Kapitel 2

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„Verschwinde!", zische ich und scheuche die Tauben aus meinem Arbeitszimmer.
Ich habe ganz vergessen, die Fenster zu schließen und eine Scharr von Tauben hat sich in meinem Zimmer bequem gemacht. Nachdem ich alle Blätter wieder einsortiert habe, räume ich meinen Tisch auf und höre, wie die Tür aufgeht.

„Morgen", flüstert Mauricio und kommt gähnend durch die Tür. „Morgen", antworte ich und zünde mir eine Zigarette an. Das muss unbedingt wieder aufhören. „Ich dachte du hättest damit aufgehört", sagt Mauricio und wirft seine Hose und T-Shirt in die Ecke meines Schlafzimmers. „Anscheinend nicht", sage ich und schalte mein Laufband an.

„Muss das sein?", fragt er und wirft sich in mein noch warmes Bett. „Dann mach doch die Tür zu", antworte ich und schaue in sein genervtes Gesicht. „Mit dem falschen Fuß aufgestanden?", fragt er und schließt die Tür zum Schlafzimmer.
Nein, nur viel Arbeit.

Ich drücke die Zigarette aus und presse auf die Knöpfe des Laufbandes, bis ich außer Atem auf dem Laufband stehen bleibe. Ich habe gestern so viel gearbeitet, dass ich jetzt erst einmal nichts zu tun habe. Also - geht es heute nur um mich.

Meine Tüten, vom Einkaufen werfe ich in den Kofferraum und laufe mit großen Schritten und klackenden Absätzen zur Fahrerseite.

„Schönes Auto", sagt eine Stimme von der Seite. Ohne auch nur hochzusehen, weiß ich von wem dieser Tonfall kommt. Soll ich ihn ignorieren? Einfach weggehen? Nein, das ist kindisch.

„Danke", sage ich und drücke die Tür der Fahrerseite auf. „Wie geht es dir so, kleines? Neuer Wagen? Gefällt mir", sagt er und ich schaue vom Auto hoch. Da steht er. In persona. Genau vor mir und mit den Händen auf meinem Wagen.
Seine Haare haben ihren Glanz verloren, genauso wie seine Augen. Einfach alles - er sieht aus wie ein völlig anderer Mensch. Er ist größer geworden und breiter. Seine Schultern bohren sich fast durch seine Lederjacke. Wut kommt hoch. Wut, die mich daran erinnert, wie er mich verlassen hat. Nach so vielen Jahren sieht man sich wieder und dann kommen solche Wörter aus seinem Mund?

„Mir geht es super", lächle ich Matteo an und stelle mein rechtes Bein in das Auto. „Matteo, ich muss jetzt los. Es war schön dich wiederzusehen", sage ich und er nickt. Mit rollenden Augen, die er hoffentlich nicht gesehen hat, setze ich mich in mein Auto und starte den Motor. Gekonnt fahre ich aus der Parklücke und nach Hause.

Was will der Vollidiot hier? Was zur Hölle will er?

„Kleines?", fragt Mauricio und steht im Türrahmen. „Ja?", frage ich und schaue nach oben. „Tut mir leid, dass ich dich heute früh so angegangen bin", sagt er und kratzt sich am Kopf. „Mir auch", sage ich und laufe in die Küche. „Möchtest du heute Abend vielleicht mit mir tanzen gehen?", fragt er nach ein paar Sekunden und ich lächle ihn an. „Musst du heute nicht arbeiten?", frage ich und schaue in sein Gesicht. „Ich habe mir heute mal frei genommen", grinst er. „Dann sehr gerne", sage ich und lache ihn an.

Mit hohen Schuhen und in einem silbernen Kleid stehe ich mit Mauricio vor dem P8 Club. Der Club ist komplett anders als der Red Dance Club. Alles ist in grün gehalten, der Club ist überfüllt von Menschen und somit entstehen sehr lange Schlangen.
Die Türsteher kenne ich leider noch nicht und meine neuen Freunde gehen nicht gerne in Clubs, sodass ich keine Chance habe, mit meinen Kontakten zu spielen. Wir stehen ganz hinten in der Schlange, die sich kaum bewegen zu scheint. Genervt tippe ich mit den Absätzen auf dem Boden.

„Wollen wir einfach nach Hause gehen?", fragt Mauricio und krempelt seine Ärmel hoch. „Jetzt stehen wir schon an, dann können wir auch warten", sage ich und fahre durch meine Haare.

Nach ein paar Minuten, in denen ich mich an dem ein oder anderen vorgedrängelt habe, stehen wir im Eingang vom Club. Mein Kleid ziehe ich an die richtige Stelle, bevor ich die Tür öffne und Mauricio durch diese verschwindet.

„Was willst du haben?", frage ich und setze mich an die Bar. „Ein Glas Don Julio Tequila?", fragt er und ich nicke. „Können wir bitte eine ganze Flasche haben?", frage ich den Barkeeper, der uns die ganze Zeit zugehört hat. „Gerne", sagt er und stellt die Flasche mit zwei Caballitos auf den Tisch.
„Das wären dann 395 Euro bitte", sagt er und ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. „Machst du das? Ich gehe mich mal umschauen", sagt Mauricio und steht vom Barhocker auf. Gezwungen grinse ich und reiche dem Barkeeper meine Karte.

Warum stört mich heute alles? Vorher hat es mich auch nicht interessiert, aber nachdem ich Matteo wieder gesehen habe, veränderte sich meine Sichtweise auf Mauricio.
Matteo hätte uns schneller in den Club gebracht. Er hatte mir die Tür aufgehalten, darauf bestanden zu bezahlen und wäre mit mir tanzen gegangen. Matteo zerstört schon wieder alles.

Laut atme ich aus und öffne die Flasche. Mauricio ist in der Zeit wieder zurückgekommen und drückt sich die Flasche an den Mund und trinkt mehr als die Hälfte aus. Mit meiner Zunge gleite ich über meine Zähne und trinke meinen Caballito aus.
Bei Gott - ich werde ihn gleich schlagen.

„Es ist echt schön hier", ruft Mauricio durch die Menge, legt seine Hände auf meinen nackten Oberschenkel und dreht mich auf dem Drehstuhl zu sich um. „Wollen wir tanzen gehen?", fragt er und legt seine Lippen auf meinen Hals. Na endlich.

Er greift nach meiner Hand und zieht mich durch die Menge. Nacheinander stoßen mich Leute von den Seiten an und so langsam verliere ich die Lust an alldem hier. Zu Hause war ich die Göttin und alle haben für mich Platz gemacht, damit Aven und ich in Ruhe tanzen konnten. Ach ja, ... Aven. Sie musste ich auch zurücklassen. Sie hat die Uni abgebrochen und eine Ausbildung im Einzelhandel abgeschlossen. Wir schreiben kaum noch, aber das ist okay. Ich vermisse sie zwar, aber ihr Leben geht schließlich weiter. Eine Hand an meiner Schulter zieht mich nach hinten und von Mauricio weg.

„Maur-", sage ich, doch er beachtet mich nicht einmal. Schnell drehe ich mich um und schaue in das Gesicht von Matteo.

NUDES? IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt