Parasiten

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Die Reise von Seattle nach Forks verlief für die restlichen Mitglieder der Garde relativ Ereignislos. Jane ignorierte den leisen Wort Austausch zwischen Felix und dem Tracker, die darüber spekulierten, ob Audrey sich am Ende verlaufen würde oder diesen Auftrag den Jane ihr erteilt hatte wirklich schaffen würde. 


Ein Großteil der Konversation zwischen den Vampiren drehte sich allerdings darum, was genau Caius und die anderen Meister mit ihnen anstellen würden, sollte Audrey wirklich verloren gehen. Denn vor dem Antritt dieser Reise hat Caius sich klar ausgedrückt dass er die Vampirin in einem Stück und wenn möglichst unversehrt wieder in Volterra sehen möchte. Und niemand wollte sich ungewollt mit dem Meister anlegen. 

Doch musste Jane sich jetzt Gedanken um eine eventuelle Sicherheitslücke machen? Sollte sie ihre Zeit in der sie überlegen könnte,wie genau man die Armee nachdem erfüllen ihrer Existenz ausschaltet, mit Sorge um Audrey verschwenden? So ein Blödsinn. Auch wenn Audrey als fehlgeschlagenes Ergebnis des Verwandlungsprozesses galt, so war sie durchaus in der Lage einen Auftrag wie diesen auszuführen. Demetri hatte es selbst gesagt und die jüngere Vampirin war so verharrt darauf, dass sie sich beweisen wollte - warum sollte man ihr diese Chance verwehren?


Ein Hauptgrund war, dass Jane Ruhe vor diesem Mädchen haben wollte, dass durch ihre kindliche Art und Weise die Reise etwas verzögert hatte. Jane hätte es verstehen können, wenn es eine Neugeborene wäre, und die Welt das erste mal mit den vollständigen Vampir Sinnen wahrnehmen kann. Aber Audrey war, laut Caius bereits seit mehreren Jahrzehnten ein Vampir und kannte die Welt außerhalb der Schlossmauern seit einigen Stunden - mittlerweile seit einigen Tagen und man sollte meinen, dass sie sich an die neuen Eindrücke gewöhnt hatte. Jane sah das Mädchen mit der eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit als - Last an. 


Sie war nicht der Babysitter eines misslungenen Experiments. Es war pure Absicht gewesen, da sie Kenntnis darüber hatte, wie sehr Audrey es sich wünscht endlich beweisen zu können und so war es ziemlich vorhersehbar gewesen, dass die Blondine nicht zögern würden, sobald sie eine Auftrag bekommt.


War es selbstsüchtig von Jane? Absolut. Konnte sie sich nun auf die Überlegungen rund um die Vampir Armee konzentrieren? Nein. Hm - das war eigenartig. Sie hatte die volle Leere und fast anhaltende Stille, die durch das Getuschel von Demetri und Felix zerstört wurde - warum war es ihr nicht möglich sich auf das Wesentliche zu konzentrieren?

Jane strich sich eine gelockerte Haarsträhne hinter Haar und ihre roten Augen fixierten stur und leicht genervt über diese Untätigkeit ihrerseits den Waldweg vor sich. Das Mädchen spürte den Blick ihres Zwillingsbruders Alec auf sich, reagierte allerdings noch nicht darauf. Es ist war das Zwillinge eine ganz besondere Bindung und Beziehung zueinander haben. 


Sie verstehen sich oft ohne Worte und spürten wenn es dem anderen schlecht ging. Aber das war bei Jane nicht der Fall. Ihr ging es hervorragend und sie würde sich nun verdammt noch mal auf die Zerstörung der Vampir Armee konzentrieren. Denn sollte diese Forks erreichen würde den Einwohnern ein Chaos bevor stehen, mit welchem der Tag des letzen Gerichts nicht einmal hätte mithalten können.


Einige Stunden später war Jane nicht sonderlich schlauer - die Garde war allerdings ihrem Ziel etwas näher und zwischen Forks und der Armee lag nur noch einige Meilen. Und was hatte die kaltherzige Vampirin mit der freien Zeit gemacht? Über Audrey nachgedacht und wie sie naiv zwischen die Waffe und dem erbärmlichen Menschen gesprungen ist - um Jane ihr unsterbliches Leben zu retten. Und wie ihre roten Augen, die doch so auffällig heller als das normale rot der Vampiraugen waren sie dabei angeschaut haben - als würde sie ein Dankeschön für diese lächerliche Aktion erwarten. 


Was hatte dieses Kind sich denn nur dabei gedacht? Eine Kugel konnte einem Vampir ebenso wenig etwas anhaben wie ein Kreuz oder Weihwasser. Es waren alles Ammenmärchen und selbst die Sonne ließ sie nicht in Schmerz aufschreien und sie zerfiel zu einem Haufen Asche. Warum hatte die Tochter von Meister Caius also so fixiert darauf, ihr Leben zu retten?


Jane verstand das die Jungs sie wahrscheinlich nach ihr suchen geschickt haben, da sie etwas gebraucht hatte und somit nicht zur vereinbarten Zeit wieder beim Treffpunkt aufgetaucht ist. Aber wo die jüngere Vampirin eine Gefahr sah, dadrin sah Jane eine schwache Person die es nicht verdient hatte zu leben. Und sie musste sich nicht von etwas jüngerem das Jahrzehnte lang vor dem Rest des Volturi Zirkels geheim gehalten wurde - beschützen lassen. Und vor allem sollte Jane sich nicht weiter Gedanken über diese hellen roten Augen die mit Loyalität und Neugier gestrahlt haben ablenken lassen.

Warum sie wohl Goldregen in ihrem Blutkreislauf gehabt hatte und dann verwandelt worden war von einem unbekannten Vampir? Wie lange hatte Caius diese Situation in der herunter gekommenen Wohnsiedlung beobachtet und weshalb hatte er sich dazu entschieden Audrey mit nach Volterra zu nehmen. Glaubte er, dass tief in ihr drin eine Gabe stecken könnte wegen den besonderen Umständen der Verwandlung? Hatte es einen tieferen Sinn, dass ihre Gedankengänge und ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich um das jüngere Mädchen kreisten?

Hatte Audrey sie nicht bei der aller ersten Begegnung als Sterntaler Mädchen bezeichnet? Heidi hatte ihr davon damals erzählt und Jane hatte nur genervt die Augen verdreht. Ihr war das Kindermärchen natürlich ein Begriff, aber was hatte sie bitte mit einem Mädchen gemeinsam, dass Goldtaler in ein altes Nachthemd geschenkt bekommt? Vielleicht war es, je nachdem wie man die Umstände betrachtet und welchen Aspekt Audrey damit ansprechen wollte, auch die äußerliche Erscheinung, die sie jenen Vergleich hatte ziehen lassen. Auf den meisten Darstellungen dieses Märchens hatte das Mädchen blonde Haare.

Audreys Haaren waren nicht ganz in dem Glanz gehüllt, den ein Vampir nach der Verwandlung bekommt - sie wirkten gut und gepflegt aber dennoch menschlicher - zerbrechlicher und nicht so glanzvoll wie Janes eigene Haare. Wenn sie so darüber nachdachte, wirkte Audrey wie eine schlampig gestaltete Puppe für Kinder. Der Erfinder hatte sich nicht die Mühe gegeben das Einzelstück zu vollende und es war ihm egal gewesen ob es das Endergebnis glücklich machte oder nicht.

"Ist alles in Ordnung Schwester? Du wirkst sehr in Gedanken" - Jane nahm die Stimme ihres Bruders war, während die Garde einen breiten Fluss überquerten und Sekunden später den Waldboden unter ihren Füßen spürten. Sie nickte nur, blickte weiterhin stur gerade aus und deutete den Jungs, mit einem leisen Zischen in ein normales Tempo zurück zu fallen.

Ihr Bruder brauchte sich keine Sorgen wegen etwas zu machen, was irrelevant und nicht da war. Sie sorgte sich nicht um Audrey und ob sie irgendwo in Seattle verloren gegangen war oder gar hatte raus finden können, wie der Zusammenhang zwischen dem Lederjacken tragenden Vampir , deren Anführer oder Anführerin und der Armee aus Vampiren ist. Es wäre zwar schlecht wenn Audrey nicht auftauchen würde - da sie dann einen Umweg nehmen müsste und nach ihr suchen könnten - aber darauf hatte Jane so gar keine Lust. Sie wollte nicht noch mehr Zeitverschwendung und vermisste ihr zu Hause in Italien jetzt schon. Hier in Forks war es einfach zu...kalt.

So sehr sie es aber auch versuchte, ein kleiner Teil ihrer Konzentration kreiste und drehte sich weiterhin um Audrey. Es war als hätte dieser Teil ihres Denkens ein paar üble Parasiten eingenommen - und die würden auch in einigen Minuten ganz bestimmt nicht daran denken, zu verschwinden.

Und Jane hasste Parasiten abgrundtief.

GoldregenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt