Eine Frage der Gerichtsbarkeit

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ODELA

Nach dieser Enthüllung herrschte Schweigen.. Odela sah mit tränenverhangenen Augen zu Jace. Natürlich wusste sie, warum er ihre Mutter verpfiffen hatte. Seine Treue galt dem Alpha... er hatte ihr und vor allem Adelheid gegenüber keinerlei Verpflichtungen. Trotzdem bohrte sich das Gefühl des Verrates tief in Dela hinein und nicht einmal das sanfte Schnurren von neun Alphawölfen konnte den Eispanzer um ihre Seele aufbrechen. Die Lunas hingegen hatte es buchstäblich umgehauen und die vier  Frauen hingen mit glasigem Blick und einem leicht grenzdebilen Lächeln in den Seilen. Die hochschwangere Emma hatte sich in ein Sofakissen hineingeschmust und kraulte manisch und vollkommen geistesabwesend die daneben stehende Zimmerpalme. Alia war an der Wand herabgesunken und streichelte felsenfest davon überzeugt, ihre Welpen auf dem Schoß zu haben einen Holzscheit aus dem (der Göttin sei dank -  kalten) Kamin und Mia aus dem Sauerland war rechtzeitig von ihrem Gefährten Rafael Schwarzholm aufgefangen worden, bevor sie in den Kakteen auf der Fensterbank landen konnte. Katharina saß indessen auf dem Boden, die Welpen Emma und Elias an die Brust gedrückt und versuchte ihren Gefährten klar ins Visier zubekommen, während sie ununterbrochen lallte, dass sie unbedingt und schnellstmöglich ebenso süße Enkelwelpen haben wollte.

Mitten in dieses Szenario platzen die Betas und sahen sich kurzfristig verwirrt um. Sam schüttelte mühsam ihren Kopf, um sich von dem Einfluss des Schnurrens zu befreien und massierte sich dann stöhnend die Schläfen. „Göttin!!! Genug! Da kann Frau ja nicht mal mehr ihre eigenen Gedanken hören!" maulte die Beta schließlich. Gabriel Schwarzholm lachte leise und klopfte ihr mitfühlend auf die Schulter. „Nee, mal im Ernst! Lass das Geschnurre bitte einmal, wenigstens für ein paar Minuten - wir haben was raus gefunden! Und... Oh, Göööööttin! Ich... kann mich... nicht .. konzentrieren, wenn..." Sam ging in die Hocke und wurde von ihrem Bruder Sascha gerade noch so aufgefangen. Der lehnte seine Schwester an den Türrahmen, steckte sich kurzerhand die Finger in die Ohren und erhob seine Stimme, um sich Gehör zu verschaffen.
„IM ERNST!! Hört bitte für einen Moment auf! Zumindest alle bis auf einen, damit wir funktionstüchtig bleiben!"
Die Alphas vom Ruhrgebiet, Sauerland und dem Rheinland hoben grinsend die Hände und auch Henry Ellesedil hörte auf, so dass nur noch Nico mit Odela im Arm den beruhigenden Klang erzeugte.
Mit hochgezogenen Augenbrauen ließ Grinsebäckchen Sascha die Hände sinken und machte sofort seinem Spitznamen alle Ehre. „Na, das geht doch!" strahlte er, langte nach unten, packte Sam und zog sie schwungvoll auf die Beine. Diese schüttelte schnaubend die Benommenheit ab und funkelte ihre beiden Alphas anklagend an. „Echt jetzt? Das Rumgeschnurre musste von allen neunen kommen? Warum gebt ihr dem Rudel nicht gleich Valium intravenös? Hat den gleichen Effekt!!!" Sascha pieckste seiner kleinen Schwester mahnend in die Seite und sagte dann: „Wie auch immer... wir haben den Schützen erwischt. Es ist.." „...Odelas Mutter" fuhr Jace dazwischen. „Wissen wir schon. Ich hab sie abdrücken sehen... war zu weit entfernt um den ersten Schuss zu verhindern, hab mir dann den zweiten eingefangen. Der Göttin sei dank entstamme ich einer Alphalinie und die Lady war zudem eine miserable Schützin. Sonst wäre unser Blondinchen jetzt tot. Und ich nebenbei auch..."

Die Blicke der Anwesenden richteten sich nun wieder auf die blonde Omega in Nicos Armen. Doch es war schließlich Nico der sagte: „Bringt Odelas Mutter her... unverletzt!" Dann setzte er das Schnurren und sanfte hin und her Wiegen seines Weibchens fort. Die Betas neigten kurz respektvoll den Kopf und machten sich schnellstmöglich vom Acker. Erneut kehrte Ruhe ein bis Henry sich räusperte und dann leise fragte: „Odela... Kleines... ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie du dich fühlen gerade musst. Weißt du, warum deine Mutter geschossen hat? Könnte es eine Verwechslung gewesen sein?" Jace schnaubte abfällig, doch sein Vater warf ihm einen scharfen Blick zu und gebot ihm zu schweigen.
Delas Stimme war leise und merkwürdig flach als sie dem königlichen Alpha antwortete: „Sie gibt Wandlern die Schuld an ihrem verkorksten Leben. Der Ex Alpha der Eifel hat sie schwer abgefahren, als sie schwanger war. Sie hat das Baby und die Möglichkeit je wieder schwanger zu werden verloren. Ihr Ehemann hat sie dann sitzen lassen und ne jüngere geheiratet... Mama hasst Wandler mit jeder Faser ihres Wesens und hält unsere inneren Wölfe für Ausgeburten der Hölle..."
Der große Mann, dessen Arme Dela zärtlich hielten erstarrte, als er begriff.
„Sie war es, nicht wahr? Sie hat dich so übel zugerichtet!" Odela begann zu weinen und nickte kaum wahrnehmbar. Ihre Wölfin wimmerte verzweifelt und schmiegte sich enger an die Seele ihres Menschen.
„Sie sagte... sie... sie sagte, das Dämonenvieh müsste aus.. ausgetrieben werden. Dafür muss meinen Körper geschwächt werden..."
Die anwesenden Wandler knurrten voller Wut und in ihren Augen schimmerten die Wölfe durch.

Katharina unterbrach das Wutknurren der Männchen und fragte mit so sanfter Stimme wie möglich: „War es nur deine Mutter allein oder...?" Odela schüttelte den Kopf. „Nein.. ihr alter Schulfreund war mit von der Partie. Ein ekelhafter, fummelnder Schmierlappen, mit dem meine Mutter mich verkuppeln will... Lieber krepier ich, bevor ich dieses widerliche Stück Misthaufen je wieder Hand an mich legen lasse!!!"
Mit einem Mal saß die blonde Omega nicht mehr auf Nicos Schoß, sondern wurde von Alia und Katharina weggezogen. Henry, Grayson und Gabriel hielten den jungen Mann gegen das Sofa gepresst und redeten beruhigend auf ihn ein. „ER HAT SIE GEGEN IHREN WILLEN ANGEFASST!!! DER MENSCH IST TOT! ICH WERDE IHN LANGSAM IN KLEINE STÜCKE SCHNEIDEN!!!!" Nicos Stimme war so tief, dass sie kaum zu verstehen war. Der Wolf verlangte nach Blut. Dieser wertlose Mensch hatte es gewagt, SEIN Weibchen zu betatschen! Damit hatte er sein Todesurteil unterschrieben und die Mutter...? Die konnte sich mal direkt neben den noch lebenden toten Hurensohn legen.

Odela sah geschockt zu Nico. Sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Noch nie hatte ein Mann so auf sie reagiert... und auch wenn sie nichts gegen aufgespießten Schmierlappen hatte, was würde mit ihrer Mutter passieren? Oh, Gott... würden sie Adelheid auch töten? „Nein!" schrie Dela verzweifelt auf und wehrte sich gegen die Hände der beiden Omegas, dann stürzte sie sich auf Nico und tauchte unter den zugreifenden Händen von Gray hindurch. Die junge Frau prallte gegen die muskelbepackte Brust des Alphas und packte panisch nach seinem Hemd um sich festzukrallen.
„Bitte... Ich weiß, dass du meine Mama bestrafen willst. Sie für das, was sie mir angetan hat, töten willst... ein Teil von mir will das doch auch... Aber ... aber sie ist trotzdem noch meine Mutter! Bitte... ich... bitte..." Odela brach in herzzerreißendes Schluchzen aus und presste den Kopf unter sein Kinn. Mit einem Ruck befreite sich Nico aus den Griffen von Henry und Gabriel, hob die kleine Omega auf den Arm und trug sie in eine ruhige Ecke, das Gesicht in den blonden Locken vergraben wiegte er sie wie ein Baby auf und ab. Langsam beruhigte Dela sich und kuschelte sich mit geschlossenen Augen schnuppernd an seine Brust.
Nach einigen Minuten Stille wurde draußen wütendes Gezetter laut und widerwillig löste Odela sich von Nico. Ein, zwei Herzschläge lang sahen sie sich tief in die Augen, dann strich der Mann ihr sachte eine Haarsträhne hinters Ohr und hauchte ihr einen Kuss auf den Mundwinkel.
Die Betas Chris und Ace brachten die wütend schreiende und hasserfüllte Beschimpfungen ausstoßende Adelheid ins Wohnzimmer und hielten sie sicher fest.
„ICH WUSSTE ES!!! ICH WUSSTE, DASS DU WIEDER HIER BEI DEN ANDEREN HÖLLENMONSTERN BIST!!! ICH HÄTTE DICH NIEMALS AUFNEHMEN DÜRFEN! DU EKELHAFTES VIEH!!!"

„Genug!"
Nico hob nicht einmal die Stimme, doch seine Alpha-Aura war so gewaltig, dass Adelheid augenblicklich verstummte. Odela barg ihr wieder tränenüberströmtes Gesicht an seinem Arm und Nico schloss kurz die Augen um sich zu sammeln. Dann fuhr er fort: „Du hast eine Omega gequält und gefoltert. Das allein bedeutet ein Todesurteil in unserer Rechtssprechung. Doch du bist die Mutter meiner gewählten Gefährtin und sie liebt dich trotz allem was du ihr angetan hast. Daher werde ich dich nicht töten..."
Dela sah ihn sprachlos an... ihre blauen Augen voll Unglaube. Wie? Kein Todesurteil? Ihre Mama würde verschont werden?
Nico lächelte die junge Frau liebevoll an und wandte sich dann an Lex. „Ruf die Polizei. Wir übergeben Odelas Mutter der menschlichen Gerichtsbarkeit!"

OdelaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt