Von weltendiebin 💜
ENTGEGEN LANDLÄUFIGER MEINUNG WAR Jeongguk kein großer Fan von Weihnachten.
Die Stadt war bis zum Bersten gefüllt, der obligatorische Gang über den Weihnachtsmarkt entpuppte sich als eine durch die quälend langsam laufenden Passanten in die Endlosigkeit dahinsiechende Tortur und die pseudo-harmonische Atmosphäre in der kalten Winterluft ging ihm gehörig auf den Geist.
Wenn überhaupt, dann empfand Jeongguk die vermeintlich besinnlichste Zeit des Jahres als ein einziges Martyrium, das er für gewöhnlich mied wie der Teufel das Weihwasser. Er bezeichnete sich nicht als Anhänger von großen Menschenaufläufen und die Aussicht, in seine atheistische Konsumgesellschaft zu investieren, die sich immer dann diesen christlichen Heiligenschein aufsetzte wenn das Ende des Novembers nahte, reizte ihn ebenso wenig wie die Chance, mit besagter sozialer Zelle mutwillig zusammenzustoßen.
Dass ausgerechnet er seiner kleinen Schwester auf dem Heimweg von der Schule jetzt schokolierte Erdbeeren mitbringen sollte, musste ein urkomischer Witz des Universums sein, der sich ihm einfach nicht erschloss.
Vor dem Hintergrund seiner versemmelten Mathematik-Klausur, die er heute zurückbekommen hatte, wurde Jeongguk das Gefühl nicht los, dass sich sein Schicksal gerade einen sehr perfiden Scherz auf seine Kosten erlaubte.
Der resignierte Seufzer, der seinen Lippen instinktiv entwich, als Jeongguk am ersten Glühwein-Stand vorbeigezogen war, stieg in einem weißen, sichtbaren Wölkchen hinauf in den dunklen Abendhimmel und vermengte sich mit der stechenden und von Gewürznelken angereicherten Dezemberluft. In einem Versuch des vollkommenen Überdrusses, die omnipräsente Geräuschkulisse auszublenden, schob Jeongguk seine Kopfhörer über seine Ohren und schlenderte mit in die Tiefen seiner Jackentaschen vergrabenen Händen über den Markt, den Blick nachlässig über die identisch aussehenden Buden wandernd, auf der nachlässigen Suche nach dem erstbesten Verkaufsstand, den er mit seiner seltenen Anwesenheit beehren konnte — bevor er schleunigst das Weite suchen würde.
Eher aus Gründen der Praktikabilität als aus ästhetischem Antrieb steuerte er einen beliebigen Stand an, der noch nicht von weihnachtswütigen Passanten und peinlichen Pärchen torpediert wurde, und wartete vor der gläsernen Tresenvitrine darauf, dass sich der Verkäufer seiner womöglich ersten Kundschaft an diesem späten Nachmittag gewahr wurde. Ungeduldig perforierte er den Hinterkopf seines Gegenübers mit seinen Blicken und war gerade im Inbegriff, zu einem Räuspern anzusetzen, als ihm seine Stimme ihren Dienst versagte — vor ihm stand der hübscheste Junge, den Jeongguk in seinem Leben je gesehen hatte.
Er war groß, größer als Jeongguk, der in seinem Kurs schon als Klassengrößter zählte, und sein übermäßig weites Sweatshirt kaschierte seine breiten Schultern zum Leidwesen seines Kunden nicht. Er trug eine graue Beanie auf seinem Kopf, unter der blondierte, weich aussehende Haarsträhnen sein apartes Gesicht umrahmten, das, geschmückt mit zwei drachenartig umformten Lidern und sinnlich plumpen Lippen, Jeongguk sofortig in seinen Bann zog. Da war eine Röte auf seinen weichen, makellosen Wangen, die ihm unverschämt gut stand und seinem natürlichen Charme mühelos in die Finger spielte.
Selbst in einem bunt geschmückten Verkaufsstand auf einem schrillen Weihnachtsmarkt vor gepunkteten Tüten gebrannter Mandeln und kitschigen Lebkuchenherzen stehend sah er cooler aus als Jeongguk es sich je in seinem Leben erträumen könnte.
In seiner anfallartigen Bewunderung bemerkte ebenjener erst, dass er den blonden Verkäufer seit geraumer Zeit mit vor Faszination offen stehendem Mund angestarrt hatte, als dieser sich erneut mit einem breiten Lächeln bei ihm erkundigte: „Wie kann ich dir helfen?"
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BABA ADVENTSKALENDER
Historia Corta2022 𝑫𝒊𝒆 𝑾𝒊𝒏𝒕𝒆𝒓𝒛𝒆𝒊𝒕 𝒊𝒔𝒕 𝒂𝒏𝒈𝒆𝒃𝒓𝒐𝒄𝒉𝒆𝒏, 𝒖𝒏𝒅 𝒅𝒖 𝒎𝒂𝒈𝒔𝒕 𝒆𝒕𝒘𝒂𝒔 𝒘𝒆𝒊𝒏𝒂𝒄𝒉𝒕𝒍𝒊𝒄𝒉𝒆𝒔 𝒍𝒆𝒔𝒆𝒏? 𝑶𝒅𝒆𝒓 𝒅𝒊𝒄𝒉 𝒋𝒆𝒅𝒆𝒏 𝑻𝒂𝒈 𝒂𝒖𝒇 𝒆𝒊𝒏𝒆𝒏 𝒂𝒏𝒅𝒆𝒓𝒆𝒏 𝑶𝒏𝒆𝒔𝒉𝒐𝒕 𝒆𝒊𝒏𝒆𝒔 𝑨𝒖𝒕𝒐𝒓𝒔 𝒇...