Kapitel 21

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„...der Tod."

Éomer ließ seinen Blick über die anderen anwesenden Krieger schweifen und sah in jedem Gesicht pure Entschlossenheit.

„Wenn das eurer Urteil ist, dann soll es so sein. Morgen Mittag wird der Krieger Gamdor, durch das Schwert den Tod finden. Ich danke euch allen. Für euren Rat und eure Hilfe in dieser Angelegenheit. Ich erwarte euch morgen eine Stunde vor der Mittagszeit wieder hier."

Damit entließ er die Krieger aus der Halle. Die Krieger verneigten sich vor Éomer, ehe sie alle nach draußen traten.

Einige Stunden später, die Sonne verschwand bereits hinterm Horizont, war Éomer auf dem Weg zu Háwena. Am liebsten wäre er schon vor Stunden bei ihr gewesen, doch gab es noch einige Dinge vorzubereiten. Leise klopfte er an ihrer Tür. Als er keine Antwort erhielt, öffnete er diese einen Spalt breit und sah in den Raum. Háwena saß in ihrem Bett und sah aus dem Fenster. Sie hatte ihn wohl nicht gehört. Da sie aber wach war, betrat er das Gemach. In seinen Händen trug er einen Korb mit Essen. Sie hatte den ganzen Tag noch nichts zu sich genommen. „Háwena?" sprach er sie mit ruhiger Stimme an und trat an sie heran. Da sie noch immer nicht reagierte, berührte er sie sachte an der Schulter. „Nicht!" stieß sie angsterfüllt aus und wich vor ihm zurück. Sie wich immer weiter vor ihm zurück, bis sie schließlich aus dem Bett fiel. „Háwena!" rief er erschrocken aus. Sofort stellte er den Korb ab und lief um das Bett herum. Besorgt kniete er sich zu ihr und wollte ihr aufhelfen. Doch bei seiner nächsten Berührung reagierte sie noch heftiger als zuvor. „Nein!" schrie die Schildmaid ängstlich und schlug um sich. Damit sie ihn und vor allem sich selbst nicht verletzte, hielt er ihre Hände fest, zog sie schließlich an seine Brust und hielt sie fest in seinen Armen.

„Scht. Háwena, es ist alles in Ordnung. Beruhige dich. Alles wird gut. Niemand wird dir etwas tun. Ich bin bei dir. Du bist sicher." sprach er leise auf sie ein. Noch immer auf dem Boden kniend, streichelte er ihr beruhigend über ihren Rücken. „Éomer?" hörte er ihre leise Stimme. „Ja, ich bin da. Ich passe auf dich auf." sprach er wieder so sanft, wie er nur konnte. Es tat ihm in der Seele weh sie so zu sehen. „Komm, der Boden ist kalt." sprach er leise, hob sie auf seine Arme und ging mit ihr zum Bett. Eigentlich wollte er sie nur auf dem Bett absetzen, doch hatte sie sich so fest an ihn geklammert, dass er es nicht übers Herz brachte, ihreHände von ihm zu lösen. Also setzte er sich selbst auf das große Bett und lehnte sich mit dem Rücken an das dessen Kopfende, mit der Schildmaid auf seinem Schoß. Dabei hörte er nicht auf, über ihren Rücken und über ihren Kopf zu streicheln. Er spürte, wie sie sich allmählich entspannte. Ihren Kopf hatte sie noch immer an seiner breiten Brust gebettet. Er musste zugeben, dass er es genoss, wie er hier mit ihr saß. Doch wünschte er sich, die Umstände wären andere.

Eineganze Weile sagte niemand der beiden Krieger ein Wort. Die eine Schutz suchend, der andere Halt gebend, saßen sie einfach zusammen auf dem Bett und genossen die Anwesenheit des jeweils anderen.

Dochirgendwann durchbrach der zukünftige König wieder die Stille:

„Du musst etwas essen Háwena. Den ganzen Tag hast du noch nichts zu dir genommen." Zunächst dachte er, sie hätte ihn erneut nicht gehört oder dass sie eingeschlafen wäre, als er schließlich doch ihre leise Antwort vernahm.

„Ich habe keinen Hunger."

Leise seufzte Éomer. Er konnte es ihr ja nicht einmal verdenken. „In Ordnung. Doch musst du wenigstens etwas trinken. Bitte." Anstatt zu antworten rückte sie noch weiter an ihn heran und klammerte sich noch fester als zuvor an ihn.

„Ich werde so lange hier bleiben, wie du möchtest, falls das deine Sorge ist."

Obwohl dies alles gerade nicht zum lachen ist, so konnte Éomer ein leichtes schmunzeln nicht verbergen. Er hatte dieses Wesen auf seinem Schoß, als den selbstlosen Krieger Háwine kennengelernt, dann als diemutige Schildmaid bewundert. Doch dies war eine ganz andere Seite an ihr. So verängstigt und hilflos sie auch gerade wirkte, so süß fand er ihr Verhalten auch. Nie hätte er gedacht, dass sie sich mal Halt suchend an ihn klammern würde. Unwillkürlich zog er sie noch etwas fester in seine starken Arme.

„Du bleibst hier?" erklang erneut ihre leise Stimme. „So lange wie du es möchtest." war seine schlichte, aber ehrliche Antwort. Und in diesem Moment wusste er, würde sie es wollen, würde für immer an ihrer Seite bleiben.
Er löste einen seiner Arme von ihr und verlagerte etwas sein Gewicht, um nach dem Korb zu greifen, welchen er vorhin neben dem Bett abgestellt hatte und stellte ihn nun auf dem Bett ab.

„Ich habe hier einen Korb mit Speisen, Wasser und Wein, wenn dir danach ist. Zumindest etwas Wasser solltest du zu dir nehmen. Möchtest du?"
Er musste nicht lange warten, als er ein zögerliches nicken an seiner Brust spürte.
„Wasser oder Wein?" wollte er von ihr wissen. Er wollte ihre Stimme hören. Wollte, dass sie sprach und sich nicht weiter zurück zog.
„Wein, bitte." kam dann ihre verzögerte Antwort.

Etwas Umständlich öffnete er die Flasche mit dem Wein und füllte einen Becher. „Soll ich ihn dir einflößen oder willst du lieber selber trinken?" So wenig wie möglich, doch so viel wie nötig, entfernte sich die junge Frau von dem stattlichen Krieger und griff mit einer leicht zitternden Hand nach dem Becher Wein. Die andere Hand klammerte sich noch immer an den Stoff Éomers Tunika. Zögerlich nahm sie erst einen kleinen Schluck. Schließlich nahm sie einen weiteren und schon Bald war der Becher geleert. „Möchtest du noch einen Becher Wein?" fragte Éomer erneut, worauf, Háwena wieder nickte. Auch diesen Becher hatte sie recht schnell geleert, doch einen weiteren wollte sie nicht. Wieder lehnte sich die Schildmaid an den Kriegern, der sie noch immer in seinen Armen hielt.

„Hat Holdwine einmal mit dir über den Tod unserer Eltern gesprochen? Weißt du was damals geschah?"
Éomer,welcher etwas überrascht war, dass sie auf einmal Sprach und dann dieses Thema wählte, verneinte daraufhin.

„Etwa fünf Jahre ist es her, als es geschah. Unser Dorf wurde damals von Menschen aus Dunland überfallen. Holdwine war damals schon einige Jahre fort. Als wir bemerkten was geschah, war es schon zu spät um zu fliehen. Meine Mutter beschützte mich. Sie versteckte mich hinter einem Wandteppich." Háwenas Stimme brach und sie musste sich kurzsammeln, ehe sie fortfahren konnte. „Sie kamen in unser Haus. Es waren drei Männer. Meine Mutter ging mit einem Schwert auf sie los, doch hatten die Männer sie schnell entwaffnet. Dann, dann fielen sie über sie her. Einer nach dem anderen hat sich an ihr vergangen. I-Ich, ich war wie erstarrt. W-war nicht imstande mich zu bewegen. Ich habe alles mitangesehen. Habe ihre Schreie gehört. Doch habe ich ihr nicht geholfen. Als sie mit ihr fertig waren, da haben sie sie getötet. Und dann, dann kam Vater in unser Haus. Er schaffte es einen der Männer zu töten. Doch dann haben sie auch ihn umgebracht. Und noch immer war ich nicht in der Lage mich zu bewegen." Éomer spürte wie sie immer stärker zitterte und hörte ihr leises schluchzen. Wieder begann er damit über ihr Haar und über ihren Rücken zu streichen. Hörte einfach nur zu und war für sie da.

„Heute, als Gamdor. Als er kam um mich zu holen. I-ich hatte solche Angst. All die Bilder spielten sich von neuem vor meinem inneren Auge ab. W-wieder hörte ich die Schreie m-meiner Mutter und sah meine Eltern erneut s-sterben. I-ich h-habe sie damals i-im Stich ge-gelassen. I-ich h-hätte ihnen h-helfen m-m-müssen. D-doch ich w-war wie er-erstarrt." Éomer zog sie noch etwas fester in seine Arme, wollte ihr den Halt geben den sie gerade brauchte. Noch immer zitterte sie, während sie leise weinte und immer wieder schluchzte.

„Es war nicht deine Schuld. Du hättest nichts machen können. Dich hätte das selbe Schicksal wie deine Mutter ereilt. Und es hätte sie nicht retten können. Ich bin mir ganz sicher, dass deine Eltern froh sind, dass du am Leben bist. Und mit Sicherheit kann ich sagen, dass sie stolz auf dich sind. Wärst du damals gestorben, dann hättest du Edoras nicht retten können. Wärst du damals gestorben, dann würde auch ich, sowie viele andere, nicht mehr auf dieser Erde wandeln. Weil du damals überlebt hast, hast du vielen anderen das Leben gerettet. Es sollte so sein. Und ich bin froh darum, dass du lebst. Und ich verspreche dir, ich werde dich beschützen." Noch immer zitterte die Schildmaid. Ihre Tränen hatten schon lange seine Tunika durchweicht, doch störte es ihn nicht. „Danke, dass du mit mir darüber geredet hast. Danke für dein Vertrauen." flüsterte er ihr leise zu.
„Éomer? W-würdest du heute Nacht bei mir bleiben?" fragte ihn die Schildmaid schüchtern.
„Ich werde bei dir bleiben, so lange du möchtest." sagte er sanft und küsste ihre Stirn.

Und wenn ich darf, dann für immer. Dachte sich Éomer und schmiegte seine Wange an ihr Haar.

Wie das Leben so spielt - Herr der Ringe - Éomer ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt