Kapitel 13: Wohl bekommt's.

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„Er ist hier.".

Alle erheben sich von ihren Plätzen, bewegen sich in den Vorraum, nur Margaret hält im Esszimmer inne. Ihr Blick fällt auf die unzähligen Geschirrtürme, die die Zwerge kunstvoll aufgerichtet haben, jedoch fühlt sich keiner von ihnen für den Abwasch zuständig. Stapel für Stapel trägt die Haushälterin in die Küche, während alle anderen das letzte Mitglied in ihrer Runde willkommen heißen.

Noch immer kann sie nicht glauben, was hier in Beutelsend geschieht. Eigentlich würde sie schon längst im Bett liegen und sich einen Plan ausmalen, was es morgen zu Essen gibt, wären da nicht die Zwerge im Haus, die ihr die letzten Nerven rauben. Zum Glück haben die Zwerge seit dem Eintreffen des letzten Gastes ihre Selbstbeherrschung wiedergefunden, sodass eine wohltuende Ruhe in Beutelsend einkehrt. Ein Segen für ihre schmerzenden Ohren.

Es dauert nicht lange als jemand Fräulein Braun ein weiteres Mal stört. Der langbärtige Balin eilt in die Küche: „Meine Gute, kann ich das mitnehmen?", und deutet auf die Teller mit den letzten Süßspeisen, die nach der ausgiebigen Mahlzeit übriggeblieben sind. Margaret hat darauf nichts einzuwenden: „Natürlich.", doch bevor Balin wieder verschwindet, fragt er noch: „Ist noch etwas vom Eintopf übrig?", „Nicht mehr viel. Aber ich kann es schnell warm machen.". Dankend nickt Balin und begibt sich hastig zurück ins Esszimmer. Eigentlich hat sie gehofft, sich dem Abwasch zu widmen, aber getrost wirft sie das Geschirrtuch über ihre Schulter, legt einen Holzscheiten in den Ofen nach und stellt den Topf mit dem übriggebliebenen Eintopf auf den Herd.

Während sie darauf wartet, dass das Abendessen warm wird, blickt sie nachdenklich durch das Fenster, hinaus in die schwarze Nacht. Ungewollt kreisen ihre Gedanken um ihre Familie - was sie wohl gerade treiben? Wahrscheinlich liegen alle im Bett, wie es sich auch gehört, und schlafen schon längst.

Ob sie überhaupt noch an Margaret denken? Seit dem heutigen Marktbesuch befürchtet sie, dass sie sich von ihren Geschwistern entfremdet hat. Rosalinde hat deutlich gemacht, dass sie von nun an kein Teil der Familie ist. Ihre Worte haben sich in ihrem Kopf eingebrannt und wollen sie nicht in Ruhe lassen. Im Gegensatz zu Margaret legt sie viel Wert auf die Meinung anderer, das war schon immer so. Umso schwerer ist es für Rosalinde dem Geschwätz der Leute standzuhalten. Aber Margaret ist felsenfest davon überzeugt, dass mit der Zeit der Tratsch ein Ende nehmen wird und vielleicht, ja vielleicht, sich Rosalinde an die Situation gewöhnen wird. Margaret kann sich bildhaft vorstellen, wie ihre Familie bei einem Stück Kuchen in Beutelsend zusammensitzt und mit Bilbo lachend auf die alten Tage zurückblickt. Mit dieser Vorstellung füllt sie eine Kelle Eintopf in die Schüssel und begibt sich zügig hinaus ins Esszimmer.

Als sie die stickige Räumlichkeit betritt, entdeckt sie den eingetroffenen Gast am Ende des Tisches. Mit einem freundlichen Lächeln tritt sie an ihn heran, stellt unbefangen die Schüssel auf den Tisch und meint: „Wohl bekommt's, der Herr. Ich hoffe, Ihr habt einen Bärenhunger mitgenommen.", und versucht einen Blick auf das Gesicht hinter einem Vorhang aus schwarz, gelockten Haaren zu erhaschen. Während die meisten noch an einigen Gesprächen der Tischgesellschaft teilnehmen, vernimmt Thorin die ungewöhnlich vertraute Stimme und blickt dem kleinen Gesicht der Haushälterin empor.

Die Ungläubigkeit steht ihr ins Gesicht geschrieben, als Margaret den Zwergen wiederkennt. Sie hatte vorhin, wo sie sich ihm näherte, keinen blassen Schimmer, wer ihr gerade gegenübersitzt, bis sie in das Paar meeresblauer Augen starrt und sie von der Vergangenheit eingeholt wird. Natürlich erinnert sie sich an den Gast, der sie einst völlig aus der Bahn geworfen hat. Der Zwerg, den keiner zu kennen vermochte, eines Abends einsam an einem Tisch saß und darauf wartete, dass man ihm eine warme Mahlzeit brachte. Nicht anders wie jetzt. Und dabei geht ihre Geschichte viel weiter zurück, denn ihr erstes Aufeinandertreffen war eines Nachts auf der Oststraße gewesen, als sie sich nach einem Wochenende auf den Nachhauseweg gemacht hatte. Seitdem sind sie sich immer wieder begegnet, in den unverhofftesten Momenten wie diesen, wo sie nicht eine Sekunde daran gedacht hat, ihn wiederzusehen.

Margaret meint zu glauben, dass sie sich in einem schlechten Traum befindet, unfähig irgendetwas dagegen zu unternehmen. Zum Glück reißen sie die Worte des Zauberers zurück in die Wirklichkeit: „Miss Margaret, das hier ist Thorin Eichenschild aus dem Hause Durin – der Anführer unserer Gemeinschaft.", „Und der zukünftige König unterm Einsamen Berg.", fügt Balin stolz an und klopft seinem Schützling heiter auf die Schulter.

Daraufhin wendet Thorin den Blick ab, grummelt lediglich: „Hm.", und widmet sich dem Essen. Aber Margaret kann jetzt nicht einfach gehen. Nicht nach dieser Offenbarung. Wie angewurzelt bleibt sie stehen, starrt ihn entsetzt an, denn sie will nicht glauben, dass der Zwerg, den sie damals im Tänzelnden Pony für einen Vagabunden gehalten hat, in Wahrheit ein König ist. Wieso hat er nie davon etwas erwähnt? Wieso hat er sie in Unwissenheit gelassen, dass sie es die ganze Zeit über mit einem König zu tun hatte? Margaret will es einfach nicht wahrhaben.

Ihre Befangenheit bleibt nicht unbemerkt, Dwalin kann sich darüber herzhaft amüsieren: „Die Kleine hat es die Sprache verschlagen. Anscheinend ist sie noch nie einem König gegenübergestanden.". Die restlichen Zwerge stimmen in sein Gelächter ein, abgesehen von Thorin, der seinen Suppenlöffel fallen lässt und der Haushälterin einen leeren Krug in die Hände drückt: „Anstatt rumzustehen, könnten Sie mir etwas zu trinken bringen. Bier, wenn's geht.", und würdigt sie keines Blickes.

Margaret nimmt den Krug an sich und erwidert mit einer vornehmen Verbeugung: „Jawohl, mein Herr.". Bevor sie sich umdreht und mit erhobenen Hauptes zurück in die Küche kehrt, beobachtet sie, wie sich Thorin seinen Kameraden zuwendet und in Zwergisch etwas flüstert, das die anderen zum Lachen bringt. Noch nie hat sie sich so gedemütigt gefühlt wie in diesem Moment.

In der abgeschiedenen Küche öffnet sie den Hahn des Fasses und füllt den Krug mit frischgezapftem Bier. Unvermeidlich zittert ihre Hand, sodass die goldene Flüssigkeit über den Rand schwappt und auf den gepflasterten Boden landet. Kurz stellt sie den Krug ab, geht hinüber ans Fenster und muss sich erst einmal sammeln, bevor sie sich wieder vor der Gemeinschaft blicken lassen kann.

Leider ist sie nach diesem Wiedersehen viel zu aufgewühlt, um sich normal zu verhalten. Thorin - Wie schafft er es nur, sie ständig aus der Fassung zu bringen? Warum kümmert es sie eigentlich, dass er hier ist? Ja, sie kennt ihn, er war einst ein Gast, den sie im Tänzelnden Pony bedient hatte. Sie hatten sich gut unterhalten und hatten nicht einmal die Möglichkeit, sich anständig voneinander zu verabschieden, als er eines Morgens in Windeseile an ihr vorbeigeprescht ist, wie ein kalter Luftzug, der einen an einem warmen Frühlingstag überwältigt.

Obwohl sie nicht einmal weiß, ob Thorin sich überhaupt an sie erinnern kann, setzt es ihr zu, dass er sie mit dieser Gleichgültigkeit behandelt - als wäre sie nur eine minderwertige Haushälterin, was sie letzten Endes auch ist. Aber das erklärt nicht, warum ihre Hand zittert. Mit dem Krug bewegt sie sich hinaus zur Tischgesellschaft und reicht dem Anführer sein gewünschtes Bier, das er dankend annimmt, bis er erneut in die Unterhaltung mit seinen Nachbarn einsteigt. Margaret kann es nicht ertragen, sich im selben Raum wie Thorin aufzuhalten, und begibt sich hinaus in den Flur, wo sie sich auf der teuren Aussteuertruhe von Bilbos Großmutter niederlässt.

Ihr Kopf sinkt zwischen ihre Hände. Erst jetzt bemerkt sie, wie sie die Erschöpfung einholt. Ihre schweren Augendeckel fallen ständig hinunter, sie braucht eine Auszeit von dem ganzen Tumult und wünscht sich nichts sehnlicher, als in ihr Bett zu fallen und einzuschlafen. Jedoch sind da 13 Zwerge und ein Zauberer zu Gast, die nicht einfach so gehen werden. Unerwarteterweise taucht Herr Beutlin auf, der seine Haushälterin im Flur entdeckt, und besorgt fragt: „Alles in Ordnung?", „Mir geht's gut.". Eine Lüge, die er ihr nicht ganz abkaufen kann, aber Margaret will ihn nicht jetzt auch noch mit ihren Problemen belasten, während 14 weitere in seinem Esszimmer sitzen. Da sind ihre im Vergleich nichts.

„Du bist ganz rot.", stellt er im geblichen Licht des Kerzenscheins fest. Daraufhin erhebt sich Margaret von der Aussteuertruhe und beschließt: „Wenn's recht ist, geh ich mal schnell an die frische Luft.", Bilbo nickt und verfolgt mit besorgter Miene, wie sie sich zur Tür schleppt. Im Gehen greift sie noch zu ihrem Mantel am Kleiderständer, öffnet die kreisrunde Eingangstür und bewegt sich nach draußen in die Freiheit.


Für eine Weile bleibt sie an der Schwelle stehen und genießt die gewonnene Ruhe, nachdem die Tür hinter ihr zufällt. Die Stimmen sind nur noch dumpf zu vernehmen, eine kalte Nachtluft weht über das Land und kitzelt ihre nackten Unterarme. Endlich kann sie wieder frei atmen. Während sie die Augen schließt, kullern die ersten Tränen über ihre glühenden, roten Wangen. Margaret kann jetzt nicht einfach zurückgehen, als wäre nichts passiert, und die hilfsbereite Haushälterin spielen. Nach der ganzen Aufregung, die im Hause Beutlin von statten ging, fühlt sie sich leer und will am liebsten im Erdboden versinken. Sie hat für einen Abend genug erlebt.

Aber anstatt das Weite zu suchen, bleibt sie im Eingangsbereich stehen, wischt sich die Tränen weg und wirft einen Blick durch das runde Fenster. Die Neugierde hält sie hier fest, noch immer hat sie keine Ahnung, was die Zwerge hier zu suchen haben. Aber ihr bleibt keine Zeit, darüber nachzudenken, denn plötzlich ertönt ihr Name.

„Margaret.", ruft eine Stimme vom Gartentor. Erschrocken fährt sie zusammen und entdeckt am Wege die Silhouetten einer finsteren Gestalt, die sich ihr unaufhaltsam nähert. Schnell zeigt sich, dass ihre Angst unbegründet ist, als sie im Licht das Gesicht ihrer jüngeren Schwester Olivia ausmachen kann, die unerklärlicherweise hier in Beutelsend steht.

Entsetzt fragt Margaret: „Was zum Henker machst du hier? Du solltest schon längst im Bett sein!", aber ihre Worte prallen wie an einer Wand ab, als Olivia ganz aufgeregt erzählt: „Ich hab nach Papa gesucht, der ist seit einer Woche nicht mehr auffindbar. Aber stattdessen bin ich einem Zwergen begegnet. Er wollte nach Beutelsend und hat mich nach dem Weg gefragt, da...", „...da bist du ihm gefolgt.", stellt die Älteste nüchtern fest, denn sie kennt ihre Schwester viel zu gut, die nicht anders kann als ihrer Neugierde nachzugeben.

Hinter ihnen dröhnen laute Stimmen aus dem Smial, woraufhin Olivia verwundert anmerkt: „Hört sich an, als wäre Herr Beutlin nicht allein. Was ist da drinnen los? Steigt da eine Party?", „Es ist nichts! Nichts, was dich angeht!", speist Margaret sie ab und geht zur Türschwelle. Olivia gibt nicht so leicht auf und umschließt fest das Handgelenk ihrer Schwester: „Komm, sag schon! Du weißt mehr, als du preisgibst!", „Hör damit auf, klar?!", erhebt sie ihre Stimme, „Du wartest hier draußen. Ich sag noch schnell Herrn Beutlin Bescheid und dann bring ich dich nach Hause...".

Margaret öffnet die kreisrunde Eingangstür, blickt in den Vorraum und entdeckt ihren Arbeitgeber, der zwischen seinen Fingern ein Pergamentstück hält und völlig entgeistert die Zeilen liest. Nur wie vom Schlag getroffen kippt er um und landet rücklings auf dem Teppich, der den Aufprall etwas lindert.

Umgehend stürzt sich Margaret zu ihm auf den Boden, hält ihm eine Hand auf die warme Stirn und flüstert bedächtig: „Bilbo, kannst du mich hören? Hallo? Alles in Ordnung?". Als er nur unverständliche Worte von sich gibt, schenkt sie den Anwesenden im Esszimmer einen vorwurfsvollen Blick, wo ihr die unbewegten Augen der Gäste entgegensehen. Fassungslos wirft sie ein: „Würde jemand so nett sein und mir helfen?". Keiner der Zwerge macht große Anstalten, der kleinen Frau zur Hilfe zu eilen, stattdessen erhebt sich der alte Zauberer von seinem Platz und nähert sich dem ohnmächtigen Hobbit.

Dabei braucht Bilbo gar keine Unterstützung. Er öffnet langsam seine Augen, blickt mit einem schiefen Lächeln in das junge Gesicht seiner Haushälterin und seufzt: „Margaret". Jene hilft ihm auf die Beine, während er ächzend wispert: „Mir geht's gut. Ich brauch nur eine Pause, das ist alles.". Margaret lässt sich von seinem Schwächeanfall nicht beirren, greift ihm unter den Arm und führt ihn in das warme Gesellschaftszimmer, wo er sich in seinem Sessel fallen lässt.

Etwas Schlimmes muss in ihrer Abwesenheit passiert sein. Besorgt um seinen Zustand legt sie ihm sanftmütig eine Hand auf die Schulter und fragt: „Möchtest du einen Tee?". Ganz aufgeregt nickt er: „Ja, bitte.", und Margaret schenkt ihm noch ein aufmunterndes Lächeln, ehe sie sich von ihm abwendet und eine Kanne aufsetzen will.

In der ganzen Hektik hat sie gänzlich ihre Schwester vergessen, die auf leisen Sohlen durch das Haus schleicht und fiebrig ums Eck lugt. Aber sie hat nicht an Margaret gedacht, die sie am Arm packt und in die Küche zerrt. „Lass mich los!", zischt das heranwachsende Mädchen, das sich von dem festen Griff losreißt und empört in das aufgebrachte Gesicht ihrer Schwester blickt. Margaret ist ratlos, was den weiteren Verlauf dieses Abends betrifft. Da sie nicht weiß, was sie mit Olivia anfangen soll, fragt sie: „Hast du heute schon gegessen?", „Nicht viel.", „Gut. Dann setz dich, ich mach dir schnell etwas.". Ein hungriger Gast mehr oder weniger reißt nichts großes herum. Auch wenn der Hausstand von Herrn Beutlin nicht mehr viel hergibt, findet Margaret noch im Küchenschrank ein Leib Brot, von dem sie zwei Scheiben herabschneidet und mit Butter beschmiert, während sie darauf wartet, dass das Wasser zum Kochen beginnt.

„Darf ich danach zu den Zwergen gehen?", fragt Olivia mit vollem Mund. „Nein.", antwortet sie klar und deutlich, „Du wirst hier in der Küche bleiben, bis ich mit Herrn Beutlin die Sache geklärt habe. Du wirst mit niemanden reden, du wirst hier auch nichts anfassen und du wirst erst recht nicht meine Anweisungen in Frage stellen, kapiert?", „Jaja.", ist ihre einzige Gegenreaktion auf den harschen Befehlston ihrer Schwester. Jedoch kennt Margaret keine Gnade und nimmt die heiße Teetasse zur Hand: „Ich bin gleich wieder zurück.", mahnt sie im Abgang, aber sie weiß, dass Olivia keine Ruhe geben wird, ehe sie das bekommt, was sie will.

Nachdem Margaret die Küche verlässt, hätte sie beinahe die große Figur eines Zwergen übersehen und wäre in ihn hineingelaufen. Unmittelbar steht sie vor Thorin, blickt hoch in sein Gesicht, unfähig eine angemessene Reaktion zu zeigen. Wie konnte er ihr nur verschweigen, dass er in Wahrheit ein König ist? Von königlichem Blut? In Bree hat sie all die Zeit über geglaubt, dass sie es mit einem gewöhnlichen Kunden zu tun hat, weswegen sie ihn wie ihresgleichen behandelt hat. Und sie schämt sich zutiefst dafür, dass sie ihn für einen Augenblick wirklich gemocht hat. Aber als er nichts sagt, verlässt ein leises „Entschuldigung" ihre Lippen und sie schlängelt sich peinlich berührt mit der heißen Teetasse an ihm vorbei. Um jeden Preis will sie vermeiden, sich mit ihm zu unterhalten. Nicht, nachdem sie erfuhr, wer sich hinter der aufgesetzten Maske versteckt.


Als Margaret ihrem Arbeitgeber eine Tasse Tee vorbeibringt, hat sich Gandalf bereits im Salon eingefunden, der Bilbo etwas Gesellschaft leistet, auch wenn sich jener nicht in der Verfassung befindet, sich groß zu unterhalten. Die Haushälterin stellt die Tasse auf den kleinen Abstelltisch. Leider kommt sie nicht darum herum den angeschlagenen Herrn Beutlin zu belästigen und zu fragen: „Bleiben die Zwerge auch über die Nacht?", denn sie will noch Vorkehrungen treffen, bevor sie sich zusammen mit ihrer Schwester auf dem Nachhauseweg begibt. Gandalf zuckt mit den Schultern: „Nur, wenn es euch nichts ausmacht.", „Was bleibt uns anderes übrig.", murmelt Bilbo und steckt den Kopf ein.

Natürlich heißt es Margaret nicht gut, dass sich die unerwünschten Besucher wie Parasiten in Beutelsend eingenistet haben und die Gastfreundschaft der Hobbits derartig missbrauchen. Eigentlich möchte sie noch auf ihre Schwester Olivia zu sprechen kommen, die hier unter diesem Umfeld nicht übernachten kann und nach Hause gehört, aber bevor sie ihn mit weiteren Angelegenheiten überfordert, lässt sie die schweigsamen Herrschaften allein und begibt sich hastig in die Küche.

Zu ihrem Leideswesen fehlt jegliche Spur von Olivia. Großartig - Margaret hat es bereits erahnt, dass sie nicht wie angeordnet sitzen bleibt und brav auf ihre ältere Schwester wartet, nein. Stattdessen sitzt sie draußen an der Seite eines jungen Zwergen, der sie in eine tiefgründige Unterhaltung verwickelt hat und ihr eine seiner Zeichnung vorhält. Aber Margaret will sich nicht zwischen die beiden werfen, als ihre Schwester heiter lacht. Sie soll ihren Spaß haben, bis sie von Margaret nach Hause gezerrt wird. Irgendwie ist es ja auch schön, dass Olivia auch unter andere Gesellschaft kommt, da sie größtenteils ihre Freizeit mit Büchern verschwendet.

Mit einem zufriedenen Lächeln begibt sie sich in den Gang, öffnet einen Schrank und sucht in den Regalen nach ein paar übrigen Decken und Kissen für die dreizehn Zwerge und den Zauberer, die alle im Smial irgendwie Platz haben müssen. Nur leider schafft sie es nicht, von ganz oben eine Kissen aus dem Regal zu ziehen. So sehr sie sich auch anstrengt, sich auf ihre Zehenspitzen stellt und sich reckt und streckt, kann sie das Daunenkissen nicht erreichen. Verzweifelt seufzt Margaret, ehe ein langer Arm zu ihrer Linken auftaucht und mit Leichtigkeit das Kopfkissen herabnimmt. Sie hält inne, weicht seinen Blicken aus und schaut betreten auf ihre nackten Füße. Von allen Zwergen muss es ausgerechnet Thorin sein. Ihr Plan, ihm aus dem Weg zu gehen, kann sie nun in den Wind werfen, nachdem er unmittelbar neben ihr steht. Nach so vielen Wochen begegnen sich die beiden wieder und nichts ist mehr wie vorher.

„Vielen Dank.", wispert Margaret kleinlaut, unfähig ihn nach der Offenbarung seiner wahren Identität anzusehen. Thorin nickt und fragt: „Das junge Fräulein an der Seite von Ori... gehört Sie zu Euch?". Die Haushälterin antwortet: „Ja, das junge Fräulein ist meine Schwester.". Irgendwie ist sie darüber enttäuscht, dass das das Einzige ist, was ihn interessiert. Nur vielleicht erkennt er sie gar nicht wieder, vielleicht ist sie nur die Angestellte von Herrn Beutlin, die gut genug dafür ist, seinen leeren Krug zu füllen. Etwas, was sie bereits im Tänzelnden Pony gemacht hat. Aber es scheint, dass er sich an das nicht mehr erinnern kann.

Thorin verschränkt die Arme und erklärt ihr: „Dann solltet Ihr sie nach Hause bringen. Sie beginnt sich hier viel zu wohl zu fühlen.". Endlich wagt sie es seinen Blick zu erwidern, doch ihre Augen sind gefüllt von Hass und Verachtung. Sie schafft es nicht länger, ihre angestaute Wut zurückzuhalten, und entgegnet: „Sie wollen meine Schwester also loswerden... Warum? Macht Ihr Euch Sorgen, dass sie sich mit einem Eurer Leute versteht?", „Nein, das ist es nicht.", „Wollt Ihr mich loswerden? Ist es das?". Sprachlos steht er vor ihr, verengt seine Augen zu Schlitzen, kann keinen klaren Gedanken fassen. Margaret hingegen nimmt ihm das Kissen ab und meint im Abgehen: „Entschuldigt mich.". Sie entfernt sich erhobenen Hauptes von dem Anführer, der sich erzürnt auf die Unterlippe beißt.


Auch wenn es bereits spät ist, versucht Margaret die möglichen Schlafplätze für die Gäste so gemütlich wie möglichst zu gestalten. Sie lenkt sich mit der Arbeit ab, von der Tatsache, dass Thorin sie nicht länger sehen will. Aber was kann sie von einem Zwergen wie ihm erwarten, der schon damals in Bree kein Feingefühl besaß. Nur warum soll es sie kümmern? Schon morgen früh werden sie fort sein, danach wird sie ihn nie wieder sehen. Das hofft sie zumindest.

Gerade, als sie im Schlafzimmer ihres Arbeitgebers steht und die Daunenkissen aufschüttelt, steht Bilbo in der Tür. Man kennt ihm an, dass er erschöpft ist. Denn er hat wohl nach dem aufreibenden Marktbesuch nicht erwartet, dass auch noch 13 Zwerge und ein Zauberer sein Haus auf den Kopf stellen. „Ich wusste gar nicht, dass deine Schwester hier ist.", meint er im Hereingehen und stützt sich am Bettende ab. Seine Haushälterin zuckt mit den Schultern: „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht mit dem belasten.", „Schon gut. Was macht sie hier?", „Ich weiß auch nicht. Sie hat auf der Straße einen Zwergen gesehen, dem sie gefolgt ist. Ich möchte sie noch gerne nach Hause bringen. Nur, wenn es dir nichts ausmacht.", „Ja, sicher. Du hast heute schon genug getan.", und er sinkt langsam auf die Matratze.

Margaret legt das Kissen gegen das Kopfteil und kann vor Neugierde diese Frage nicht länger für sich behalten: „Weißt du schon, was die Zwerge hier wollen?", Bilbo schüttelt lachend den Kopf, stemmt seine Arme gegen die Oberschenkel und seufzt: „Nichts. Sie sind umsonst gekommen.", und blickt entgeistert in die Augen seiner Haushälterin an. Er überlegt nicht lange und erzählt ihr von dem Grund ihres Daseins: „Die Zwerge sind hier, weil sie für ihr Abenteuer noch ein Mitglied brauchen – einen Meisterdieb. Sie haben gedacht, dass ich...", aber Margaret braucht nicht mehr hören, sie hat es schon längst verstanden.

„Was hast du zu ihnen gesagt?", verlangt sie zu erfahren und hält sich am Bettpfosten fest. Ein Hobbit auf einem Abenteuer? Unmöglich. Welcher Halbling im Auenland ist derartig lebensmüde, dass er 13 Zwerge und einen Zauberer auf ein Abenteuer begleitet? Zu welchem Preis? „Natürlich habe ich abgelehnt. Ich bin doch nicht verrückt, also... sowas, ha!", „Gut.", meint sie und holt erleichtert nach Luft, „Jetzt hab ich mir schon Sorgen gemacht.", „Keine Sorge, ich werde hier in Beutelsend bleiben.", und schenkt seiner Haushälterin ein aufmunterndes Lächeln. Aber bevor sie sich verabschiedet, fragt er vorsichtig: „Wirst du... morgen früh wieder kommen?", „Ja. Gleich nachdem Sonnenaufgang werde ich losgehen.", „Gut. Dann... gute Nacht.", „Gute Nacht.", erwidert Margaret und verlässt mit einem Winken sein Schlafzimmer, um anschließend in das Esszimmer einzubiegen.

Noch immer sitzt Olivia an der Seite eines Zwergen und lauscht aufmerksam seinen Geschichten. Aber sie müssen jetzt los. „Olivia. Komm. Ich muss dich ins Bett bringen.", ruft sie und nimmt ihren Mantel vom Kleiderhaken. Allmählich erhebt sich ihre Schwester vom Tisch, schüttelt eifrig die Hand des Zwergen, bis sie mit rotangelaufenen Kopf Margaret entgegenkommt und zischt: „Musst du mich immer so blamieren!", „Dafür sind Schwestern da.", und greift nach ihrer kleinen Hand. Margaret kann es kaum erwarten, diesen Ort hinter sich zu lassen und in ein Bett zu fallen.

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