Kapitel 22

218 8 0
                                    

OTIS

Ich hatte gar nicht wirklich mitbekommen, was passiert war, als Milly sich auch schon auf mich warf und ich schwere Gewichte auf uns einstürzen spürte. Ich konnte mir nur vorstellen, dass das die Steine waren, die vom Laster gerutscht sein mussten. Als ich meine Augen wieder öffnete, war alles um mich herum dunkel und Milly und ich lagen unter den schweren Steinen begraben. Ich brauchte einige Sekunden, bis ich mich an die schummerige Dunkelheit gewöhnt hatte und bemerkte, dass das Auto noch neben uns stand, die Tür war allerdings aufgrund der Steine abgerissen worden und das kleine Mädchen, das ich hatte herausholen wollte, weinte noch mehr als vorher. Ich musste etwas tun - und zwar schnell. Aber erst einmal musste ich schauen, ob es Milly gutging.
"Milly? Ist alles in Ordnung?", fragte ich besorgt nach und schob sie vorsichtig von mir herunter. Severides kleine Schwester nickte langsam, während ich bemerkte, dass sie eine Platzwunde am Kopf hatte.
"Ja, es geht schon", antwortete sie benommen. "Ich wollte nur nicht, dass die Steine dich zerquetschen. Geht's dir gut?"
"Ja, aber du hast da eine Platzwunde am Kopf. Mein Gott, du solltest doch im Auto sitzen bleiben!", sagte ich und rappelte mich mühsam auf. "Geht es trotzdem? Ich muss kurz nach dem Mädchen dort sehen, bleib bitte mal hier liegen." Milly nickte wieder benommen, also krabbelte ich durch die Steine auf das Auto zu. "Hey, Süße, ich bin noch da, versprochen. Ist dir was passiert?" Das kleine Mädchen, das gerade mal sieben Jahre alt war, schüttelte den Kopf.
"Nein, mir geht's gut", schluchzte sie.
"Ok, gut. Hast du noch irgendwo Schmerzen vom Unfall?", hakte ich weiter nach, sie nickte.
"Ja, an der Brust und am Bauch", antwortete sie mir weinend, worauf ich sie musterte. Sie zeigte die Schmerzen genau auf den Stellen an, an denen auch ihr Gurt verlief, also war ich mir sicher, dass die Schmerzen davon kamen. Ein typisches Muster bei Autounfällen.
"Ok, dann warte kurz, ja? Ich helfe dir, sobald ich kann. Erstmal muss ich rausfinden, wie wir hier sicher rauskommen, aber dann helfe ich dir sofort", erwiderte ich, sie nickte.
"Was ist mit meiner Mami? Ich kann sie nicht sehen!", fragte die Kleine ängstlich nach.
"Es geht ihr mit Sicherheit gut, keine Sorge", beruhigte ich sie schnell, als mein Funkgerät piepte.
"Otis, können Sie mich hören? Geht es Ihnen und Milly gut?", fragte Boden ernst nach.
"Ja, es geht. Mir ist nichts passiert, aber Milly hat eine Platzwunde am Kopf. Ich hab ihr gesagt, dass sie sich hinlegen soll", antwortete ich meinem Chef ehrlich. "Und dem Mädchen im Auto geht es soweit ganz gut. Wir müssen hier nur so schnell es geht raus, die Steine stauben und der Sauerstoff wird langsam weniger." Wie zum Beweis hustete das kleine Mädchen neben mir.
"Wir holen Sie da so schnell es geht raus, kümmern Sie sich bitte solange um Milly und das Mädchen", bat Boden.
"Geht klar, Chief", stimmte ich zu und sah dann wieder das Mädchen an. "Ok, Süße, meine Kollegen kümmern sich schon um alles. Wir kommen hier bald raus, versprochen. Bleib einfach ruhig, ja? Ich gehe nicht weg, versprochen. Wenn etwas ist, dann kannst du immer nach mir rufen, ich gehe nicht weg." Das Mädchen nickte.
"Wie heißt du?", fragte sie unter Tränen nach.
"Brian", antwortete ich ihr. "Und du?"
"Emilia", murmelte sie.
"Ok, Emilia. Mach dir keine Sorgen, alles wird wieder gut, versprochen", beruhigte ich sie und drehte mich dann wieder zu Milly um, die zu uns gekrabbelt kam, während ihr Kopf immer noch stark blutete.
"Kann ich dir helfen?", fragte sie, aber ich schüttelte den Kopf.
"Nein, du solltest liegen bleiben. Dein Kopf sieht nicht gut aus. Heilige Scheiße, Severide bringt mich um, wenn er dich sieht! Du warst doch eben erst im Krankenhaus!", erwiderte ich nervös, während ich von draußen bereits Rufe hörte und Geräusche, die so klangen, als würde jemand die Steine aus dem Weg zu räumen versuchen.
"Nicht so schlimm, ehrlich nicht", wandte sie benommen ein. "Aber ich konnte nicht zulassen, dass die Steine euch verletzen."
"Du hättest trotzdem nicht herkommen dürfen! Aber egal, jetzt müssen wir erstmal alle hier sicher rauskriegen", wandte ich ein und lehnte mich mit Milly gegen das Auto, damit wir auch in Emilias Nähe waren, falls etwas sein sollte.
"Otis? Ich will dir noch etwas sagen und jetzt im Moment erscheint mir das als wichtig", murmelte Milly irgendwann benommen. Ich nickte und sah sie an.
"Was willst du mir sagen?", fragte ich nach, während ich Milly etwas Blut aus dem Gesicht wischte. Ich wollte sie so nicht sehen, sie wirkte so zerbrechlich und das war wirklich das letzte Wort, das ich jemals mit Milly in Verbindung bringen wollte.
"Ich... Ich bin vielleicht verrückt, aber ich hab mich in dich verliebt", begann sie benommen. Erstaunt über ihre Offenbarung blieb ich still und sah sie nur an, während ich sie selbst im Sitzen stützen musste, weil sie immer wieder zur Seite kippte. Ihre Kopfwunde war wohl doch schlimmer, als sie es zugeben wollte. "Ich konnte es dir nicht sagen, Avery war ein zu großes Problem für uns. Er hätte dir etwas angetan und das wollte ich nicht. Aber ich liebe dich und ich will nicht mehr weg von hier, ich will bei dir bleiben. Scheiße, mir ist schwindelig."
"Milly, ich... Ich weiß nicht, was ich sagen soll", erwiderte ich immer noch etwas perplex. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich musste zugeben, dass ich Milly auch sehr mochte und sie definitiv beschützen wollte. Ob es für das Wort Liebe reichte, wusste ich nicht, aber es kam sehr nah ran.
"Du musst nichts sagen", murmelte sie schläfrig und blinzelte, während ihr noch mehr Blut über die Stirn lief. Ich wischte es schnell weg. "Ich wollte es dir nur gesagt haben, bevor ich..." Sie wollte noch etwas sagen, doch brach ab und sackte bewusstlos an meiner Seite zusammen. Scheiße, sie musste sofort ins Krankenhaus! Ich rüttelte sie an der Schulter, aber es kam keine Reaktion.
"Milly! Hey, Milly, bleib bei mir!", schrie ich sie an, aber auch dieses Mal kam keine Reaktion. Sie musste hier raus, sofort! Also kämpfte ich mich bis zur massiven Steinwand vor. "Hey! Leute, beeilt euch! Milly ist bewusstlos! Sie muss ins Krankenhaus, beeilt euch! Holt uns hier raus!"

Chicago Fire - Der Weg der Milly Severide Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt