Kapitel 10: Eine Vereinbarung

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Auf dem Weg nach Beutelsend sprechen Bilbo und Margaret kein ein einziges Wort zueinander. Sie laufen in sich gekehrt nebeneinanderher, in peinlicher Stille angesichts der Halblinge, die ihren Weg kreuzen und sie mit einem selbstgefälligen Grinsen belächeln. Obwohl die Geburtstagsfeier der Familie Eichler einige Wochen zurückliegt, weiß noch jeder von dem sonderbaren Aufeinandertreffen zwischen Herrn Beutlin und Fräulein Braun, die man ungewöhnlicherweise zusammen auf der Straße sichtet. Das schürt die geschmacklosen Gerüchte, die die Tratschweiber üblicherweise in Windeseile von Haus zu Haus tragen.

Aber das interessiert die beiden im Moment nicht. Margaret weiß, dass sie ihn lediglich begleitet, um den Kirschsaftfleck aus seiner Weste zu kriegen. Aber wisse sie nichts davon, würde sie nichts anderes als die Klatschbasen vom Auenland vermuten. Beide sind unverheiratet und es ziemt sich nicht, dass sich ein Herr aus einer gehobenen Familie mit einer Frau wie Margaret, die Tochter eines verschwenderischen Nichtsnutzes, abgibt.

Bilbo öffnet seiner Besucherin die Gartentür: „Nach Ihnen.". Sie folgt seiner Anweisung, doch hält für einen Moment inne und bestaunt die Schönheit, die ihr zuteilwird. Sie hat bereits viel von Beutelsend gehört, wie die Leute von dem kleinen, abgelegenen Fleck oben in den Hügeln und von seiner atemberaubenden Aussicht auf das Auenland schwärmen. Doch es hautnah als Gast des Hausherrn zu sehen, ist wahrhaftig eine Ehre. Aus dem saftig grünen Rasen sprießen lilafarbene Astern und weiße Geranien, eine Steintreppe führt hinauf zum Smial, das versteckt in einem Hügel liegt. Oben an der runden Tür steht Herr Beutlin und fragt zögerlich: „Fräulein Braun? Kommen Sie?", „Natürlich.", erwidert Margaret kleinlaut und steigt die Stufen zur Behausung empor, die bereits seit Generationen im Familienbesitz der Beutlins liegt.

Die grün gestrichene Eingangstür geht auf, ganz bedächtig betritt sie den Vorraum, verschränkt fromm ihre Hände und wagt keinen weiteren Schritt in das Innere, in Sorge ihre dreckigen Füße können den sauberen Boden beschmutzen. „Fühlen Sie sich wie Zuhause.", betont Bilbo im Vorbeigehen, woraufhin Margaret zurückhaltend lächelt und gar nicht weiß, wo sie hinschauen soll. Die kreisrunden Fenster lassen Licht in den Vorraum des Smials fallen, das hochwertige Mobiliar unterstreicht die gemütliche Atmosphäre. Margaret folgt Herrn Beutlin entlang des Flures, der in viele weitere Zimmer abzweigt.

Mit jedem weiteren Schritt wird ihr schwer ums Herz. Sie hat noch nie einen Fuß in eine solch vornehme Behausung gesetzt und fühlt sich regelrecht erdrückt von den wohlhabenden Lebensverhältnissen. Aber all ihre Zweifel treten in den Hintergrund, als Herr Beutlin aus seinem Schlafzimmer eilt und vor ihr mit der goldgelben Weste zum Stehen kommt. Er hält sie hoch, der rote Fleck des Kirschsafts ist nicht zu übersehen: „Nicht einmal Kernseife hat mir geholfen.". Vorsichtig nimmt Fräulein Braun das kostbare Kleidungsstück an sich, begutachtet die Einfärbung in den Fasern, während Bilbo anfügt: „Das ist mein Lieblingsstück und ich will es nur ungern wegwerfen. Ich hoffe, dass der Fleck wieder rausgeht, aber er ist ziemlich hartnäckig.".

So lecker Kirschsaft auch ist, verursacht er schreckliche Flecken, die nur schwer zu entfernen sind. Aber Margaret wäre nicht Margaret, wenn sie darauf keine Lösung fände. Schon oft musste sie die verschiedensten Verunreinigungen aus Kleidungsstücken entfernen, denn ihre Familie konnte sich selten neue Gewänder leisten. Sie fragt Herrn Beutlin: „Das ist zwar etwas ungewöhnlich, aber... haben Sie Zitronen zuhause?". Der Hobbit runzelt erst einmal die Stirn, bis er sie in die Küche führt.

Keine Minute später sitzt Margaret mit einer Schüssel Zitronen über einer Zitronenpresse und drückt den Saft aus gelben Früchten. Stutzig beobachtet Bilbo seine Besucherin: „Und das soll helfen?", „Vertrauen Sie mir, ich habe schon oft genug die Kleidung meiner Geschwister gewaschen. Das hier ist nichts im Vergleich zu dem, was mein kleiner Bruder mit nach Hause gebracht hat.", entgegnet sie atemlos, bis sie die dritte Zitrone in den Müll wirft. Schließlich bedeckt sie den Fleck mit dem frisch gepressten Zitronensaft und meint: „So, das muss jetzt erst einmal einwirken.".

Margaret wirft einen Blick auf Herrn Beutlin, der ganz unruhig auf und ab geht, unschlüssig, worüber sie reden können. Die beiden kennen sich nur beiläufig und wäre sie nicht am 38. Geburtstag von Herrn Eichler in ihn hineingelaufen, säße sie wahrscheinlich jetzt nicht in Beutelsend. Peinliches Schweigen erfüllt den Raum, bis sich das junge Fräulein von dem Stuhl erhebt: „Wo ist denn die Waschküche?", ganz aufgeregt antwortet er: „Folgen Sie mir.".

Bilbo zeigt ihr die kleine Kammer am Ende des Gangs. Von der Tür aus beobachtet er, wie sie am kalten Fliesenboden kniet und mit hochgekrempelten Ärmeln seine Weste am Waschbrett reinigt. Er kann sie für ihren Tatendrang nur bewundern, sie ist keine halbe Stunde hier und zieht bereits die Weste aus dem schäumenden Wasser. Margaret steht auf und hält ihm fast schon stolz das Kleidungsstück entgegen: „Wie neu.". Herr Beutlin staunt nicht schlecht, als er die Stelle, wo eben noch ein faustgroßer, roter Fleck prangerte, begutachtet: „Ah, zum Glück... Vielen Dank, Fräulein Braun. Ich weiß, Ihre Hilfe zu schätzen.".

Margaret hängt die Weste ohne zu fragen über die Wäscheleine und lacht: „Keine Ursache. Immerhin bin ich der Grund für den Fleck.", und wendet sich wieder dem Hausherrn zu. Erneut stehen sie da und keiner weiß etwas zu sagen. Betreten senkt sie den Blick und zieht in Betrachtung, nach getaner Arbeit nach Hause zu gehen, denn dort wartet ihre Familie, die nichts von ihrem Besuch in Beutelsend weiß. Mit Sicherheit wird Rosalinde sie mit unzähligen Fragen durchlöchern, nachdem die Älteste ihre Schwester ohne Vorwarnung am Marktplatz stehen gelassen hat. Verlegen lächelt das junge Fräulein: „Ich glaube, ich mache mich besser auf den Weg.", „Sicher.", stimmt ihr Bilbo zu.

Sie trocknet ihre nassen Hände an der Schürze ab, während sie ihm zur Haustür folgt. Doch plötzlich kommt er im Flur zum Stehen, dreht sich um und fragt: „Wollen Sie nicht noch ein wenig hierbleiben?". An ihrem verwirrten Gesichtsausdruck kann er erkennen, dass er sie mit dieser Frage sichtlich überrumpelt hat. Sie kann sich nicht vorstellen, hier länger zu verbleiben, und wendet ein: „Ich will Ihnen nicht länger zur Last fallen.", „Ach, was. Sie haben sich nach der ganzen Aufregung etwas Gutes verdient. Eine kleine Mahlzeit schadet Ihnen nicht.". Margaret weiß nicht, was sie von diesem Vorschlag halten soll, und stammelt: „Ich... ich weiß nicht so recht... warum nicht?".

Erleichtert klatscht Herr Beutlin in die Hände: „Gut. Kommen Sie mit.". Während sie ihm zurück in die Küche folgt, bereut sie ihre Entscheidung, aber sie kann sich nicht dazu überwinden, seine Einladung abzulehnen. Schließlich steht sie in seiner Schuld. Nachdenklich bleibt sie im Zimmer stehen, während er sich zur Küchenzeile bewegt und fragt: „Kann ich Ihnen etwas anbieten? Eine Kaffee vielleicht?". Sie zuckt mit den Schultern: „Wenn es Ihnen nichts ausmacht". Bilbo setzt eine Kanne an und bemerkt nicht, wie sein Gast damit beginnt, den Tisch abzuräumen. Sofort nimmt er ihr die Zitronenpresse ab: „Das müssen Sie nicht tun.", „Ach, lassen Sie mich Ihnen zur Hand gehen. Sie haben heute schon genug für mich getan.", beharrt Margaret auf ihr Tun. Sie will sich für seine Hilfe erkenntlich zeigen und nicht von ihm bedient werden - wahrscheinlich eine Berufserkrankung.

Ungefragt nimmt sie das Kaffeeservice aus der Vitrine. Bei dem Anblick läuft ihm ein Schauer über den Rücken: „Bitte, seien Sie vorsichtig, das ist das Geschirr meiner Großmutter...", aber seine Befürchtungen sind unbegründet, als er mitansieht, wie sorgsam sie die Teller ablegt und den Tisch deckt. Zusammen nehmen sie am Esstisch Platz, Margaret schenkt ihnen Kaffee ein und Herr Beutlin stellt in die Mitte des Tisches einen Teller Butterplätzchen: „Bedienen Sie sich.". Zaghaft greift sie zu und beißt genüsslich davon ab, denn es ist lange her, dass sie so etwas wie Butterplätzchen verzehrt hat. Solche Speisen gibt es bei ihnen zuhause nicht alle Tage.

Bilbo rührt den Silberlöffel in seiner Tasse herum und führt an: „Es ist schon seltsam, dass wir hier zusammensitzen, nachdem wir uns unter diesen Umständen kennengelernt haben.", „Allerdings.", lächelt Margaret, „Ich will mich nochmals dafür entschuldigen, dass ich Sie in diese Sache mit hineingezogen haben. Niemand will sich mit solchen Problemen herumschlagen und...", „Dafür brauchen Sie sich nicht entschuldigen.", fährt er ihr ins Wort, „Sie können nichts dafür, dass Ihre Tante nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.", woraufhin sie beinahe den Kaffee ausgespuckt hätte. Sie hat nicht erwartet, dass Herr Beutlin seine ungeschönte Meinung vor ihr offenbart.

Lachend fügt sie an: „Ja... Lily ist wirklich etwas... Besonderes.", womit sie sich noch nett für das Verhalten, das ihre Tante an den Tag legt, ausdrückt. Obwohl sie eigentlich nach Hause wollte, verschwendet sie keinen Gedanken an ihre Familie, im Gegenteil. Sie fühlt sich pudelwohl in Beutelsend und hat nicht erwartet, dass man sich mit Bilbo Beutlins so gut unterhalten, als er sich über die Leute von Wasserau und das Gerede, das seit Wochen in den Dörfern kursiert, beschwert. Und da Margaret ihm irgendwie vertraut, spricht sie: „Wissen Sie, manchmal macht es mich traurig, dass sich in den Leben eines jeden Hobbits fast alles nur darum dreht, aus welcher Familie man kommt, in welchem Haus man lebt, wie man mit anderen verwandt ist, wen man eines Tages heiratet und wie viele Kinder man bekommt. Als ob die Familiengeschichte das Einzige wäre, was uns ausmacht.".

Als sie das sagt, bemerkt Bilbo wie trübselig seine Besucherin in den leeren Kamin blickt. Natürlich weiß er, was es mit ihrer Familie auf sich hat und wie die anderen von ihnen sprechen. Und er muss zugeben, dass ihr Eindruck ihn eines Besseren belehrt. Ungewollt lehnt er sich etwas vor, zwinkert ungewöhnlich oft mit den Augen, ehe er meint: „Sie haben Recht. Das darf nicht das Einzige sein, was uns ausmacht.", und sieht zu ihr hinüber. Er hätte nicht gedacht, dass man mit Margaret Braun über solche ernsten Themen sprechen kann, wo er doch weiß, dass sie eine Bedienung ist. Zumindest glaubt er das und fragt noch einmal nach: „Sie arbeiten doch in Bree, nicht wahr? Wie ist es dort?".

Als sie diese ungewöhnliche Frage hört, schrickt das junge Fräulein kurz zusammen und lässt den Silberlöffel auf den Teller fallen. Soll sie ihm eine Lüge auftischen? Ihm sagen, dass es großartig im Gasthaus Zum Tänzelnden Pony ist und Herr Butterblume der freundlichste Arbeitgeber ist, den es je gegeben hat?

„Ich wurde entlassen.", schießt es prompt aus ihr heraus. Seine Augen weiten sich, als er das durch ihren Mund erfährt. Herr Beutlin hat nicht mit einer solchen Antwort gerechnet, stellt die kleine Tasse auf den Unterteller und faltet die Hände zusammen: „Das... tut mir leid.". Margaret weiß nicht, warum sie ihm davon erzählt. Schon seltsam, dass sie eher einer flüchtigen Bekanntschaft ihre Probleme anvertraut als ihrer eigenen Familie.

Bilbo ringt mit sich selbst, diese Frage zu stellen, aber kommt nicht darum herum: „Und... warum, wenn ich fragen darf?", Margaret seufzt und lehnt sich gegen den Stuhl: „Er hat jemanden gefunden, der nicht nur an den Wochenenden, sondern auch unter der Woche arbeiten kann. Wenigstens kann ich mir den weiten Fußmarsch ersparen.", und überspielt mit einem aufgesetzten Lächeln ihre innere Verzweiflung. Ihre Geldsorgen will sie nicht mit dem vermögenden Bilbo Beutlin teilen, sie hat genug von ihrem Privatleben erzählt.

Nachdem wieder peinliche Stille ihre Unterhaltung beherrscht, steht Margaret auf und meint: „Danke für den Kaffee. Aber ich muss jetzt wirklich nach Hause.". Sie will keine Sekunde länger dem netten Herrn Beutlin zur Last fallen und steuert zum Ausgang. Jedoch lässt Bilbo nicht locker: „So warten Sie doch!". Das junge Fräulein hält in der Tür inne, dreht sich ein letztes Mal zu ihm um und wartet ab, was er ihr noch zu sagen hat.

Er berührt aufgeregt seine Fingerspitzen, sucht nach den richtigen Worten und findet endlich den Mut, ihr diese Frage zu stellen: „Wir kennen uns noch nicht gut und das hört sich vielleicht komisch an, aber... was halten Sie davon, wenn Sie für mich arbeiten würden?".

Margaret will ihren Ohren nicht trauen. Sie hält sich mit der Hand am Türrahmen fest, ihre Kinnlade fällt hinunter, während sie ihn fassungslos ansieht. Beunruhigt von ihrem Schweigen fährt Herr Beutlin ganz außer sich fort und bemerkt dabei nicht, wie ihm die Röte ins Gesicht steigt: „Es ist nur... ich kann etwas Unterstützung im Haushalt gut gebrauchen, Sie haben ja gesehen, dass ich nicht einmal einen Fleck aus meiner Kleidung gebracht habe. Und an manchen Tagen möchte ich auch zu anderen Dingen kommen. Ich habe gesehen, wie fleißig Sie sind und würde Sie dementsprechend auch entlohnen. Es würde mich sehr freuen, wenn...", „Ja.", spricht sie ihm ins Wort und sieht ihn mit gläsernen Augen an: „Ich würde gerne für Sie arbeiten, Herr Beutlin.".

Margaret kann gar nicht glauben, was für einem Glück ihr an diesem ereignisreichen Tag widerfährt. Auch Bilbo strahlt erfreut über das ganze Gesicht: „Gut. Was halten Sie davon...", „Ich habe die ganze Woche Zeit, auch an den Wochenenden.", sprudelt es wie ein Wasserfall aus ihr heraus, „Ich kann kochen, waschen, putzen... alles, was Sie wollen. Sie werden nichts an mir auszusetzen haben. Und wenn doch, dann werde ich alles daransetzen, um Sie zufriedenzustellen. Das verspreche ich Ihnen.". Margaret, zu Tränen gerührt, verschränkt ihre Hände ineinander, die vor Aufregung zittern. Sie hat nicht erwartet, dass ihr Besuch in Beutelsend eine solche Wendung nimmt. Am liebsten wäre sie vor Freude in die Luft gesprungen, aber sie hält ihre Euphorie vor den Augen ihres neuen Arbeitgebers im Zaun.

Bilbo ist über ihre Zusage erleichtert und schlägt ihr gleich vor, morgen früh anzufangen. Dabei zieht er ebenfalls in Betrachtung, ihr in Zukunft ein Zimmer im Smial anzubieten, damit sie nicht jeden Tag einen weiten Fußmarsch zurücklegen muss. Nachdem sich Margaret mit einem Händeschütteln von ihm verabschiedet, eilt sie zur Straße und kann ihre Freudentränen nicht länger verstecken. Sie weint vor allen Leuten und zieht verwirrte Blicke auf sich, aber nichts und niemand kann im Moment ihre Laune verderben. Nach so kurzer Zeit, in der sie sich solche Sorgen um ihre Zukunft gemacht hat, kann sie endlich wieder Hoffnung schöpfen. Anscheinend hatte der 38. Geburtstag bei Familie Eichler doch noch zu etwas Gutem geführt.


Als Margaret zum Familiensitz der Brauns zurückkehrt, sitzen ihre Geschwister am Esstisch beisammen und essen zu Mittag. Sie wagt es nicht die Idylle zu zerstören und beobachtet vom Gang aus, wie Daisy versucht Theobald, der mit der Rindersuppe spielt, den Löffel wegzunehmen, während Olivia ihre Schwester davon überzeugen will, dass sie Brauns möglicherweise auch von den Farbhäuten abstammen. Erst, als Rosalinde den Kopf erhebt, betritt Margaret die Küche. Mit ihrem unerwarteten Eintreffen verstummen die Stimmen ihrer Geschwister und blicken ihr erwartungsvoll entgegen.

„Wo warst du?", fragt Rosalinde entsetzt, aber jene bringt kein vorerst kein Wort heraus, stattdessen liegt ein nerviges Dauergrinsen auf ihren Lippen. Sie weiß gar nicht, wo sie anfangen soll. Mit geschwollener Brust stellte sie sich vor den Esstisch und verkündet: „Ich arbeite ab sofort für Herr Beutlin. Als seine Haushälterin.".

Olivia lässt den Löffel in die Suppenschüssel fallen, während Daisy verwirrt die Stirn runzelt und Theobald auf den Schoß nimmt, nur Rosalinde traut sich, nachzufragen: „Der Bilbo Beutlin von Beutelsend?", „Ja. Ich darf morgen anfangen.", und bemerkt erst jetzt, wie abgeneigt ihre Familie auf dieses Angebot reagiert. „Aber was ist mit Bree? Du arbeitest doch als Bedienung im Tänzelnden Pony?", meint Daisy. Sie kann die Wahrheit ihren Geschwistern nicht länger vorenthalten: „Das ist Geschichte. Ich... ich arbeite nicht länger im Gasthaus. Herr Butterblume hat mich rausgeworfen.", „Was?!", fährt Rosalinde entsetzt dazwischen, „Wann?", „Letztes Wochenende.", „Und wann hattest du vor, uns das zu erzählen?".

Die Älteste hat geahnt, dass ihre Familie sich nicht über diese Nachricht freut, was sichtlich ihren Gesichtern zu entnehmen ist. Betreten blickt sie zu Boden und murmelt: „Ich... ich wollte es euch sagen, aber...", „Aber was?", „Ich hatte Angst, wie ihr reagiert. Und ich wusste nicht, ob ich wieder eine Beschäftigung finden werde. Aber das hat sich ja jetzt geklärt.", versucht sie ihre Schwestern aufzuheitern, aber Rosalinde schüttelt fassungslos den Kopf.

Als Olivia und Daisy zusammen mit Theobald die Küche verlassen, setzt sich Margaret zu Rosalinde an den Tisch und schöpft sich zwei Kellen von der duftenden Gemüsesuppe in den leeren Teller: „Tut mir leid, dass ich es nicht erzählt habe. Ich hab mich dafür geschämt, weil ich weiß, wie wichtig meine Arbeit ist.", „Du hättest es mir sagen können. Wir hätten gemeinsam eine Lösung finden können, aber stattdessen schmeißt du dich an Herrn Beutlin ran. Hast du dir gar keine Gedanken darüber gemacht, warum er dich einstellt?". Margaret verzieht argwöhnisch die Mundwinkel, während sie die Suppe auslöffelt, und kann die Vorbehalte ihrer Schwester nicht nachvollziehen: „Was soll denn sein? Er ist ein reicher Hobbit und alleinstehend, er kann eine Haushälterin gut gebrauchen.", „Das ist es, Greta. Er ist alleinstehend.".

Rosalinde steht auf und beginnt damit den Tisch abzuräumen: „Ist dir denn überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass er etwas von dir will?", „Was soll er schon von mir wollen?", „Ich hab immer gedacht, dass du die Schlauste von uns wärst...", lacht sie und begibt sich zur Küchenspüle. Margaret schimpft: „Du kennst ihn doch gar nicht! Ich glaube nicht, dass er auf der Suche nach einer Frau ist. Einen solchen Eindruck hat er nicht auf mich gemacht...", „Das glaubst auch nur du. Ein unverheirateter, wohlhabender Hobbit im Ruhestand wie Herr Beutlin muss sich Gedanken um seine Nachfolge machen. Ich glaube, er hat seinen Haushalt auch gut davor bewerkstelligt. Warum braucht er ausgerechnet jetzt eine Haushälterin, wo du dich gerade anbietest?", „Das ist Schwachsinn.", „Es ist Schwachsinn, dieses Angebot anzunehmen. Du wirst bei ihm einziehen und deinen ganzen Tag dort verbringen. Da wirst du keine Zeit mehr für andere Dinge haben. Was werden die Leute davon denken? Dass sich Herr Beutlin eine Liebhaberin zugelegt hat? Was wird Herr Bolger davon halten?".

Margaret ist der Hunger vergangen und schiebt den Suppenteller beiseite: „Die Leute denken so oder so schon schlecht von uns. Sollen sie doch sagen, was sie wollen, das ist mir egal.", „Nein, das soll dir nicht egal sein!", schreit Rosalinde und lässt klirrend die Teller in die Spüle fallen, „Auch du musst dir Gedanken um deine Zukunft machen und nicht ständig an uns denken! Herr Bolger...", „Was interessiert mich Herr Bolger?", fährt die Älteste hoch und starrt mit geweiteten Augen ihre Schwester an.

„Ich habe vorhin mit ihm gesprochen.", gesteht sie. „Du hast was?!", „Du hast mich schon verstanden. Herr Bolger hat sich um dich erkundigt und möchte uns gerne demnächst einen Besuch abstatten. Und ich würde mir wünschen, dass du da zuhause bist.". Aber Margaret kann gar nicht fassen, was sie von ihrer Schwester erfahren muss, und hält sich eine Hand vor den Mund, um nicht lauthals loszulachen. Rosalinde fragt entnervt: „Was ist so lustig?", „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich Wilibald Bolger heiraten will, oder?", „Wieso nicht? Er ist nett und verdient gut. Klar, er ist schon etwas älter, aber dann wärst du wenigstens in festen Händen. Und wie Tante Lily gesagt hat, kommt deine Vermählung mit Herrn Bolger auch uns zugute, und...", „Ich brauch mir das nicht länger anhören.", Margaret springt hoch und verlässt erzürnt die Küche.

Auch wenn es Rosalinde gut meint, liegt sie im Unrecht. Die Entscheidung, bei Herrn Beutlin als Haushälterin anzufangen, ist die richtige Entscheidung. Er ist ein aufrichtiger Hobbit und hegt mit Sicherheit kein Interesse an einer Bauerntochter. Das will sie nicht glauben, nein. Margaret freut sich auf den kommenden Tag, an dem sie endlich wieder arbeiten kann.

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