𝟐𝟔: 𝐃𝐀𝐃𝐃𝐘'𝐒 𝐖𝐈𝐒𝐇𝐄𝐒

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𝟐𝟔: 𝐃𝐀𝐃𝐃𝐘'𝐒 𝐖𝐈𝐒𝐇𝐄𝐒

»𝐈𝐂𝐇 𝐋𝐈𝐄𝐁𝐄 𝐃𝐈𝐂𝐇.«, sagte Maya und zog ein Stück des Gebäcks mit den Zähnen von ihrer Gabel.
Das dadurch verursachte Geräusch bescherte mir eine unangenehme Gänsehaut.
Metall auf Zahn, fast so schlimm wie das Kratzen einer Gabel über einen Teller.
»Aber das...ich würde es nicht einmal Judy anbieten.«, gab sie unter einem Grinsen zu.
Eigentlich hatte ich eingeschnappt sein wollen, aber ihr angewiderter Ausdruck und die Tatsache, dass sie es einfach nicht lassen konnte Judy zu beleidigen, ließ mich schmunzeln.
»Ich hab mich 1 zu 1 an das Rezept gehalten.«, protestierte ich.
»Das macht es jetzt irgendwie noch schlimmer«, lachte sie und schon den Teller von sich.

Missmutig sah ich auf den Haufen gekringelten halbgaren Mehls.
Oder wie es das Rezept aus einem viel zu überteuerten Tankstellen-Frauenmagazin mir zu verkaufen versuchte: Zimtschnecken.
Warum ich überhaupt probiert hatte zu backen? Keine Ahnung.
Vielleicht wollte mich eine masochistische Ader in meinem Herzen quälen.
Hatte ich die doch zuletzt für Eddie backen wollen.
Vielleicht wollte aber auch ein törichtes Areal in meinem Hirn, dass das Rezept funktionierte und ich stolz mit dem Endprodukt zu ihm gehen konnte.
Was wiederum gegen die von mir auferlegte Kontaktsperre verstoßen würde.
Wir hatten uns seit drei Tagen nicht mehr gesehen.
Das war genauso unglaublich wie es sich unendlich für mich angefühlte.

Dafür hatte Maya es perfektioniert mich abzulenken.
Hätte ich Zurück in die Zukunft nicht ohnehin schon mitsprechen können, wäre es spätestens jetzt so weit.
Außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass ich für den Rest meines Lebens nie wieder Schoko-Minz-Eis essen können werde.
Wir hatten gemeinsam bestimmt an die drei Liter verdrückt.
Mom und Dad waren fast so komisch wie meine ständig auftauchenden Heulkrämpfe.
Ich bekam sie öfters als gewohnt zu sehen und wann immer es so weit war, schlichen sie um mich herum.
Sie waren aufmerksamer und netter als sonst.
Entweder ahnten sie, dass etwas nicht stimmte oder sie versuchten mir was noch viel Schlimmeres zu verheimlichen.

Wahrscheinlich Ersteres.
Es war einfach super untypisch für Eddie und mich uns so lange nicht zu sehen.
Selbst, wenn wir krank waren hingen wir beieinander ab.
Natürlich bemerke ich wie Maya immer wieder zu seinem Trailer rüberschielte und mir entging auch nicht die häufigen Spaziergänge die sie machte. Mehrfach. Am Tag.
Ich frage nicht. Ich wollte es nicht wissen. Und Maya hatte das, nach zwei oder drei Versuchen auch endlich verstanden.
Sicherlich war die Situation genauso unangenehm für sie wie für alle anderen Beteiligten, aber wenn ich erfuhr was Eddie tat oder über mich sprach, würde ich wieder bei Null beginnen.

»Okay. Ich verstehe trotzdem nicht, woran es liegt.«, seufzte ich und schlug das Magazin zu.
Auf der Vorderseite strahlte mich eine blonde Schönheit an, die mir erklären wollte, wie super eine Kohlsuppendiät funktionierte.
Super! Hatte sie auch bedacht, wie schräg das für die Mitbewohner war? Flatulenzen as it's best.
Außerdem verstand ich den Sinn hinter solchen Crashdiäten ohnehin nicht.
Und warum man einem von irgendwelchen Idioten auferlegten Schönheitsideal entsprechen sollte, sowieso nicht.
Vielleicht lag es auch daran, dass ich eben nicht zu diesem Idealbild gehörte. Und das an den meisten Tagen schön fand.
An zu vielen aber auch einfach belastend.

»Hast du es denn auch mit amore gemacht?«, zog mich Maya auf und piekste in das labbrige nach Zimt riechende Mehlstück.
»Ich gib dir gleich amore. Mit meiner Faust. In dein Gesicht.«, warnte ich sie und prustete noch mitten im Satz los.
Maya stimmte wiehernd mit ein, bis wir große Ähnlichkeiten mit Seerobben mit Gendefekt hatten.
Es tat so unglaublich gut so befreit zu lachen, nach alledem was passiert war.
Und trotzdem hatte ich ständig das Gefühl, dass meine Augen nicht so wirklich mitlachen wollten.

Möglicherweise lag es auch an dem Druck, der auf mir lag.
Stundenlang dachte ich über meinen Artikel nach und fand dadurch immer erst sehr spät in den Schlaf.
Konnte ich es wagen den Artikel einzureichen? Oder sollte ich es lieber lassen und dadurch meine Freundschaft mit Eddie vor dem endgültigen Aus bewahren?
Wenn ich das tat, setzte ich gleichzeitig meine Karriere aufs Spiel.
Ich hatte keinen Ersatz. Ich müsste mir was Neues überlegen. Und wäre mein Kopf nicht zu voll mit Eddie und Jude, hätte das vielleicht auch irgendwie funktioniert.
Fakt war aber, dass ich nicht die geringste Idee für einen neuen Artikel hatte.
Vielleicht sollte ich Nancy noch einen Besuch abstatten?

»Hey dein Dad hat mich gestern angesprochen.«, riss mich Maya aus meinen Gedanken, die auch ohnehin immer nur um dasselbe drehten.
Eine ewig gleiche Laier, die mir selbst auf die Nerven ging.
»Okay?«, sagte ich und bat sie damit unterschwellig, weiterzureden.
»Er schlug vor, dass du in den Weihnachtsferien nach Schottland kommst. Um die mal wieder alles anzusehen.«, erzählte sie mir.
Ich bettete meinen Kopf auf meinen Armen, die ich auf den Esstisch ablegte.
Dann blinzelte ich zu ihr hinauf, mein Gesicht bestand aus einem einzigen fragenden Ausdruck.
»In drei Jahren hat sich viel verändert, seitdem du zuletzt da warst...«, versuchte sie sich zu erklären und betrachtete äußerst fasziniert ihre schwarz lackierten Fingernägel.

Wie schaffte sie es nur, sie so gleichmäßig zu bemalen? Bei mir hingen überall Farbreste und obwohl ich immer mindestens eine halbe Stunde wartete, zerstörte ich ein jedes Mal die Farbe auf meinem Finger, wenn ich meine Schuhe zuband.
»Hat Kelly wieder geworfen?«, fragte ich gespielt entrüstet, setzte mich auf und hielt mir die Hand ans Herz.
Maya plusterte ihre Wangen auf und schüttelte grinsend den Kopf.
»Du meinst Kelsie. Kelly ist die Frau, die den Hofladen betreibt. Siehst du, du bist zu lange nicht da gewesen. Du vergleichst eine Frau mit einer Kuh.«
Lachend haute ich mit der flachen Hand auf den Esstisch, der dadurch bedrohlich wackelte.
»Scheiße, sorry. Ist es echt schon drei Jahre her«", fragte ich sie, obwohl ich eigentlich keine Bestätigung brauchte.

Vor drei Jahren hatte ich Dad gebeten mir eine Auszeit zu verschaffen.
Glücklicherweise hatte er zugestimmt und mich für zwei Wochen dorthin zurückgeschickt, wohin ich die ersten fünf Jahre meines Lebens gelebt hatte.
Dad würde es niemals zugeben, aber er fühlte sich mit Schottland mehr verbunden, als mit seinem Geburtsland Irland.
Und das lag nicht nur daran, dass sein Bruder dort lebte und uns immer seine vier Wände zur Verfügung gestellt hatte.
Irgendwas hatte die unendliche Weite aus Grün und noch mehr Grün an sich.
Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee mal wieder dorthin zu reisen.
So hätte ich noch ein wenig mehr von Maya.
Andererseits wollte ich die Weihnachtsferien wieder jobben, wenn es mir irgendwie möglich war.
»Ich überlege es mir.«, pflichtete ich ihr bei und meinte es auch so.

Vielleicht konnte ich die erste Woche Doppelschichten übernehmen und dann für die letzten beiden Wochen nach Schottland fliegen.
Wenn wir die Möglichkeit bekamen wieder dort zu arbeiten.
Wenn ich das wollte.
Immerhin würde ich so unweigerlich Eddie über den Weg laufen. Andauernd.
Bis dahin waren es noch knapp 6 Wochen. Irgendwie würde sich schon eine Lösung finden.
»Mach das. Deinem Dad wäre es echt wichtig.«, fügte sie hinzu, ehe sie den Teller nahm und ihn in die Spüle stellte.

Ich wollte sie fragen, warum es meinem Vater so wichtig war, aber eigentlich lag es auf der Hand.
Er wollte mich von den Problemen erlösen.
Und das war eben seine Art das zu regeln.
Auch er hatte bemerkt, dass ich mich verändert hatte.
Zu meiner Ernsthaftigkeit hatte sich Verbitterung gesellt. Zu meiner Trauer Verzweiflung.
Ich war eine ziemlich schlechte Version meiner selbst.
Wenn sich so Liebeskummer anfühlte, konnte mir das gerne gestohlen bleiben.
Zu spät, flüsterte mein Herz und ich hätte es am Liebsten geboxt.

»Anderes Thema. Ich hab da was gefunden.«, beichtete mir Maya und kramte in Ihrer Gesäßtasche nach einem Zettel.
Er war zusammengefaltet und während sie versuchte ihn zu entwirren, sah sie mich vielsagend an.
»Willst du es lesen?«, fragte sie und wedelte mit dem Zettel vor sich her.
Am Rand erkannte ich etwas Ruß.
Es war eine der Wünsche, den Eddie aufgeschrieben hatte.
Ich haderte mit mir.
Aber letztendlich schüttelte ich den Kopf.
»Schmeiß ihn weg. Oder verbrenn ihn. Mir egal.«, murmelte ich und wandte mich von ihr ab.
Maya seufzte leise auf. Eine Weile lang hörte ich nichts mehr von ihr, während ich unsichtbaren Staub von den Götterstatuen fegte.
Irgendwann erkannte ich das Zufallen des Mülleimers. Und daraufhin das Zuschlagen des Insektengitters.
Sie war zu einem ihrer vielen Spaziergänge aufgebrochen. Zu Eddie.

• 𝐉𝐔𝐒𝐓 𝐎𝐍𝐄 𝐊𝐈𝐒𝐒 • [ 𝚎𝚍𝚍𝚒𝚎 𝚖𝚞𝚗𝚜𝚘𝚗 ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt