Damaged

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1899

Leise öffnete Albus die seltsamerweise unverschlossene Tür, nachdem er nach mehrmaligem Klopfen keine Antwort erhielt. Gellert hatte heute auf keine seiner Eulen geantwortet.

„Oh Albus, ich habe dich überhaupt nicht gehört. Komm gerne rein, Gellert ist in seinem Zimmer", die Historiker schien in eine neue Arbeit vertieft. Sie saß vor einem Stapel von Büchern, mit Pergament und Stift bewaffnet.

Er bedankte sich, ging die Treppen hinauf und durch den Flur. Eine Deja-vu überkam ihn, als auch hier niemand auf sein Klopfen antwortete. Heute war wohl einfach nicht sein Tag.
Nach einer Weile schaute er vorsichtig hinein.

Gellert lag Oberkörperfrei auf seiner Bettdecke und schlief selig.
Er sah so unglaublich schön aus. Die entspannten Gesichtszüge, die sonst viel härter erschienen, standen ihm gut. Er war schlank, recht sportlich gebaut und hatte definitiv breitere Schultern als Albus.
Dieser errötete überrascht bei diesem unerwarteten Anblick seines Freundes, wollte aber auch nicht einfach gehen, betrat also den Raum und setzte sich auf die Bettkante.

Der blonde hatte seinen Zauberstab und ein dickes Buch, wahrscheinlich aus dem Archiv seiner Großtante, neben sich liegen.
Albus setzte sich auf die Bettkante, legte den Zauberstab zur Seite und begann etwas in der Lektüre zu blättern.

Er vertiefte sich in die Wörter, Kapitel über dunkle Flüche und interessante Zauber von denen er einige noch nicht kannte. Das konnte nicht aus Bathildas Bibliothek stammen, hatte er es vielleicht aus Durmstrang?
Albus schaute auf die Uhr, er war seit einer Stunde hier. Ein sanftes seufzten ertönte und Gellert drehte sich auf den Rücken.

Er sah aus wie ein Engel. Wie konnte er selbst nach dem aufwachen nur so hübsch sein? Die zerzausten Haare machten ihn eher noch attraktiver, das Leben war einfach unfair.
Gellert zog die Augenbrauen zusammen und gähnte: „Was machst du hier?"

„Deine Tante hat mich hereingelassen, ich hoffe du bist nicht verärgert dass ich geblieben bin?"
Gellert drehte sich auf die Seite und zog Albus ein Stück näher um seinen Kopf in dessen Schoß zu legen.
Albus schwieg, wusste er nicht was er daraufhin sagen sollte.
Er legte das Buch weg und begann Gellerts Kopf zu massieren, die andere Hand legte er auf dessen Oberarm. Gel seufzte zufrieden und entspannte sich wieder, schloss die Augen.
So verblieben sie für eine ganze Weile und sagten nichts.


„Wieso schläfst du mitten am Tag?", brach Albus die Stille nach einer halben Stunde.
„Konnte nachts nicht schlafen".
„Ist alles in Ordnung?", fragte Albus besorgt.
„Mhh, ist öfter so".
Gellert wirkte ausgelaugt und erschöpft, obwohl er erst aufgewacht war.

„Kann es sein dass es dir psychisch nicht so gut geht?"
Gellert fühlte sich in solchen Situationen normalerweise unglaublich nackt, er wollte nicht dass jemand ihn in diesem Zustand sah.
Bei Albus war es, überraschenderweise, nicht der Fall. Er tat ihm gut.

Gellert verlor sich an solchen Tagen sehr schnell in seiner Gedankenwelt, ein tiefer Krater aus dem er nicht entfliehen konnte. Er wurde einfach hineingesogen.
Sein Interesse und Wissensdurst existierten nicht mehr. Wie eine Kerze ausgeblasen oder abgebrannt.
Einfach so, egal wie schön der Vortag gewesen war, egal wie gut es ihm davor ging.
Er fühlte sich leer, ohne Antrieb, ohne Willen.
Er fühlte sich nutzlos, bedeutungslos.
Er wollte einfach nur schlafen, die Zeit damit verkürzen. Denken konnte er sowieso nur langsam und eingeschränkt, konnte sich nicht richtig konzentrieren.
Schlaf war das einzige was half, auch wenn er sich beim aufwachen zwischendurch noch kranker fühlte, denn auch der verdrängte nicht die Müdigkeit oder das Erschöpft sein.
Er konnte diese Gefühle nicht einmal richtig beschreiben, so unwirklich waren sie in den Momenten, so unerreichbar.

 Verlangen [Grindeldore OS]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt