Kapitel 2

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MILLY

Ich lächelte die Mannschaft an, als sie zu uns aufsahen. Sie schienen alle recht nett zu sein, obwohl niemand bisher etwas gesagt hatte. Dennoch fühlte es sich irgendwie heimisch und gut an, in diesem Raum zu stehen. Ich hatte das Gefühl, allen hier vertrauen zu können. Besonders ein junger Mann mit dichten schwarzen Haaren und einem Oberlippenbart fiel mir ins Auge. Er war mit Sicherheit zehn Jahre älter als ich, aber irgendwie gefiel er mir auf Anhieb. Gott, Kelly würde mich umbringen, wenn er herausfand, dass ich mich einfach so in seinen Kollegen verknallt hatte! Mein Bruder legte mir eine Hand auf die Schulter und sah seine Kollegen an.
"Leute, ich will euch kurz jemanden vorstellen. Das ist meine kleine Schwester, Milly. Sie zieht vorübergehend zu mir und wird uns wahrscheinlich auch ab und an besuchen", sagte Kelly, worauf mich alle begrüßten und sich mir vorstellten. Mir schwirrte der Kopf von den vielen Namen, aber dennoch wirkten alle sehr nett. Was mich zum Schmunzeln brachte, war, dass der junge Mann, der mir so gut gefallen hatte, sich zwar als Brian vorstellte, aber von allen anderen auf den Namen Otis korrigiert wurde. Er verdrehte daraufhin nur die Augen nickte.
"Ja, Otis geht auch", murmelte er. "Mich nennt sowieso keiner Brian, ich sollte es aufgeben, mich überhaupt so vorzustellen."
"Eben. Du brauchst dir also nur Otis zu merken, Milly", wandte Herrmann ein.
"Komm ruhig rein und setz dich. Wir haben noch etwas zu essen da, wenn du willst. Bedien dich einfach, nimm dir, was du brauchst", bot Lieutenant Casey an, ich nickte und lächelte die Gruppe an.
"Mach ich, danke", erwiderte ich und setzte mich an einen freien Platz am Tisch - zufällig genau neben Otis. Kelly wollte gerade etwas sagen, als plötzlich ein Alarm anging.
"Rüstgruppe 3, Rettungswagen 61, eingeklemmte Person. Cherry Street 760", hallte eine blecherne Stimme durch die Wache, worauf mein Bruder mich ansah.
"Das bin ich. Lass dir von jemandem alles zeigen, ja? Ich bin bald wieder da!", rief er mir zu, bevor er mit Dawson und Brett - den beiden Sanitäterinnen - aus der Tür in die Halle stürmte.
"Ich zeige dir alles, ja?", bot Otis an und lächelte. Ich erwiderte sein Lächeln und nickte.
"Gerne, ja", stimmte ich schnell zu und stand mit ihm zusammen auf, während ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr ich mich über Otis' Angebot freute. Ich ließ meinen Rucksack am Tisch stehen und folgte Otis dann durch eine kleine Tür in den Besprechungsraum der Wache.
"Du ziehst zu Severide? Was verschlägt dich denn auf eine Feuerwache?", fragte Otis neugierig nach, als wir den Raum betraten und alleine waren.
"Tja, zuhause bei Benny habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten, er kümmert sich sowieso nicht um mich. Der wichtigere Grund ist aber, dass ich mit der Schule fertig bin und gerne eine Ausbildung machen würde. Ich weiß nur noch nicht zu was, also dachte ich, dass ich vielleicht ein wenig Inspiration bei Kelly in der Innenstadt finde", erklärte ich und zuckte die Schultern. "Ich bin zumindest mal für alles offen."
"Das ist schon mal gut", meinte er und führte mich weiter. Wir kamen hinaus auf den Flur, von wo aus er mir die Tür zu den Toiletten und Duschen zeigte, bevor wir allerdings in den Schlafraum abbogen. "Das hier ist übrigens unser Schlafraum. Severide und Casey haben eigene Büros dahinten, in denen sie auch schlafen."
"Ist bestimmt ruhiger als mit allen anderen in einem Zimmer", erwiderte ich und sah mich im Raum um. "Wo ist dein Bett?"
"Dahinten, an der Trennwand. Du erkennst es ganz leicht an dem Chaos, das dort herrscht. Zumindest sagen das die anderen", antwortete er grinsend und zuckte die Schultern. "Ich finde es ordentlich." Ich warf einen Blick zu dem Bett, das an einer der hinteren kleinen Trennwände stand. Eine Menge Comics und Klamotten lagen darauf verstreut, weswegen ich ziemlich gut nachvollziehen konnte, weshalb die anderen es als chaotisch empfanden. Andererseits war ich auch nicht die ordentlichste Person und daher mochte ich das leichte Chaos.
"Ich auch", gab ich ihm schließlich recht. "Es sieht ein bisschen aus wie bei Benny in meinem Zimmer."
"Das gefällt mir", grinste er und führte mich dann nach draußen in die Halle. "Soll ich dir mal unsere Schutzkleidung zeigen oder interessiert dich das eher weniger?"
"Machst du Witze? Natürlich will ich die sehen!", beeilte ich mich begeistert zu sagen. Er grinste und ging mit mir zu einem der Fahrzeuge, an dem Schuhe und Hosen standen und Jacken an den Türgriffen und Spiegeln hingen.
"Also, das ist unsere Drehleiter, ich fahre sie", begann er und nahm eine Jacke vom Haken, die einen russischen Namen auf der Rückseite eingestickt hatte. "Und das ist meine Jacke. Fass sie ruhig mal an, wenn du möchtest." Ich nickte begeistert und rieb den dicken, rauen Stoff bedächtig zwischen meinen Fingern.
"Wow, die ist echt dick. Sind die ganzen Schutzkleidungen nicht total schwer?", fragte ich neugierig nach.
"Sag du es mir", erwiderte er geheimnisvoll und hielt mir seine Jacke hin. "Zieh sie ruhig einmal an, wenn du möchtest." Ich sah ihn überrascht an.
"Wirklich? Ich darf deine Jacke anziehen?", fragte ich unsicher nach, er nickte.
"Natürlich, gar kein Problem. Wenn du möchtest, kannst du auch mal den Helm aufziehen", bot er an. Ich lächelte ihn dankbar an und hatte jetzt schon das Gefühl, diesen Jungen mehr zu mögen als jeden anderen hier. Schnell streifte ich mir die Jacke über, die mir zwar viel zu groß, aber dennoch bequem war. Man merkte eben, dass Otis mindestens einen Kopf größer war als ich. Er lachte, als er mich sah. "Du siehst in der Jacke ein bisschen wie ein Zwerg aus. Nichts für Ungut." Ich musste ebenfalls lachen.
"Alles gut, ich denke ja gerade genau das Gleiche", beruhigte ich ihn schnell. Otis öffnete die Tür des Wagens und setzte mir seinen Helm auf.
"Bitte sehr, jetzt bist du fast fertig für den nächsten Einsatz", grinste er, ich lachte.
"Ach ja? So schnell geht das bei euch?", fragte ich grinsend nach.
"Tja, für Familienmitglieder der Severides machen wir da mal eine Ausnahme", antwortete er und wurde dann leicht rot. "Außerdem stehen dir die Sachen ja auch sehr gut." Hatte ich das gerade richtig gehört? Hatte er mir ein Kompliment gemacht? Oder war das vielleicht sogar eine unterschwellige Anmache gewesen? War das gerade wirklich passiert?

Chicago Fire - Der Weg der Milly Severide Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt