Kapitel 16

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MILLY

Nachdem ich Otis geküsst hatte, hatten wir noch bestimmt einige Minuten lang rumgemacht, aber als Herrmann nach uns gerufen hatte, hatten wir sofort voneinander abgelassen, um nicht erwischt zu werden. Peinlich berührt sahen wir uns an, bevor Otis mit mir nach draußen ging. Wir ließen uns nicht anmerken, dass wir gerade eben noch miteinander rumgemacht hatten, denn dann hätten wir mit Sicherheit Ärger von Herrmann und Kelly bekommen. Aber keiner schien mitbekommen zu haben, was gerade eben in der Küche passiert war, worüber ich auch wirklich sehr froh war. Den Ärger würde ich mir nämlich nur zu gerne ersparen. Erst recht von Kelly! Auf das Gespräch mit den Bienchen und Blümchen konnte ich nur zu gut verzichten! Das hatte ich schon einmal gehabt und ich brauchte das nicht noch einmal mit Kelly. Außerdem würde das verdammt unangenehm werden, wenn es dabei noch um einen Kollegen meines Bruders ging. Während Otis also wieder an der Bar beschäftigt war, setzte ich mich zu Cruz und Mouch an die Bar.
"Na? Wie war's hinten? Ihr wart ja erstaunlich lange weg", grinste Cruz und zwinkerte mir zu. Mir schoss sofort die Röte ins Gesicht und ich wandte den Blick ab.
"Otis hat mir einfach nur alles gezeigt, das ist alles. Und ich hab ihm geholfen, ein paar Sachen einzuräumen. Darf man jetzt nicht mal mehr hilfsbereit sein?", versuchte ich mich rauszureden, aber Cruz lachte.
"Mich kannst du nicht verarschen, Milly. Otis ist seit Jahren mein bester Freund, ich bemerke das, wenn er mit jemandem flirtet - oder wenn er einfach nur Zeit mit einem Mädchen verbringen will", wandte er grinsend ein. "Mir kannst du da nichts vormachen. Also, sag schon. Was habt ihr da hinten gemacht? Und magst du Otis auch?" Ich kratzte mich verlegen am Kopf und versuchte mir die Röte aus dem Gesicht zu wischen, aber das war kaum möglich.
"Ach, ist doch nicht so wichtig", wehrte ich ab. "Willst du eigentlich noch ein Bier? Ich kann dir gerne eins machen."
"Versuch jetzt nicht abzulenken, Milly!", meinte er lachend.
"Tu ich nicht, ich will dir nur ein neues Bier holen", wehrte ich schnell ab.
"Nein, lass gut sein. Severide wollte sowieso gleich heim, du musst für morgen schließlich fit sein. Du willst doch nicht die morgige Schicht verschlafen, oder?", sagte er, ich schüttelte schnell den Kopf und war froh über diesen Themenwechsel.
"Nein, auf keinen Fall. Mach dir keine Sorgen, ich werde pünktlich um acht auf der Matte stehen! Darauf kannst du dein ganzes Gehalt verwetten!"

Am nächsten Morgen scheuchte ich Kelly so früh wie möglich aus dem Bett, um so schnell es ging auf der Wache zu sein. Obwohl er mich ständig fragte, was das gestern mit Otis und mir gewesen war, schaffte ich es irgendwie immer das Thema zu wechseln. Selbst auf der Autofahrt konnte ich ihn von weiteren Fragen abhalten, aber dafür schnitt er ein viel schlimmeres Thema an - Avery.
"Milly, darf ich dich fragen, wie es mit Avery aussieht? Du hast seit gestern kein Wort mehr über ihn verloren. Hat er dich kontaktiert?", fragte er besorgt nach, ich schüttelte den Kopf.
"Nein, hat er nicht", log ich. "Er hat mich bestimmt wieder vergessen, ist ja auch nicht so wichtig. Viel wichtiger ist mir jetzt, was wir heute so alles erleben werden."
"Tja, wahrscheinlich eine ganze Menge, Chicago kann sich nämlich nicht mal für einen Tag benehmen. Oh, Dawson und Brett haben mich übrigens gefragt, ob du Lust hättest, sie heute auf dem Rettungswagen zu begleiten", antwortete er, ich nickte. Eine Schicht auf dem Rettungswagen war mit Sicherheit genauso spannend wie eine Schicht auf der Drehleiter.
"Oh ja, gerne!", stimmte ich zu. "Dann kriege ich mal alles mit."
"Aber lass es gut sein, wenn dir das mit den Wunden und dem Blut zu nah geht. Es kann manchmal schon ziemlich... eklig werden", bat er, ich winkte gelassen ab.
"Kelly, das ist lieb, wirklich, aber ich kann das selbst einschätzen. Außerdem weiß ich ganz genau, wie viel ich ertrage und wie viel nicht. Und ich kann recht viel vertragen, ehrlich. Ich kriege das hin", beruhigte ich ihn schnell und lächelte ihn an. "Ich helfe gerne den Sanitätern."
"Na gut, alles klar, aber sag Bescheid, wenn trotzdem etwas ist, ja?", bat er, ich nickte.
"Klar, mach ich, versprochen", willigte ich ein und wandte mich dann wieder dem Fenster zu.
Fünfzehn Minuten später waren wir auf der Wache und ich half Dawson und Brett beim Inventar des Wagens. Während die beiden mir sagten, was ich zählen sollte, schrieben sie die Zahlen auf und unterhielten sich locker. Doch plötzlich knarzte die Anlage der Wache und die blecherne Stimme erschallte: "Rettungswagen 61, Selbstmordversuch, Queensbury Street 4892." Dawson sah mich an, während Brett ihr Klemmbrett zur Seite legte.
"Dein erster Einsatz wird wohl gleich ein ganz harter Fall. Willst du lieber hierbleiben?", fragte Dawson nach, ich schüttelte den Kopf und setzte mich auf den freien Sitz neben der Liege.
"Nein, auf keinen Fall. Ich komme mit und helfe euch", antwortete ich ihr, sie nickte und stieg mit Brett vorne ein, bevor wir mit Sirene und Blaulicht losfuhren.
"Lass aber bloß die Nadeln in Ruhe, hörst du?", mahnte Dawson, ich nickte.
"Keine Sorge, ich fasse nichts an. Ich werde nur das tun, was ihr mir sagt", beruhigte ich sie und hielt mich an einer Halterung an der Decke fest. "Kann ich überhaupt etwas tun, um euch zu helfen? Und sollten wir nicht die anderen informieren, damit sie uns helfen?"
"Mach ich schon. Bleib erstmal zurück, wir sagen dir Bescheid, wenn du helfen kannst, ok?", erwiderte Brett, ich nickte.
"Alles klar, das machen wir so", stimmte ich zu und sah nach draußen, wo die Häuser nur so an uns vorbeirauschten. Hoffentlich kamen wir noch rechtzeitig, um den Selbstmord zu verhindern!
Es dauerte keine fünf Minuten, um an der Unfallstelle anzukommen, aus der Ferne konnte ich bereits weitere Sirenen hören. Die Polizei war auch schon vor Ort, als wir vor einem Mehrfamilienhaus in einem Vorstadtbezirk ausstiegen. Ich sah nach oben zum Dach und erschrak. Ich kannte das junge Mädchen, das gefährlich nah an der Dachkante stand.
"Oh mein Gott. Das ist Jenna, Averys kleine Schwester!"

Chicago Fire - Der Weg der Milly Severide Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt