Freitagabend

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ODELA

„DELS!!! Wo bleiben die Schnitzel?"
Odela verdrehte genervt die Augen. Es war Freitagabend und die Gaststube der „goldenen Ecke", in der sie auf 400€ Basis arbeitete war bis unters Dach vollgestopft. Und natürlich war der Koch heute am faulen Fieber erkrankt! Konnte es noch schlimmer werden? Und als hätte das Schicksal sie gehört... wurde es selbstverständlich schlimmer! Ihr Chef, ein stets völlig überdrehter Mitfünfziger namens Harald steckte seinen Kopf durch die Küchentür, die Haare völlig zerzaust und jammerte: „Schneller, Dela, schneller! Wir haben jetzt noch mal einen achter Tisch reinbekommen! Es ist der Alpha... Der neue Alpha und seine Führungsgarde. Und Kim hat sich bereits nach Hause verabschiedet. Ich hab keine Ahnung, wie ich das schaffen soll..."
Odela lies den Pfannenwender sinken und sah ihn fassungslos an.
„Ganz ehrlich, Harald! Wie kannst du so dumm sein und Kim jetzt nach Hause schicken. Wir haben gerade mal 21:00 Uhr!"
„Du musst mir da draußen helfen! Ich schaff das alleine nicht." Die junge Frau fauchte und zog die qualmende Pfanne vom Herd. „Echt jetzt? Dir ist schon klar, dass ich im Moment die einzige in dieser Küche bin?"

„DEEEELAAAA...!" verzweifelt raufte Harald sich die bereits vom Kopf abstehenden Haare. Die Wanderin schnaubte sauer, knallte den Pfannenwender auf ihren Arbeitsplatz, riß ihre Schürze runter und marschierte an dem völlig panischen Chef vorbei. Sie packte den Kellnerblock, schraubte sich ein Lächeln aufs Gesicht und tänzelte durch die volle Gaststube zu dem großen Achter Tisch in der Ecke.
„Guten Abend... Herzlich willkommen in der goldenen Ecke. Kann ich euch schon was zu trinken bringen?" Mila hob strahlend lächelnd den Kopf und rief: „Heute haben wir einen perfekten Grund zum Feiern! Habt ihr irgendetwas in Richtung Prosecco da?"
„Wir hätten sogar Champagner da," grinste Dela.
„Uuuuuuh... Schampus!!! Wie sieht's aus, Nico? Ein bisschen Prickel-Wasser gefällig?"
Der angesprochene Mann verdrehte grinsend die Augen und murmelte: „Als hätte ich überhaupt irgendetwas in dieser Hinsicht zu sagen... Soweit ich weiß, machst du sowieso, was du möchtest!" Mila klatschte fröhlich in die Hände und rief: „Du sagst es, mein geliebter Alpha! Dann nehmen wir natürlich den Schampus!" Dean lachte leise und pikste seiner Gefährten sanft in die Seite. „Übertreib nicht, Liebste!! Wir wollen doch unseren Alpha nicht in die Armut stürzen!" Jace schnaubte abfällig und sagte mit leicht überheblichen Ton: „Jaaaa... Als ob das jemals passieren könnte!" Odela verdrehte die Augen. „Was?" Der jüngste Ellesedil zog die Augenbrauen hoch und musterte die hübsche Blondine. Harald wuselte rasch an Delas Seite und warf ihr einen mahnenden Blick zu. Für einige Herzschläge lang erdolchte die junge Frau den kleinen, überheblichen Angeber mit eisigen Blicken, dann setzte sie ihr süßestes Lächeln auf und flötete: „Ach, gar nichts... alles bestens!!!! Ich werde mal den Champagner holen!" Drehte sich schwungvoll um und marschierte wutschnaubend davon.

Himmel, was verabscheute sie solche arrogante Möchtegerns! Heiß aussehend und im Innern der Großkotz in Personalunion! Nein, danke! Mit solchen Typen wollte sie wirklich nichts zu tun haben. Leise vor sich hin maulend zog Odela die Flasche Moet Champagner aus dem Kühlfach und schob sie schwungvoll in einen Eiskühler. Harald kam in die Küche und starrte die junge Frau wütend an. „Was sollte das? Wolltest du den Alpha beleidigen?"
„Also zuerst einmal... Der Kleine ist nicht der Alpha! Und zweitens hab ich mich wirklich zusammen gerissen! Ansonsten hätte ich ihn vermutlich mit dem Kellerblock beworfen. Und dann die Flasche Sprudel hinterher um ganz sicher zu gehen, dass er seine vorlaute Klappe hält!" Harald japste und sein Gesicht nahm eine ungesunde rote Farbe an. Während Odela mit dem Sektkübel an ihm vorbeimarschierte, tätschelte sie ihm noch kurz den Arm und zwitscherte: „Atmen! Atmen hilft in der Regel, Harald."
Mit einer schnellen Hüft-Bewegung stieß sie die Schwingtür zum Gastraum auf und stiefelte los, den neuen Lieblingsgästen ihres Bosses mit dem falschesten Lächeln der Weltgeschichte den gewünschten Luxus zu servieren.
Und kaum hatte sie den Alpha Tisch bedient, öffnete sich die Tür erneut und die nächste Katastrophe marschierte in den Raum.
Ihre Mutter!
Dela stöhnte leise auf und lächelte dann zuckersüß, als sie sich zu ihr umwandte.
„Hallo Mama... Was kann ich für dich tun?"
Adelheid trat auf ihre Tochter zu und zupfte an ihre Kleidung herum. Dann strich sie ein paar Haarsträhnen aus den blauen Augen und seufzte leise. „Ach, Kind... Ist es denn so schwer? Dich ein wenig ansehnlich herzurichten? Speziell bei so hohen Besuch, den ihr da habt!"
„Mamaaaaa... Ich arbeite! Und nur für den Fall, dass du's nicht gemerkt hast: wir sind ziemlich unterbesetzt. Ich mach gerade Küche und Gastraum gleichzeitig. Also falls du mir nicht helfen möchtest, würde ich dich bitten mich weiter machen zu lassen. Ansonsten kann ich nämlich gleich einen Krankenwagen bestellen, um Harald einzuliefern... denn der ist nur noch etwa einen Millimeter von einem Herzinfarkt entfernt!"
Delas Mutter wedelte mit der Hand in ihre Richtung, entließ sie gnädig und wandte sich dann dem Alpha Tisch zu. Die junge Frau schloss kurz die Augen, atmete tief durch und stürzte zurück in die Küche, um die hungrige Meute weiterzubekochen. Harald hatte sich derweil von dem Schock erholt und trabte beleidigt in den Gastraum, um die Essensbestellung für den achter Tisch aufzunehmen.

———

Mit heftigen Kopfschmerzen begab sich Odela an diesem Abend in ihr Zimmer. Das war mal ein Abend so richtig für den Griff in die Tonne gewesen. Jedes Mal, wenn sie zwecks Bedienung in den Gastraum gestiefelte war, hatte dieser kleine Alpha Spross Junior Idiot irgendwelche dummen Sprüche über Blondinen von sich gegeben und ihre Mutter - die sich selbst an den Alpha Tisch eingeladen hatte - hatte gekünstelt darüber gelacht. Als sie dann mit ihrer Tochter nach Hause gegangen war, hatte sie ihr die ganze Zeit von dem schönen mächtigen reichen Alpha vorgeschwärmt und was er doch für eine Verbesserung zum Vorgänger sei. Dela schlug die Tür zu und schloss ab. Ihre Wölfin jammerte leise und schmiegte sich eng an ihre Seele, um sie zu trösten. Aber da konnte nur eine einzige Sache helfen... Die junge Frau ging zum Fenster und hüpfte einfach in die Tiefe. Kaum war sie im Wald, schlüpfte sie aus ihrer nach Wirtshaus riechender Kleidung und wandelte sich.

Wie immer überließ sie ihrem Seelentier die Kontrolle und zog sich tief in ihren Geist zurück, um endlich wieder zur Ruhe zu kommen. Die kleine goldene Wölfin trottete zunächst durch den Wald unschlüssig, wo sie hin sollte, doch dann begann sie eine bestimmte Richtung einzuschlagen. Normalerweise sprudelte die Kleine nur so voller Lebensfreude, doch heute wirkte das Seelentier seltsam gedrückt. Es war fast so, als würde ihr etwas fehlen... und ehe sie sich versah, fand sie sich vor einem großen, mehrstöckigen Haus wieder. Mit einem leisen Winseln schnupperte sie an der Tür und kratzte mit den kleinen Pfötchen am Türrahmen. Doch das Haus war dunkel... Niemand war zu Hause und die kleine Wölfin fühlte sich einsamer als je zuvor. Mit einem leisen, kläglichen Fiepen rollte sie sich neben der Treppe zusammen und dämmerte langsam ins Reich der Träume. Nur, dass es diesmal Albträume waren. Albträume von Dunkelheit und Kälte und Einsamkeit.

Zwei Stunden später fuhren die großen schwarzen SUVs in die Parkbuchten vor dem Haus und die Betas sprangen lachend raus. Dean hob seine angeschwipste Gefährtin in seine Arme und küsste sie auf die Schläfe.
„Ich hoffe, der Champagner hat dir geschmeckt, mein Liebling," kicherte er. Mila hickste leise, ihre Wangen waren rot und die Augen glänzend.
„NICO!" der scharfe Ruf von Chris weckte den Alpha aus seiner Versunkenheit und mit einem leisen Seufzer stieg auch er aus. Fragend sah er zu seinem ersten Beta hin, dieser deutete wortlos auf den dunklen Schatten neben der Treppe. Langsam breitete sich ein Lächeln auf Nicos Gesicht aus als er zu seinem Freund trat und auf die kleine goldene Fellkugel im Schatten der Treppe sah. Das leise, unglückliche Fiepen riss ihn allerdings aus seiner glücklichen Starre... mit zwei Schritten war er bei der kleinen Omega und hob sie behutsam hoch. Fast sofort ging die Kleine auf Tauchstation und schob das Köpfchen in sein Hemd hinein. Das sanfte, tiefe Schnurren des Alphas vibrierte in seinem Brustkorb und die Wölfin beruhigte sich zusehends. Lex hatte derweil die Tür geöffnet und macht eine auffordernde Bewegung ins Innere des Hauses. Mit einem glücklichen Lächeln schmiegte Nico sein Gesicht in das flauschige Fell... Sein Wolf gab zum ersten Mal an diesem Tag Ruhe und genoss es, sein süßes kleines Weibchen endlich in den Armen zu halten. Und dieses Mal hatte das Seelentier nicht vor sie wieder gehen zu lassen...

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