Kapitel 6

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Das Einzige, was der Reise nun noch im Wege stand, war Robins Vater. Noch hatten sie nicht mit ihm geredet, aber am nächsten Tag wollten Inés und Robin es beim Frühstück versuchen. Das würde nicht einfach werden, das war den beiden klar.

Und dann war es so weit. Alle zu viert saßen sie an dem runden Holztisch in der Küche. Der Vater begann zu erzählen, dass er am Nachmittag ins Nachbardorf müsse, um einem alten Freund zu helfen.

Nach ein paar Minuten begann Robin, das Thema zu wechseln: „Paps, du weißt, dass Inés nicht ewig hier bleiben wird, oder? Sie wird morgen aufbrechen, um ihre Tante zu suchen." Robins Vater blickte traurig drein, doch begann dann gleich wieder zu reden: „Das verstehe ich natürlich. Wir waren aber sehr glücklich, dich kennen gelernt zu haben, nicht wahr Robin?" sagte er mit einem zwinkern. „Außerdem bist du hier natürlich jederzeit willkommen und ich werde dir genug Proviant einpacken. Eines der Pferde sollst du auch bekommen und Pfeil und Bogen, es ist nicht sicher hier in den Wäldern..." 

„Paps! Vergiss das Atmen nicht!" Das sagte der Richtige. Ein Lächeln huschte über Inés' Gesicht. Doch es schwand wieder, als Robin begann seinem Vater zu erklären, dass er mitwolle. „Außerdem...war das nicht das Einzige, was wir dir sagen wollten. Sieh mal, Inés hat die letzten 12 Jahre in einer Hütte allein mit einer alten Frau gelebt. Allein ist sie da draußen vollkommen aufgeschmissen." 

Das war der Moment, in dem der Schmied zu verstehen begann. „Robin, du hast doch nicht etwa vor sie zu begleiten?!" Robin antwortete nicht, was die Befürchtung seines Vaters bestätigte. Kurz war alles still, doch dann begann Robins Vater wieder zu sprechen: „Hör zu Sohn, ich kann das nicht erlauben, so ehrenvoll es doch wäre. Ich habe bereits eure Mutter verloren, ich kann es nicht verkraften, auch noch dich zu verlieren." 

Robin brachte nur ein leises Bitte hinaus. Doch sein Vater machte ihm und Inés klar, dass es da keine Widerrede gab und verließ anschließend den Raum. Niedergeschlagen aßen die beiden ihr Frühstück auf. 

Als Inés gerade den letzten Schluck ihres Saftes austrank, durchbrach Robin mit fester Stimme die Stille: „Ich werde mitkommen! Ich lasse dich nicht allein da draußen." Einerseits wünschte Inés sich sehr, dass ihr neuer Freund mitkam, aber andererseits wollte sie auch auf keinen Fall daran schuld sein, dass Robins Vater seinen Sohn verlor. Nein, ihre Entscheidung war klar. Solange Robins Vater nicht zugestimmt hatte, würde sie allein aufbrechen. 

Dies versuchte sie Robin klarzumachen, was gar nicht einfach war. Er war ein ganz schöner Sturkopf, doch schließlich gab er klein bei und half Inés dabei, alles zusammenzupacken, was sie für ihre Reise brauchen könnte. 

Die beiden packten die Satteltaschen voll mit Proviant, einem Fernglas, einer Karte des Königreichs und einem kleinen Säckchen mit Münzen, das Robins Vater ihr geschenkt hatte. Außerdem kam eine Feldflasche voll Wasser hinein und natürlich die Seite mit dem Phönix.

Anschließend machten Inés und Robin sich auf zu dem Bogner im Dorf. Er war Robins Onkel, weswegen die beiden ihn schließlich davon überzeugen konnten, Inés einen Bogen und Pfeile zu schenken und ihr beizubringen, damit umzugehen. 

Es stellte sich heraus, dass Inés Talent hatte, denn schon beim fünften Versuch landete ihr Pfeil nah an der Mitte der Zielscheibe. Wenig später machten sie sich wieder auf den Weg zurück zur Schmiede, wo Robins Vater gerade etwas bearbeitete, das aussah wie ein kleines Schwert, einen Dolch, wie Robin Inés rasch erklärte. Am Abend fielen die beiden wie tot ins Bett.

Nach dem Frühstück am darauffolgenden Morgen gingen sie zum Pferdestall. Reiten konnte Inés, das hatte Adrania ihr schon früh beigebracht, auch wenn die Pferde hier ihr um einiges ruhiger erschienen als die Wildpferde mitten im Wald. 

„Das ist Juhne. Sie ist im Juni geboren, was Kreativeres ist mir nicht eingefallen." Inés mochte den Namen. Er hatte so etwas Fröhliches an sich. Robins Vater hatte am Morgen schon früh aufbrechen müssen, weswegen er sich schon am Abend zuvor wortreich von Inés verabschiedet hatte. 

Inés und Robin erwiesen sich als nicht sehr gut im Abschied nehmen. Inés lief eine Träne über die Wange, als sie auf Juhne stieg, und noch ein letztes Mal winkte. Dann ritt sie im Schritt durch die belebten Straßen von Orsilva. 

Plötzlich vernahm sie hinter sich eine nur allzu bekannte Stimme, Robins Vater. Und er redete mit niemand anderem als Robin, der ihr hinterhergeschlichen war. Inés stoppte ihre Stute und horchte. 

Das, was Robin gerade zu seinem Vater sagte, berührte sie sehr: „Paps, bitte versteh mich doch. Inés ist die erste Person in meinem Alter, die mich nicht hänseln oder gar verprügeln möchte. Im Gegenteil, sie ist meine Freundin und darum kann ich sie nicht allein in ihr Verderben reiten lassen. Ich möchte ihr helfen und du wirst mich nicht davon abhalten." 

Das, was der Schmied jetzt antwortete, erstaunte Inés genauso wie Robin: „Hör zu Robin, ich war gerade auf dem Weg nach Hause, weil ich zu einem Entschluss gekommen bin. Ich werde dich mit Inés gehen lassen. Es bringt nichts, wenn ich meine Kinder von allem fernhalte, denn du musst dein Leben leben. Nicht das, was dir jemand vorschreibt. Pass bitte auf dich auf, mein Sohn", man hörte, wie schwer es ihm fiel, Robin gehen zu lassen, doch es war das Richtige, das wusste er. 

„Danke Vater, ich verspreche, eines Tages werde ich zurückkehren und dich stolz machen." „Das hast du doch bereits, mein Sohn." 

In Inés' Augen hatten sich erneut Tränen gebildet. So sehr ihr es doch wehtat, dass Robins Vater nun ohne seinen Sohn würde leben müssen, umso mehr freute sie sich insgeheim, dass ihr Freund sie auf ihrer Reise begleiten würde.

Kind des FeuersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt