Mütter halt...

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ODELA

Es regnete...
‚Na, großartig. Da hat sich das Wetter ja meiner Stimmung angepasst,' dachte Odela, während sie aus dem Fenster sah. Dean hatte ihr viel zum nachdenken gegeben... die junge Frau spürte, wie sich ihre Wölfin nach Trost suchend an sie schmiegte. Ihr Seelentier war durch die Taten ihrer Mutter noch verletzter als sie selbst. Denn es hatte Adelheid ebenfalls zu seiner Familie gezählt und nun zu erfahren, dass Mama sie für ein Monster aus der Höhle hielt, hatte der Wölfin schwer zugesetzt.
Mila betrachtete Dela nachdenklich und fragte schließlich: „Dels? Willst du darüber reden?"
Die Omega schreckte aus ihren düsteren Gedanken auf und sah verwirrt zu der Delta hin. „Hm?" Die Frau seufzte und tauschte einen kurzen Blick mit ihrem Gefährten, dann wandte sie sich wieder an Odela. „Die Jungs haben dich schwer verletzt aufgefunden... Die Wunden auf deinem Körper, die Löcher in deinen Knien und Handgelenken... das alles muss doch von irgendwoher kommen."
Doch noch bevor Mila zu Ende gesprochen hatte, drehte die Omega sich wieder dem Fenster zu, um weiter in den Regen zu starren. Eine dunkle, kalte Stimmung ergriff immer mehr von ihr Besitz und zog sie in die Tiefe.
Wie konnte ihre Mama nur so grausam? Diese Frau hatte Dela großgezogen, war für sie da gewesen, wenn sie krank wurde... hatte schulische Erfolge gefeiert und persönliche Misserfolge bedauert... Adelheid war auf jede Art und Weise ihre Familie, außer im Blut.
Odela spürte nicht, wie Mila ihr besorgt eine Hand auf die Schulter legte und hörte die Worte der beunruhigten Delta nicht, sondern kapselte sich ab. Das hatte sie früher schon immer gemacht, wenn ihre Gefühle zu stark wurden um sie zu händeln. Dela hatte noch nie gut damit umgehen können und wusste nun einfach nicht, wie sie sich aus dieser Abwärtsspirale befreien konnte. 

Es lag eine stille Schönheit in der regenverhangenen Dämmerung, abwesend beobachtete die Omega die einzelnen Tropfen, wie sie an dem Fensterglas hinabliegen.
Auf diese Weise abgelenkt bemerkte sie nicht, wie sich die Haustür öffnete und mehrere Personen das Rudelhaus betraten. Und kurze Zeit später legten sich auch schon zwei starke Arme um sie, hoben sie hoch und drücken sie behutsam an eine warme muskelbepackte  Brust, die durch das Schnurren sachte vibrierte. Ihre Wölfin seufzte glücklich auf als sie den Duft des Alphas wahrnahm und schaffte es tatsächlich Odela dazu zu bringen, sich in Nicos Arme hineinzukuscheln. Der Mann legte eine Hand an ihren Hinterkopf, drehte sie leicht, so dass ihre Nase nun an seinen Hals gedrückt war. Dabei konnte die junge Frau ein zufriedenes Seufzen nicht unterdrücken. Während sie mit tiefen Atemzügen den beruhigenden Duft des Alphas in sich aufnahm, glitt ihre Hand zwischen den Knopfreihen des Hemdes hindurch und kam auf seiner nackten Brust zu liegen. Nico lächelte glücklich und begann liebevoll ihren Nacken zu kraulen. Sein Wolf war hoch zufrieden. Endlich lag sein Weibchen genau da, wo es hingehörte. Wo er es beschützen konnte...
„Ist sie das?" rief eine warme Frauenstimme aufgeregt und Odela wurde aus dem Frieden der Alphaumarmung gerissen. Immer noch zutiefst in ihren eigenen Gedanken und Erinnerungen verstrickt, sprang die junge Frau alarmiert auf und wich mit hektischen Bewegungen vor den Neuankömmlingen zurück. Mit einem wilden Blick suchte Dela hastig nach einem Fluchtweg, als sie keinen fand, straffte sie ihre Schultern und reckte das Kinn. Die Hände zu Fäusten geballt, mit schwerer Atmung stellte sie sich einer hübschen Frau mittleren Alters, die regelrecht durch das Zimmer auf sie zu flog und sie an sich zog. Dela versteifte sich, als die fremde Frau sie kurz darauf wieder von sich schob um sie genau anzusehen. „Göttin, was bist du doch für eine Schönheit. Oh, ich kann mir bereits die Welpen vorstellen, die du und Nico haben werdet! Deine Schönheit und die Stärke meines Sohnes, dazu die Intelligenz des Großvaters... das wird so wundervoll, ich kann es kaum erw.."
„Katharina...! Komm mal wieder runter und gib dem Mädchen etwas Raum zum Atmen!" sagte eine tiefe, ruhige Stimme, welche vor Macht nur so strotze. Es war diese Art von Stimme, deren Überzeugungkraft Millionen in einen ausweglosen Kampf folgen würden. Der Mann dem dieses Organ gehörte war ein wahrer Gigant. Damit war nicht allein die beeindruckende Größe von 2,20m gemeint, nein... die Ausstrahlung von Henry Ellesedil genügte, um absolut jeden um ihn herum in die Knie zu zwingen. Jetzt verstand Odela auch, warum dieser Mann der königliche Alpha war... er war schlichtweg eine Naturgewalt. Das war Katharina Ellesedil allerdings auch. Die Omega glich mit ihrem quirligen, überschäumendem Wesen die gelassene Ruhe ihres Gefährten wieder aus.

„Oh, Henry... lass mich doch! Sie ist großartig und sieh dir nur ihre stolze Haltung an... wann werdet ihr in den Gefährtenbund treten?"
Nico seufzte und rieb sich über die Stirn. „Mama? Ich liebe dich, darum versteh das jetzt bitte nicht falsch... halt dich hier raus und hör auf Odela so zu überfahren! Ich habe sie gerade erst wiederbekommen und möchte sie wirklich nicht durch meine zwar wohlmeinende, aber maßlos übertreibende Mutter vergraulen." Katharina sah perplex drein, dann wanderte ihr schuldbewusster Blick zu Dela hinüber.
„Ach, herrje... das tut mir so leid! Ich wollte doch nicht... bitte verzeih... es ist nur so, dass Nico ein Alpha in den besten Jahren ist und er..."
„Katharina..!"
Nicos Mutter sah zu ihrem Gefährten, der sie mit einen verschmitzten Lächeln an seine Seite zog. Henry legte eine Hand auf seine Brust, neigte den Kopf und sagte: „Odela..? Bitte entschuldige den Überfall. Meine Gefährtin kann in ihrem Enthusiasmus hin und wieder übers Ziel hinausschießen."
„Schon gut," piepste die junge Frau eingeschüchtert etwa zwei Tonlagen höher als gewohnt und suchte unwillkürlich Schutz an Nicos Seite. Der schloss kurz die Augen, während ein Lächeln über sein Gesicht glitt. Er legte ihr den Arm um die Schultern und küsste sie zärtlich auf die Schläfe. Dela sah ihn verwirrt aus großen blauen Augen an.
Verdammt... warum war das Leben auch so kompliziert? Erst der ganze Mist mit ihrer Mutter, dann Nicos Eltern und jetzt begann sie sich auch noch zu dem Alpha hingezogen zu fühlen!
Aaargh... sie brauchte keinen Kerl! Männer bedeuteten nur Ärger... SIE WOLLTE AUCH KEINEN KERL! Selbst wenn er so fantastisch roch, so stark und liebevoll war, so attraktiv...
Verdammt... sie steckte echt in Schwierigkeiten!
Und just als Dela dachte, es könne nicht mehr schlimmer werden, klingelte es an der Haustür und nachdem Jace - der mal wieder zum Türsteher degradiert worden war - geöffnet hatte, rauschte Adelheid Schuster mit dem falschesten Lächeln der Weltgeschichte herein und rief: „Oh, Gott... Odela, mein Liebling!! Da bist du ja... Ich habe mir solche Sorgen gemacht!! Geht es dir gut, mein Schätzchen?"
Jepp... Dela wusste, dass sie vorhin einfach hätte im Bett bleiben sollen!!!

OdelaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt