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VON thvdear 🌟🌟🌟🌟💜💜💜

Es gibt Menschen, die sagen, dass sie Weihnachten nicht mögen. Wenn man Jungkook fragen würde, wäre ›nicht mögen‹ wohl eine Untertreibung wie man sie nie erlebt hätte. Jungkook mag Weihnachten nicht nur nicht, er hasst es. Er hasst es aus ganzem Herzen.

Wie konnte er dieses Fest mögen, wenn es ihm das genommen hatte, was ihm am meisten am Herzen lag? Wie konnte er sich freuen, wenn er immer daran denken musste, wie sie damals auf dem Weihnachtsmarkt waren, gelacht und Spaß hatten, und er danach leblos nehmen ihm im blutverschmierten Auto gelegen hatte?

Jedes Jahr war diese Zeit die größte Qual für ihn. Heute hatte er nicht einmal Lust aufzustehen. Er könnte den großen Tag einfach verschlafen. Nicht wie die letzten zwei Jahre weinend vor dem Weihnachtsbaum sitzen und auf das Foto von ihm und Jimin starren. Das Foto, dass Jimins süßes Lachen für immer eingefangen hatte.

Er könnte einfach liegen bleiben und versuchen, Jimin für heute mal zu vergessen. Er dachte täglich an ihn. Kaum eine Sekunde verging, in der er nicht dachte »Was hätte Jimin getan?« oder »Jimin würde sich bestimmt über so etwas freuen«.

Andererseits war der Drang, genau das Gegenteil zu tun, aufzustehen und in Erinnerungen zu schwelgen, viel zu groß, um ihn zu ignorieren. Seufzend rollte sich Jungkook aus dem Bett und sammelte seine Sachen zusammen.

Mit den Gedanken bei seinem verstorbenen Freund aß er Frühstück, schmückte seinen kleinen Baum und machte sich Musik an. Schon bald war das Haus weihnachtlich geschmückt... Nichts fehlte, hätte man meinen können. Nur vermisste Jungkook den kichernden Jimin, der ihm jetzt eine Weihnachtskugel ins Gesicht gehängt und gelacht hätte oder die Kekse geklaut hätte, obwohl sie noch gar nicht gegessen werden sollten.

Jimin. Die schönste, süßeste und beste Person, die Jungkook je in seinem Leben gehabt hatte. Am Anfang waren sie ganz einfach Freunde gewesen, bevor sie gemerkt hatten, dass dort mehr als Freundschaft war. Sie kamen am 12. August zusammen. Jungkook erinnerte sich an den Tag, als wäre es gestern gewesen.

Schüchtern hatte er Jimin gestanden, dass er ihn mehr mochte als einen Freund. Dass er ihn daten wollte. Und Jimin hatte gelächelt und erwidert, dass es ihm nicht anders ginge. Doch sie hatten nicht viel Zeit. Um genau zu sein, bis zum Heiligabend.

Jungkook starrte aus dem Fenster, als er den Tag dachte. Es hatte geschneit, Jimin und Jungkook hatten mit Taehyung, Namjoon und Yoongi eine Schneeballschlacht gemacht. Danach waren sie zum Weihnachtsmarkt gefahren.

Die Kiste mit den Dingen, die sie gekauft hatten, besaß Jungkook immer noch. Sollte er sie herausholen? Er tat es nie. Er hatte Angst, mental nachzugeben, wenn er darin stöberte. Aber heute... heute war Weihnachten... Vielleicht sollte er es tun.

Nachdenklich ging er die Treppe zum Dachboden hoch und sah sich dort um. Zwischen Staub, Decken und Kissen fand er sie schließlich. Die kleine Pappkiste, in der alle Erinnerungen an den 24. von vor zwei Jahren drin waren.

Fast schon melachonisch nahm er sie mit, setzte sich aufs Sofa und hob den Deckel ehrfürchtig hoch. Das erste, das ihm ins Auge fiel war ein Lebkuchenherz auf dem in weißer Zuckerschrift ganz kitschig You + I stand. Jungkook lächelte halb glücklich und halb voll Schmerz. Er erinnerte sich, wie Jimin es sich umhängen lassen hatte und ihm einen Kuss als Danke gegeben hatte.

Jungkook spürte Tränen in sich aufsteigen und biss sich auf die Lippe. Vielleicht war das mit der Kiste keine gute Idee gewesen? Mit zitternden Fingern legte er das Herz beseite und spähte in die Kiste.

Mit leicht geöffneten Lippen griff er dem größten Gegenstand und musste dieses Mal breiter lächeln. Es war eine Glaskugel, in der der Schnee tanzte. Der kleine Schneemann schien ihn anzugrinsen.

Jungkook grinste ein wenig zurück, die Tränen nun nur noch mühsam zurückhaltend. Jimin hatte ihm die Schneekugel damals in die Hände gedrückt und gelacht. »Ich hoffe, du findest das nicht zu kitschig...«

Wie hätte er? Natürlich fand er es nicht kitschig. Im Gegenteil, es war eines der tollsten Geschenke, die er je bekommen hatte. Mit zitternden Finger strich er über die leicht staubige Oberfläche, als es passierte.

Das Glas rutschte durch seine Finger, die Kugel fiel hinaus und zerbrach mit einem fürchterlichen Klirren auf dem Boden. Die Flüssigkeit spritzte in alle Richtungen, der Schneemann zerbrach in zwei Hälften.

»Nein!« Entsetzt sank Jungkook vom Sofa und versuchte das Chaos wieder zu retten. »Nein, nein, nein, die Kugel«, flüsterte er und merkte gar nicht, dass Tränen von seiner Wange auf den Boden tropften.

Er hatte sein Geschenk von Jimin kaputt gemacht. War er Jimin überhaupt wert gewesen, wenn er so unvorsichtig mit seinen Geschenken umging? Schluchzend rappelte Jungkook sich auf und rannte in die Küche, um einen Lappen zu holen. Vielleicht konnte man sie reparieren? Irgendwie retten? Irgendeinen verdammten Weg musste es geben!

Mit dem Lappen in der Hand stürzte Jungkook zurück ins Wohnzimmer — und hielt mit einem erschrockenen Laut mitten in der Tür inne. Jetzt halluzinierte er defintiv. Der Schock musste etwas in seinem Hirn kaputt gemacht haben.

Oder wieso saß Jimin vor ihm auf den Boden, die Arme um den nackten Körper geschlungen und die Augen geblendet geschlossen?

Ungläubig streckte Jungkook die Hand nach ihm aus und blinzelte, bevor er versuchte, über Jimins Arm zu streichen. Sein Herz raste ohnehin schon, doch als er die weiche Haut des Arms spüren konnte, drohte es aus seiner Brust zu platzen.

»J...Jimin?« Zitternd holte er Luft und betrachtete Jimin. Das konnte nicht sein. Wie sehr er diese blonden, weichen Haare, dieses engelsgleiche Gesicht und seinen kleinen, zierlichen Körper vermisst hatte... Er war tot... Wieso war er jetzt hier?

»Mir... mir ist kalt...«, wisperte Jimins glockenklare Stimme leise und er sah Jungkook endlich an. Der nickte sofort eifrig und immer noch überfordert und reichte Jimin eine Decke, in die er ihn einkuschelte. Dann konnte er nicht mehr an sich halten und fiel dem Älteren um den Hals.

Wieso auch immer, er hatte Jimin zurück! Er verstand absolut nicht, warum das so war, aber er würde ihn nicht noch einmal gehen lassen. Die Tränen rannen über seine Wangen. »Jimin, ich habe dich so vermisst, ich liebe dich, Jimin, bitte verlass mich nie wieder...«

Jimin erwiderte seine Umarmung und Jungkook spürte sein Nicken. »Sterben ist überhaupt nicht toll«, lachte Jimin leicht. Jungkook gluckste unter Tränen. Es war sein Jimin, der Jimin, der unpassende Dinge in traurigen Momenten sagte und der Jimin, der das süßeste Lächeln der Erde hatte.

»Wieso... wieso bin ich eigentlich zurück?«, stammelte Jimin irgendwann. Jungkook zuckte die Schultern und konnte nicht aufhören damit, Jimin anzuhimmeln. Zwei Jahre... Er hatte gedacht, ihn nie wieder zu bekommen. Nie wieder in seinem ganzen Leben.

Und doch saßen sie jetzt hier, in mitten einer zerbrochenen Schneekugel, die Hände verschränkt und ein Lächeln auf den Lippen. Jungkook weinte immer noch. Jimin drückte seine Hand, schien immer noch verwirrt zu sein und trotzdem ebenso unglaublich glücklich, seinen Jungkook wiederzuhaben.

»Ich will, dass du nie wieder gehst«, flüsterte Jungkook immer wieder. Jimin versprach es jedes Mal. Sein Blick hing nur an Jungkook, bloß ab und zu warf er einen Blick auf den Weihnachtsbaum und das Chaos.

»Ist heute Weihnachten?«, hakte er nach ein paar Minuten vorsichtig nach. Jungkook nickte hastig. Jimin musste lächeln, krabbelte auf Jungkooks Schoß und gab ihm einen Kuss. »Das letzte Weihnachten, an das ich mich erinne, lief wohl nicht so gut.«

Jungkook nickte und versuchte sein rasendes Herz zu beruhigen. »Dann... wünschen wir uns jetzt ein besseres. Ich liebe dich, Park Jimin. Frohe Weihnachten«, flüsterte er und beugte sich zu ihm hinab, um ihn zu küssen.

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