Nachdem Gabriel den Saal verlassen hatte und Etienne sicher war, dass dieser außer Hörweite war, fing er an zu spielen und schloss somit alle die Wunden, die, seit er hier war, aufgerissen waren.
Hier im Camp wurde ihm nur einmal mehr vor Augen geführt, wie allein er doch eigentlich war.
Gabriel ließ die Tür des kleinen Anbaus seit diesem Tage immer unverschlossen, denn immer wenn es Etienne in den Finger kribbelte, huschte er in einen unbeobachteten Moment hinein.
Seinen Zimmergenossen erzählte er nicht, wo er steckte, wenn er oft stundenlang nicht auffindbar war. Dante löcherte Etienne natürlich mit Fragen, um hinter sein Geheimnis zukommen und er gab sich erst zufrieden, als Etienne auf die Frage „Für wen er dieses Versteckspiel eigentlich veranstaltete" mit „Für Elise" antwortete.
So verging auch die dritte Woche für Etienne wie im Flug und er zählte schon die Tage bis zur Rückkehr zu seinen Eltern.
Mit seinen Kopfhörern in den Ohren saß er eines Nachmittags im warmen Sand und genoss die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht. Eine Spur aus Sommersprossen zog sich inzwischen über seine Nase. Er erblickte Milo, der soeben sein Surfbrett aus dem Meer gezogen hatte und dann zusammen mit Dante und Angelo zurück in die Fluten stürzte.
Etienne ließ sich auf sein Handtuch sinken, schloss die Augen und hörte Bachs Praeludium in C-Dur, während seine Finger das Stück im Sand spielten.
Plötzlich legte sich ein Schatten auf sein Gesicht und vereinzelt tropfte Salzwasser auf seine nackte Brust. Er öffnete die Augen und blinzelte den drei Jungen entgegen.
Dann fanden seine Kopfhörer den Weg um seinen Hals. „Komm mit ins Wasser!", forderte ihn Milo auf. „Nein danke. Keine Lust."
Doch als Etienne sich gerade wieder auf das Handtuch sinken lassen wollte, wurde er von Angelo und Dante an den Armen gepackt und zum Wasser gezerrt. „Ich will nicht, habe ich gesagt", schrie Etienne noch, doch es war zu spät.
Mit etwas Schwung beförderten die beiden ihn ins kühle Nass. Von einer Welle getroffen, schluckte Etienne Unmengen an Salzwasser, aber es war etwas anderes, was ihn in Panik versetzte. Der Walkman in seiner Hand.
Hustend und triefend nass, stapfte er schließlich aus den Fluten. „Ihr seid solche Arschlöcher", schrie er sie an und schlug Milos Hand beiseite, die er ihm beschwichtigend auf die Schulter hatte legen wollen.
Die Augen voller Tränen, schnappte er sich sein Handtuch und das Notenheft und trat den Rückweg zum Bungalow an. Dort angekommen, trocknete er den Walkman ab und drückte auf die Playtaste. Doch der Walkman bliebt stumm und so warf sich Etienne aufs Bett und weinte hemmungslos.
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Die Melodie des Sommers
RomanceEin Sommer in Italien Ende der 80er Jahre. Der 18-jährige Etienne muss seine Sommerferien, gegen seinen Willen, in einem Jugendcamp an der Adria verbringen. Alles, was er sich wünscht, ist, dass die sechs Wochen schnell vorbeigehen mögen, doch dann...