Kapitel 4

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Immerwieder wanderte Háwines Blick über die Krieger der Rohirrim. Nochimmer hoffte er, die letzte Nacht war nur ein böser Traum gewesenund sein Bruder würde gleich auf Arod neben ihm her reiten, so wieer es immer tat. Doch wusste er, dass er seinen Bruder und nun auchsein Pferd niemals wieder sehen würde.

„Auchwenn es mir leid tut Arod weggegeben zu haben, war es doch die besteEntscheidung. Du könntest ihn nicht ewig mit dir führen und ineinem Stall wäre er auch nicht glücklich gewesen. Er hätteirgendwann einen neuen Reiter bekommen. Und wenn wir wirklichversehentlich ihre Freunde erschlugen, so war es das mindeste was wirtun konnten." Háwine nickte nur. Er wusste, dass es für Arod dasBeste war. Und auch wenn er nicht viel über Elben wusste, so wussteer doch, dass sie gut mit ihren Tieren umgingen. Es wurde sogarbehauptet, dass sie mit den Tieren sprechen konnten. Er hoffte, dasses so war und das Arod mit seinem neuen Herrn glücklich sein würde.Es musste einfach so sein. Er musste daran glauben.


Dennochwar er traurig darüber nun auch Arod verloren zu haben. Denn wieÉomer sagte: Er war das letzte was ihm von seinem Bruder gebliebenwar. Nun war er wirklich alleine. Alleine und einsam, trotz dervielen Krieger, welche ihn umgaben.

Zuerstmusste er mit ansehen wie seine Mutter geschändet und getötet wurdeund auch seinen Vater verlor er in der selben Nacht. Er konnte sichglücklich schätzen, dass es Holdwine gelungen war Éomer zuüberreden ihn trotz seines jungen alters aufzunehmen. So hatte erimmerhin noch einige wenige Jahre mit seinem großen Bruderverbringen können. Holdwine. Es würde noch lange Zeit schmerzenwenn er an ihn dachte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass esjemals anders sein würde. Es war gänzlich ungewiss, ob er in diesemKrieg überhaupt noch lange überleben würde. Jeder konnte dernächste sein. Vielleicht wäre es sogar besser, wenn er ebenso wiesein Bruder fallen würde.

Vielleichthatte Gamdor sogar recht. Es wäre wohl wirklich besser gewesen, wenner statt seines Bruders gefallen wäre. Dann müsste er diesenSchmerz nicht mehr ertragen müssen. Schnell blinzelte er dieaufkommenden Tränen weg. Nun war es eben so, dass er am Leben undsein Bruder gefallen war. Daran konnte er nichts ändern. Er musstejetzt stark sein, wollte vor den übrigen Kriegern nicht schwacherscheinen. Vor allem Gamdor würde das ausnutzen und sich, wie sooft, über ihn lustig machen und ihn verhöhnen. Dabei hatte er sichdoch schon so oft bewährt. Er hatte sogar Gamdor einmal das Lebengerettet. Vielleicht war es aber auch gerade dies, weswegen er ihmgrollte. Gerettet von einer halben Portion, wie er stets zu sagenpflegte. Doch auch daran konnte er nichts ändern. Er war, wie ereben nun einmal war.

Wiederschweiften seine Gedanken zu dem blonden Elben. Háwine hatte anseinem Blick, an seiner Reaktion sehen können, dass er seinGeheimnis erkannt hatte. Es hatte nur eines Blickes bedurft und derElb hatte gesehen, was kein anderer der Krieger sehen konnte. UndHáwine war ihm dankbar dafür, dass er keinen Ton gesagt hatte.

Nochein Grund mehr, weswegen er ihm Arod mit gutem Gewissen anvertrauthat.

„Esist keine Schande um deinen gefallenen Bruder zu trauern." wurde ervon Éomer erneut aus seinen Gedanken gerissen. Éomer war die Trauerum den Verlust seines Bruders deutlich ins Gesicht geschrieben. Dochvor ihm hatten die Männer Respekt. Er konnte sich so etwas erlauben.Háwine jedoch wollte keine Schwäche zeigen, konnte es sich nichterlauben. Trotzdem nickte er Éomer zu und richtete seinen Blickschließlich wieder in die Ferne. Ihm durfte nicht noch einmal etwasentgehen. Er durfte nicht noch einen Fehler begehen.

Erärgerte sich noch immer darüber, dass er die drei Fremden übersehenhatte. Dabei hätte ihm dieses ungleiche Dreiergespann doch sofortins Auge springen müssen. Vielleicht war es aber auch ein elbischerZauber gewesen, welcher sie vor seinen sonst so wachsamen Augenverborgen hatte. So nahm sich Háwine vor diesen Elben einmal danachzu fragen, sollte er ihm je wieder begegnen.


Diesemerkwürdige Begegnung war nun schon einige Tage her. Tage in denensie nur noch einer kleinen Gruppe Orks begegnet waren. Es waren nichteinmal ein dutzend gewesen. Es hatte nur wenige Momente gedauert, dawaren sie auch schon alle tot, auf einem Haufen geworfen undverbrannt.

Háwinehatte den ersten tödlich getroffen und einen weiteren mit seinemSchwert erschlagen. Doch hatte er dabei nichts gespürt. KeineGenugtuung, keine Erleichterung, nicht das schwarze, klebrige Blut,welches ihm ins Gesicht spritzte. Einfach nichts.

Nurdes nachts, wenn Ruhe im Lager einkehrte und er die erste Wacheübernahm, da spürte er die Einsamkeit und die Trauer in sichhochsteigen.


Einweiterer Morgen brach an. Nur langsam wich die Dunkelheit dem neuenTag, da erkannte Háwine in der Ferne etwas weißes auf sichzukommen. Da er sowieso nicht mehr schlafen konnte, hatte er sichentschieden, auch die letzte Wache zu übernehmen. Schnell kam derweiße Fleck näher und der junge Krieger konnte schon bald einen, inweiß gekleideten, Reiter auf einem weißen Pferd erkennen. Schnellrannte er zu Éomer, um diesen zu wecken. Hektisch mit den Armenrudernd zeigte er in die Ferne und rannte dann zu seiner Stute,welche auf den Namen Morn hörte, um diese zu Satteln. Da erkannteÉomer, dass sich jemand oder etwas näherte und weckte seine übrigenKrieger mit lautem rufen. Schnell waren sie alle auf den Beinen undsaßen ebenso schnell in den Sätteln ihrer Pferde.

Háwine,der lange vor den anderen Krieger los geritten war, um dieaugenscheinliche Gefahr zu bekämpfen, näherte sich schnell demweißen Reiter und stellte sich diesem in den Weg.

Dochehe er gänzlich bei dem Fremden angekommen war, zügelte er seineschwarze Stute, hatte er doch erkannt wer da auf ihn zu geritten kam.

Es gabwohl kaum jemanden in Mittelerde der Gandalf nicht kannte. So blieber nun vollends stehen und nickte dem Zauberer zu.

„Esfreut mich, dass ihr eure Beobachtungsgabe wiedererlangt habt,Háwine." sprach der Zauberer ihn an. Dessen Augen weiteten sicherschrocken. Denn er war Gandalf nie vorgestellt worden. Lediglichaus der Ferne hatte er ihn mal gesehen. Damals in noch friedlichenZeiten. War es möglich, dass er auf Aragorn, Legolas und Gimligetroffen ist? Fragend sah er zu dem Zauberer auf, war er doch selbstzu Pferd um einiges größer als er selbst.

„Ichsoll euch ausrichten, dass es Arod gut ergangen ist. Doch für mehrist nun, fürchte ich, keine Zeit." sprach der Zauberer, als hätteer Háwines Gedanken gelesen. Dankbar nickte er dem weißen Reiter zuund wendete sein Pferd. Háwine hob seinen Arm als Zeichen, dasskeine Gefahr drohte. Denn nun waren auch die restlichen Krieger beiihnen angekommen.


„MeinHerr Éomer." sprach Gandalf auch schon, sobald die Schar inHörweite kam. „Es tut mir Leid, wenn ich Euch nicht angemessenbegrüße, doch bleibt dafür keine Zeit. Théoden euer Königersucht Euch und eure Krieger um Hilfe. Eine große StreitmachtUruk-hai ist auf dem Weg nach Helms Klamm. Der König und alleanderen, die sich haben retten können, haben dort Schutz gesucht.Wenn wir ihnen nicht zur Hilfe eilen, dann sind nicht nur sie, dannist ganz Rohan verloren."

Esdauerte nur wenige Sekunden bis Éomer auch schon antworte: „Dannwollen wir den König nicht warten lassen. Rohirrim, wir ziehen inden Krieg." Laute, zustimmende Rufe waren die Antwort. „Erzähltmir alles Unterwegs."

Damitsetzten sich die Krieger in Bewegung.

Sieritten so schnell wie die es den Pferden zumuten konnten. An derSpitze ritt Éomer in der Mitte. Gandalf zu seiner rechten und linksvon ihm ritt Háwine.

Und soerzählte Gandalf, dass er zunächst auf die drei Gefährten traf undmit ihnen nach Edoras ritt. Er berichtete, dass er Saruman aus demGeiste des Königs vertreiben konnte, von dem Rauswurf Grímas unddem Aufbruch nach Helms Klamm vor einigen Tagen. Éomer warerleichtert darüber, dass es seiner Schwester gut ging, doch währtediese Freude nur kurz. Denn auch sie befand sich in Helms Klamm. Undwenn es wahr war, dass eine riesige Armee in kürze vor dessen Torenstehen sollte, dann war seine Schwester auch dort in Gefahr.

Soritten sie Stunde um Stunde. Machten nur rast, wenn die Pferde einePause brauchten. Sie ritten bis tief in die Nacht hinein, bis sieschließlich doch ihr Lager aufschlugen. Denn die Pferde warenhungrig und müde. Einige Stunden mussten sie nun rasten, damit siedie Krieger am nächsten Morgen die Schlacht würden tragen können.

Wie das Leben so spielt - Herr der Ringe - Éomer ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt