Kapitel Eins

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„Nein, wirklich nicht! Mom, bitte. Vertrau mir doch ein wenig. Ich bin dir wirklich unglaublich dankbar für deine Unterstützung in den letzten Jahren, aber ich bin alt genug um auf mich aufzupassen!" versuchte Felix sich seiner Mutter zu erklären. Da will man einmal sein Leben genießen..., dachte er sich augenrollend. „Mom, bitte. Ich melde mich morgen früh, okay? Dann weißt du, dass ich nicht zu lange aus war und alles in Ordnung ist. Ich werde auch nichts trinken, da ich den Fahrer spiele für den Abend.", brachte er noch schnell heraus, bevor er das Telefonat beendete.

Seufzend ließ er sich auf sein quietschendes aber verdammt gemütliches Bett fallen, welches mit mehr Kuscheltieren und Kissen übersät war, als das eines vierjährigen Kindes. Er strich sich die blonden Haare aus den Augen, schloss diese und fing an zu Grübeln. Das tat er oft und es tat ihm nicht gut, aber er konnte es nicht lassen. Felix riss die Augen auf, um sich abzulenken. Er streckte seine Hände in die Luft, schaute sich jeden Finger einzeln an. Knibbelte hier und dort an den Fingernägeln und drehte seinen einzigen Ring vor und zurück.

Ob er sich trauen sollte, auch mal anderen Schmuck zu tragen? Vielleicht etwas, was seine zierlichen Hände maskuliner wirken lassen würde. Nicht dass er etwas darauf gegeben hätte, was maskulin wirkte und was nicht, aber dass seine Hände relativ klein waren störte ihn schon ein wenig. Über den Rest wollte er nicht nachdenken, schließlich wollte er wegkommen von der Grübelei.

Er sollte sich besser um die wirklich wichtigen Dinge sorgen: Das Outfit. Es würde wahrscheinlich laufen wie immer: Verschiedene Outfits raussuchen um am Ende dann doch das zu tragen was er immer trug. In Gedanken ging er die verschiedenen Styles durch. „Es kommt immer darauf an, wie du wirken willst." Hörte er die lehrende Stimme seiner Mutter. Ein träges Grinsen zog sich über sein Gesicht, „Pfff!" fing er an zu prusten. „Mom, die Partylöwin. Die wüsste bestimmt was ich tragen sollte. Nicht!" sagte er gackernd in den ansonsten menschenleeren Raum.

Es klopfte laut an der Tür und Felix erschrak. Er musste das ‚Herein!' nicht rufen, denn die Tür mit heftiger Wucht auf und sein bester Freund Lino kam hereingestapft. „Hey Mr. Lee!", brüllte Lino in den Raum „alles geklärt mit Mommylein?!". Felix kniff bei dem Begriff seine Augen zu. Er hasste es wenn er wegen seiner fürsorglichen Mutter aufgezogen wurde. In seinem Alter. Andere währen schließlich froh, so eine Mutter zu haben! Rechtfertigte er sich selbst in seinen Gedanken.

„Was machst du denn schon hier?", versuchte Felix schnell das Thema zu wechseln. „Wir hatten doch ausgemacht, dass ich dich abholen würde gegen acht. Damit du..", wollte er seinen Satz beenden, wurde aber durch umherfliegende Kleidungsstücke unterbrochen.

„..damit du heute Abend nicht fahren musst. Ja, ja. Ich weiß! Aber du hast da ein kleines Detail übersehen.", murmelte Lino, der halb in Felix' Kleiderschrank verschwunden war. „Und zwar", sagte Lino nun deutlicher, während er mit einigen Teilen auf den Armen balancierend sich zu Felix umdrehte „dass du, Mr. Lee, zwar einen Führerschein hast, und ich frage mich immer noch wie viel deine Mutter gezahlt hat, damit du ihn hast, aber ich wiederum dafür bezahlt werde, dich zu fahren. Verstehst du? ICH fahre UNS zur Party und wieder zurück. WIR werden Spaß haben, sofern das möglich ist ohne Alkohol, und sicher nach Hause kommen. Damit Mommylein zufrieden ist, Mr. Lee mal unter Leute kommt und ich.. naja, ich bin am Ende auch zufrieden und sterbe irgendwann eines natürlichen Todes anstatt um einen Baum gewickelt zu werden.", sagte er laut während er das sorgsam ausgewählte Outfit neben Felix auf das Bett legte. Nicht ohne vorher mit den Ellenbogen Platz zwischen derlei Kuscheltieren geschaffen zu haben.

„Ich freue mich auch dich zu sehen, Lino. Mir geht's gut, danke der Nachfrage.", zischte Felix süffisant zwischen den Zähnen hervor. Er schaute sich das von Lino gewählte Outfit an. Lino hatte einen wirklich guten Geschmack, das war nicht zu verkennen. Jeden Tag gab er sich große Mühe mit seinem Aussehen, dabei konnte er tragen was er wollte, es sah einfach gut aus.

Felix erinnerte sich daran, als er und Lino sich zu Halloween verkleideten. Da Linos Familie nicht viel Geld hatte, ging er als Vogelscheuche. Und selbst der Jutesack den man ihm angezogen hatte, sah an ihm gut aus. Felix und Lino waren ungefähr gleich groß, knappe 180cm, jedoch war Lino muskulöser. Felix war eher zierlich, schon immer gewesen, aber wegen sowas zog Lino ihn nie auf und dafür war er immer sehr dankbar. Wahrscheinlich wusste Lino wie empfindlich Felix bei diesen Themen ist.

„Grübelst du wieder? Was ist es diesmal? Dein Outfit kann es nicht sein, denn ich habe dir schließlich eins rausgesucht.", riss Lino ihn aus seinen Gedanken. Er realisierte erst wie nah er seinem besten Freund saß, als er seinen Blick fokussierte und sofort in honigbraune Augen starrte. Wie lange hatte Lino schon so vor ihm gehockt? Felix errötete, da er solch eine körperliche Nähe nicht gewohnt war.

Lino stand auf, streckte sich um sich dann auf einem Stuhl neben den Kleiderschrank zu setzen. Er griff in seine Hosentasche und holte sein Smartphone heraus.

„Danke.", sagte Felix lächelnd.

Lino schaute nicht auf von seinem Handy. Er fragte nur verblüfft: „Wofür genau?".

„Für deinen Geschmack. Dank dir muss ich nicht groß nachdenken, was ich anziehen soll. Deinem Geschmack kann man vertrauen.", sagte Felix zuversichtlich.

„Ach, und dem Rest von mir kann man nicht vertrauen?", neckte Lino. Felix rollte mit den Augen, schnappte sich die Klamotten und verschwand im Bad.

Nach einer schnellen Dusche kam er, in dem von Lino ausgesuchten Outfit zurück, dreht sich einmal um die eigene Achse und schaute erwartungsvoll seinen besten Freund an.

„Hmmjaa", murmelte Lino, „genau wie ich erwartet habe. Du wirst damit alle vom Hocker reißen. Steht dir!".

„Danke! Aber mir geht's gar nicht darum die Leute vom Hocker zu reißen. Ich will einfach nur ein bisschen Spaß haben. Und vielleicht lerne ich ja neue Leute kennen.. Ein paar Freunde wären schon cool.", sagte Felix während er sich seine Stiefel anzog. Er betrachtete sich in seinem mannsgroßen Spiegel. Er sah wirklich gut aus! In seinen schwarzen Stiefeln, seiner Lieblingscargohose, natürlich auch schwarz, hier und da ein silbernes Accessoire, sowie einem dunkelgrauen Longshirt, fühlte er sich auch wohl. Dazu noch seine schwarze Bikerjacke und der Look war komplett.

„Wofür denn weitere Freunde? Du hast doch mich. Und ich bin so ein guter Freund, ich bin wie viele Freunde gleichzeitig. Nur in einem... Lino. Weißt du was ich meine?" sagte Lino kindlich. „Ja schon, aber du solltest auch mal unter andere Leute kommen." Rief Felix, während er in das Badezimmer ging um sich noch farbige Kontaktlinsen in die Augen zu machen. „Oh glaub mir, ich komme genug unter andere Leute, oder über. Je nachdem wie man es betrachtet.", bekam er nur zur Antwort. Felix wünschte sich oft, er hätte solch ein Ego, oder zumindest einen Teil davon. Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, wie man es auch nennen mag, könnte Felix nicht schaden. Und Lino würde es nicht schaden, etwas davon abzugeben.

Eine halbe Stunde später saßen die zwei Freunde in Felix' Wagen. Er selbst saß auf dem Beifahrersitz. Wie abgesprochen. „Also, versuch heute Abend Spaß zu haben. Steh nicht in der Ecke rum und grüble vor dich hin. Damit reißt du keine Frau auf. Und bleib irgendwie ein meiner Nähe, damit ich ein Auge auf dich habe.", ratterte Lino seine Regeln runter. „Puh... und was ist, wenn ich nach Hause will und du noch nicht?", fragte Felix vorsichtig. Es wäre nicht das erste Mal dass Felix nach einer Stunde schon gehen wollte. Er freute sich meist eine Woche lang auf Partys, Diskotheken und dergleichen, aber wenn er dann dort war, wurde ihm alles schnell zu viel. Und es gab deswegen auch schon das ein oder andere Mal Streit. Oder eher Streitereien. Nichts ernstes, aber wenn Lino in Fahrt ist und vielleicht sogar Jemanden in  Augenschein genommen hat, ist es schwer ihn davon loszubekommen.

„Na dann sagst du mir eben Bescheid. Vielleicht macht es dir ja diesmal auch Spaß. Ich hab gehört dass da einige Frauen in unserem Alter sein sollen..." Felix hörte nicht weiter zu. Er war versunken in seinen Gedanken, die noch auf seinem gemütlichen Bett, zuhause in seinem Apartment lagen.

LOVE will tear us apart. •Hyunlix•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt