𝟓: 𝐒𝐓𝐈𝐂𝐊𝐘 𝐅𝐈𝐍𝐆𝐄𝐑𝐒

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𝟓: 𝐒𝐓𝐈𝐂𝐊𝐘 𝐅𝐈𝐍𝐆𝐄𝐑𝐒

𝐇𝐈𝐄𝐑 𝐒𝐓𝐀𝐍𝐃𝐄𝐍 𝐖𝐈𝐑 𝐍𝐔𝐍. Vor dem Gebäude, in dem von heute an unser Winterferienjob stattfinden würde.
Eddie strahlte wie ein Kind zu Weihnachten und ich sah aus, als wäre ich geradewegs auf dem Weg zu meiner Hinrichtung.
Obwohl ich dafür gesorgt hatte, dass wir den Job überhaupt bekamen, wusste ich ganz genau, dass ich eigentlich gar nicht dafür qualifiziert war.
Ich verstand nichts von den verschiedenen Musikgenres, von Rhythmus und warum das Schlagzeug ein Instrument war, konnte ich auch nicht verstehen.

»Fuck yeah!«, rief Eddie aufgeregt und sprang in die Höhe.
Ich beobachtete ihn kopfschüttelnd dabei und spürte das allbekannte Gefühl des Fremdschams in mir aufsteigen.
Ich konnte mir nicht einmal Interviews anschauen, weil mich die Warterei auf eine Antwort fertig machte.
Ich glaube bei der Sache mit Eddies ausufernden Freudensprüngen oder die vielen Momente, in denen er lautstark zu singen begann, war ich einfach nur neidisch.
Weil es mir schwerfiel, selbst so loszulassen und einen Scheiß darauf zu geben, was andere von mir dachten.

Ich, als armes kleines Indermädchen war stets bedacht darauf, nicht aufzufallen. Echt armselig.

»Munson, McCain. Guten Morgen und angetreten! Dahinten ist eine Lieferung Kassetten, sortieren und wegräumen.«, unser Chef sah und zunächst mit ernster Miene an, weshalb ich augenblicklich ein wenig kleiner wurde.
Als er dann aber zu grinsen begann, atmete ich erleichtert aus.
Ich würde das hier also doch irgendwie überstehen.
Nur wenig später saß Eddie im Schneidersitz vor den vielen Kartons und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Neben einer Vielzahl von »Ah's!« und »Oh's!« warf er ständig Bandnamen in den Raum, von denen ich grundsätzlich noch nie etwas gehört hatte.

Ich kannte dafür das Alphabet, sehr gut sogar.
Und war dadurch doch noch eine Hilfe im Einsortieren der Kassetten.
Gedanklich führte ich eine Strichliste, in der ich vermerkte, wer von uns mehr Kisten ausräumte.
Ich führte. Haushoch.
Weil Eddie immer noch damit beschäftigt war, die Kassetten zu bewundern.
Nur, wenn unser Chef nach dem Rechten sah, tat er ganz beschäftigt. Arsch.
Trotzdem musste ich grinsen.
Eddie's Leidenschaft zur Musik war genauso stark wie mein Hang zum Lesen und Schreiben.

Ich war gerade dabei ein paar ABBA-Kassetten nach Erscheinungsdatum zu sortieren – es stand glücklicherweise drauf, sonst stünde ich noch morgen hier, um herauszufinden, ob Ring Ring vor Waterloo kam oder danach – da spürte ich einen beherzten Griff an meinem Hintern.
»Ich hab noch nie ne Schwarze geknallt.«, raunte mir eine betrunkene Stimme entgegen.
Der penetrante und Übelkeitserregende Geruch von Alkohol und Schweiß kitzelte in meiner Nase.
Ich hielt den Atem an. Einmal, weil es so stank und dann auch noch, weil ich eine riesige Panik verspürte.

Ich war nicht allein im Laden, Eddie war da und irgendwo stöberten weitere Besucher durch die vielen Kassetten.
Aber wir standen nur unweit von der Tür zum Lager entfernt und es wäre nicht das erste Mal, dass ein Mädchen kaum zehn Meter von anderen Menschen entfernt, verschleppt wurde.
Komm schon, Al. Du bist sonst auch immer so vorlaut, sprach ich mir Mut zu, aber es half nichts.
Der unvorbereitete Griff des Betrunkenen hatte mich vor Angst vollständig gelähmt.

»Wenn ich sage -Sticky Fingers-  sage, meine ich dann die Rolling Stones oder die Be-«, Eddie war dabei mich erneut auf die Probe zu stellen, doch als er um die Ecke kam und mich und den schmierigen Typen sah, verstummte er sofort.
Ich sah ihm flehend in die Augen, bat stumm darum, mich aus der Situation zu befreien.
»Was denkst du, was du da machst ?«, knurrte er, legte die Kassette, die er in der Hand hielt, beiseite und ging zielstrebig auf den Kerl zu.
Mein Herz schlug so schnell in meiner Brust, dass ich das Gefühl hatte mich jeden Moment übergeben zu müssen.

• 𝐉𝐔𝐒𝐓 𝐎𝐍𝐄 𝐊𝐈𝐒𝐒 • [ 𝚎𝚍𝚍𝚒𝚎 𝚖𝚞𝚗𝚜𝚘𝚗 ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt