Kapitel 17

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MILLY

Dawson und Brett sahen mich neugierig an.
"Du kennst das Mädchen?", fragte Dawson, als auch schon Kelly und Casey mit ihrer Mannschaft ankamen. Boden folgte nur knapp hinter ihnen.
"Ja, das ist Averys kleine Schwester Jenna", antwortete ich ihr und starrte immer noch fassungslos zu der Fünfzehnjährigen hinauf, die gefährlich nah an der Kante des Daches stand.
"Keine Sorge, Milly. Severide und ich gehen hoch und holen sie runter", meinte Casey da, doch ich schüttelte den Kopf.
"Nein, das dürft ihr nicht!", wandte ich ein, worauf Casey mich verwirrt ansah. "Nichts gegen euch, wirklich, aber Jenna hat Angst vor Männern. Avery verschlägt sie und ihr Vater ignoriert sie am laufenden Band! Sie kann Männern nicht vertrauen und wenn sie euch sieht, dann wird sie springen! Bitte, riskiert das nicht!" Boden, Casey und Kelly sahen sich unsicher an, bevor Boden nickte und einen Schritt auf mich zukam.
"Gut, Milly. Dann zieh deine Jacke an. Otis, Sie geben Milly ihr Funkgerät und Kidd, Sie gehen mit Milly hoch. Wir sollten das Mädchen nicht verschrecken und wenn Milly sie kennt, dann sollte sie versuchen, sie vom Dach zu holen. Wir kümmern uns solange hier unten um alles", erklärte er, worauf ich meinen Bruder verwirrt ansah. Ich sollte aufs Dach gehen und Jenna helfen? Ich wusste ja nicht einmal wie! Kelly sah Boden ebenfalls verwirrt an, während Otis mir eine Jacke und sein Funkgerät brachte.
"Chief, bei allem Respekt, aber Sie können Milly doch nicht alleine da hochgehen lassen!", wandte er unsicher ein.
"Sie ist nicht alleine, Kidd wird mit ihr gehen. Machen Sie sich keine Sorgen, Severide. Und Milly wird Hilfe rufen, wenn sie sie braucht, da bin ich mir sicher", wandte Boden ruhig ein, ich schluckte und nickte.
"In Ordnung, dann... gehe ich wohl mal", murmelte ich unsicher und zog mir meine Jacke über, bevor Kidd mich nach oben begleitete. Ich war verdammt nervös und konnte Bodens Entscheidung nicht so ganz nachvollziehen, aber ich wollte Jenna helfen und das würde ich auch tun. Auf keinen Fall wollte ich sie jetzt hier sterben sehen, sie war schließlich meine Freundin!
"Soll ich ein paar Meter hinter dir stehen bleiben? Ich glaube, dass deine Freundin sich sicherer fühlt, wenn ich ihr nicht ganz so nah komme, ich bin schließlich eine Fremde", schlug Kidd vor, ich nickte.
"Ja, das können wir so machen. Bleib aber bitte in Rufweite, ich weiß nämlich nicht so genau, wie ich das alles schaffen soll", bat ich, sie nickte.
"Natürlich", stimmte sie zu, als wir auch schon auf das Dach kamen. Jenna stand immer noch am Rand des Daches und drehte sich erst zu uns um, als der kalte Wind die Eisentür ins Schloss schlug.
"Milly?", fragte sie leise, ich nickte.
"Ja, hi, Jenna. Was machst du hier?", fragte ich nervös und ging einen Schritt auf sie zu, während Kidd hinter mir stehen blieb.
"Das siehst du doch! Also verschwinde, ich kann das einfach nicht mehr!", schrie sie mich verzweifelt an.
"Ich weiß, mir setzt Avery auch zu, aber das ist doch keine Lösung! Hör zu, ich habe bereits mit einem Polizisten gesprochen, der mir hilft und er kann dir mit Sicherheit auch helfen", wandte ich so ruhig wie möglich ein, während mir mein Herz bis zum Hals schlug.
"Ich weiß! Deswegen hat Avery mich heute Morgen ja auch wieder geschlagen!", kreischte sie mich an, ich zuckte erschrocken zurück. "Ich wollte nämlich auch mit der Polizei reden, aber Avery hat mich aufgehalten und verschlagen! Ich kann und will das einfach nicht mehr, Milly!" Ich nickte schnell und machte einen Schritt auf Jenna zu, als sie noch einen Schritt auf die Kante zu machte.
"Ich weiß, Jenna, ich weiß. Ich will das alles ja auch nicht und glaub mir, ich wollte erst recht nicht, dass Avery dir wehtut! Bitte, tu das nicht! Wir kriegen das zusammen schon hin, versprochen! Es gibt Frauenhäuser, die du kontaktieren kannst, dort wird Avery dich nicht finden können! Und ich kümmere mich darum, dass er hinter Gitter kommt! Wir finden einen Weg, Jenna, versprochen! Aber dafür musst du runterkommen, ok?", beeilte ich mich panisch zu sagen, aber Jenna schüttelte den Kopf.
"Nein, Milly. Ich kann das einfach nicht mehr, tut mir leid", lehnte sie verzweifelt ab und machte dann noch einen Schritt zurück - was genau ein Schritt zu viel war. Jenna fiel über die Kante und rauschte dem Boden entgegen.
"Jenna, nein!", kreischte ich panisch und stürzte auf die Kante zu. Ich bekam Jennas Hand zu packen und hielt sie fest, obwohl ich dabei beinahe selbst über die Kante fiel. Ich spürte, dass Kidd mich nun ebenfalls an meiner Jacke festhielt und als ich nach unten sah, rannten Kelly und Cruz ins Gebäude, um zu uns aufs Dach zu kommen. Jennas Gewicht zog an mir und meine Schulter fühlte sich an, als wäre sie aus dem Gelenk gesprungen. Ich zog scharf die Luft ein und umklammerte Jennas Handgelenk nur fester, damit sie nicht fallen konnte. Ich musste diesen Schmerz jetzt aushalten, ich konnte nicht zulassen, dass Jenna starb. Diese sah mich unter Tränen an.
"Lass mich los, Milly! Ich will das nicht mehr!", schrie sie mich an, aber ich schüttelte den Kopf.
"Nein, Jenna, ich werde dich nicht loslassen! Ich werde dir helfen und wir werden das schon alles hinkriegen, versprochen!", wandte ich ernst ein, während Kidd mich zurück nach oben zog. Ich hielt Jenna weiter fest und nur eine knappe Minute später hatten wir beide endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Ich seufzte erleichtert und versuchte mein rasendes Herz zu beruhigen. Jenna wäre beinahe gestorben. Heilige Scheiße, ich hatte geradeso einen Selbstmord verhindert. Kidd nahm mir Jenna ab und ging mit ihr nach unten, damit Dawson und Brett sie ins Krankenhaus bringen konnten, wo sie psychiatrisch untersucht werden sollte. Kelly und Cruz kamen derweil zu mir, Otis folgte den beiden auf den Fersen.
"Milly! Bist du verrückt geworden?! Du kannst deiner Freundin nicht einfach hinterher springen!", fuhr Kelly mich an und umarmte mich stürmisch. "Geht's dir gut?" Ich nickte und atmete tief ein und aus, während ich die Umarmung meines Bruders erwiderte.
"Es geht schon, ja. Meine Schulter tut mir etwas weh, aber ansonsten geht es. Ich bin nur total fertig", antwortete ich ihm erschöpft.
"Dann komm, wir gehen nach unten und du trinkst erstmal was. Und danach bringen wir dich am besten auch ins Krankenhaus, um nach deiner Schulter sehen zu lassen", erwiderte Cruz. "Aber du kannst stolz auf dich sein, du hast einen Selbstmord verhindert." Otis sah mich an und half mir, auf meinen wackeligen Beinen zu laufen.
"Mach so etwas aber nie wieder, ja? Wir dachten wirklich, dass du draufgehst", bat er verzweifelt, ich nickte.
"Werde ich nicht, versprochen. Mir hat das für heute auch gereicht", beruhigte ich ihn und hielt seine Hand fest. "Ich brauche jetzt erstmal ein paar Stunden Ruhe."

Chicago Fire - Der Weg der Milly Severide Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt