Nach einer knappen Stunde ging Otis mit mir nach hinten in die Küche, um mir ein wenig die Räumlichkeiten zu zeigen. Da ich hier auch mal aushelfen wollte, musste ich schließlich auch mal alles kennenlernen. Während wir hinten in der Küche waren, waren wir alleine, wohin Kelly verschwunden war, wusste ich nicht. Kurz nachdem ich mich an die Bar gesetzt hatte, war er im Gemenge der Leute verschwunden, aber mir machte das nichts aus. Ich wollte sowieso lieber Zeit mit Otis alleine verbringen. Während dieser mir alles zeigte und mir erklärte, wie stur und eigensinnig die Spülmaschine war, hing ich wie ein Kleinkind an seinen Lippen und hörte ihm aufmerksam zu. Ich wollte mir alles merken, um einen guten Eindruck zu machen und vielleicht auch bald mal hier arbeiten zu können.
"Tja, also... Das sollte alles gewesen sein. Hast du noch Fragen?", sagte Otis schließlich und sah mich an. Na ja, eine Frage hatte ich tatsächlich. Ich mochte Otis verdammt gerne und hätte ihn am liebsten gefragt, ob er single war, aber das konnte ich hier unmöglich bringen. Oder? Nein, das konnte ich nicht. Ich wollte ja nicht mit der Tür ins Haus fallen und Otis verschrecken! Also schüttelte ich schnell den Kopf.
"Nein, soweit ist alles klar", antwortete ich ihm. "Es sei denn, dir fällt noch etwas ein."
"Na ja, eine Frage gäbe es da tatsächlich", gab er nervös zu, während er rot wurde und sich verlegen durch die Haare fuhr. Ich wartete darauf, dass er weitersprach, aber er schüttelte plötzlich den Kopf. "Nein, egal, das ist nicht so wichtig. Wollen wir rausgehen? Ich wollte gleich einen Karaokeabend starten und Herrmann wird dagegen sein, ich könnte etwas Unterstützung gebrauchen." Ich lächelte.
"Natürlich, ich helfe dir. Dich unterstütze ich, wo immer ich auch kann, versprochen. So etwas tun Freunde für einander nun einmal."

Chicago Fire - Der Weg der Milly Severide Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt