›27‹

365 30 0
                                    

"Das hast du nicht verdient", sage ich, als Derrick darüber nachdenkt, meine Hand zu nehmen, während wir auf dem Weg zum Reservat sind.

"Ich nehme mir, was ich haben möchte, Kleines", raunt er dann über meine Schulter, als er sich etwas zu mir herunter lehnt.

Ich bin diejenige, die voran läuft, während die anderen mir folgen und ab und zu mal miteinander sprechen, doch die Stimmung zwischen uns allen ist so seltsam, seit Nael uns alles erzählt hat.

Auch Nael, Magnus und ein weiterer Junge folgen uns, doch ich weiß nicht, was ich zu ihnen sagen sollte.

"Da widersprichst du deinen Taten, mein Liebster. Immerhin hat es dich viele Wochen gebraucht, dich an den Gedanken zu gewöhnen, dass du mich nicht mehr loswirst", argumentiere ich zickig.

Vorhin, als ich mich für den heutigen Nachmittag vorbereitet habe, hat er mich keine einzige Sekunde aus den Augen gelassen und alles beobachtet, was ich gemacht habe.

Er hat dabei nichts gesagt, doch sein Blick hat auf mir gebrannt, als wolle er mir die Kleider wieder vom Leib reißen, die ich kurz davor erst angezogen hatte.

Isaac läuft einen Schritt schneller, stolpert fast und schlingt dann seine kleine Hand um zwei meiner Finger, ehe er unbekümmert neben mir herläuft.

"Ich könnte mir auch genau jetzt nehmen, was ich haben will", sagt er total unbekümmert und macht damit auf seine Gedanken aufmerksam.

"Derrick!", knurre ich schockiert und versuche die rote Farbe in meinem Gesicht zu ignorieren, doch er lächelt vor sich hin, während ich ihm einen finsteren Blick nach hinten werfe.

"Auch, wenn ihr gerade in einem ziemlich seltsamen Hassliebe-Streit seid, könnt ihr euch gerne auch etwas zusammenreißen", murmelt Magnus hinter uns, weshalb ich kurz zur anderen Seite meiner Schulter sehe und ihn im Augenwinkel betrachte, wie er grimmig neben Nael herläuft.

"Danke für den Hinweis, aber ich rede dann doch lieber so mit meiner Frau, wie ich es für richtig halte", gibt Derrick ernst zurück, während er einen Funken von Wut verspürt.

"Gib mir einfach deine Hand und bring dich auf andere Gedanken!", zische ich etwas genervt, doch eigentlich möchte ich nur nicht, dass Derrick sich mit meinem Bruder anlegt, den ich selber noch nicht einschätzen kann.

Ich greife stürmisch nach Derricks Hand, verschränke unsere Finger miteinander und laufe dann weiter, während Isaac dann sofort beginnt, mir von seinem letzten Traum zu erzählen.

Ich lausche meinem Cousin unglaublich aufmerksam, als ich plötzlich etwas Seltsames wahrnehme.

"Was ist?", fragt Derrick sofort besorgt, als ich zum Stehen komme und mich umsehe.

Es war ein kurzes Gefühl von Vertrautheit und ein einziger vertrauter Geruch, den ich noch nicht so oft gerochen habe, ihn aber sofort wiedererkannt habe.

Plötzlich erkenne ich, was ich gespürt habe und drehe mich sofort um, ehe ich den Jungen betrachte, den ich nicht kenne.

Es war der Wind, der diesen Geruch herangezogen hat und mich darauf aufmerksam gemacht hat.

Seine Braunen Augen flitzen fast schon panisch von mir zu Nael und dann zu Magnus, ehe er wieder zu mir sieht und einen unbeholfenen Schritt zurückweicht.

"Ich dachte nicht, dass du so dumm bist, Nael", sage ich und fixiere den Jungen mit meinen schilfgrünen Augen.

Langsam lasse ich von Derricks Hand ab, lege beide meiner Hände über Isaacs Ohren und sehe die drei ernst an.

"Wenn er ihn erkennt, und das wird er tun, dann ist er innerhalb von Sekunden bloß noch ein zerfleischtes Häufchen Elend", sage ich flüsternd, damit Isaac mich nicht versteht, während er verwirrt zu mir nach oben sieht.

"Ich konnte ihn nicht alleine lassen. Lass mich das mit ihm einfach machen und du kümmerst dich darum, dass deine Leute meinem Jungen nicht den Kopf abreißen", gibt er zurück, während alle, abgesehen von Derrick, der Zugang zu meinen Gedanken hat, keinen blassen Schimmer haben, wovon wir hier sprechen.

"Ich bin mir nicht so sicher, ob sie das überhaupt in Betracht zieht", kommentiert Derrick dann und greift wieder nach meiner Hand, was dem Jungen einen ängstlichen Laut entlockt, den er sofort versucht zu verstecken, aber kläglich daran scheitert.

"Wie kannst du immer so ruhig bleiben? Ich will unbedingt wissen, wovon sie da spricht", sagt Micah hinter uns, als Derrick mich weiter in die Richtung des Reservats führt.

"Wenn es um Derrick geht, habe ich schon lange aufgehört zu fragen. Ist irgendwie zur Angewohnheit geworden", erklärt Felicia mit einem kleinen kichern.

Dann tut Nael das ganze Gespräch jedoch als unwichtig ab und schon gehen wir den Rest bis zum Reservat in einer unheimlichen Stille, die meine Gedanken und Gefühle plötzlich unfassbar laut wirken lässt.

Einige Meter weiter, ist Natalia gestorben, was in diesen Teil des Waldes einen wiedererkennbaren Geruch in den Platz gebrannt hat, der nicht zu verwechseln ist.

Wer hätte gedacht, dass Nael wirklich so dumm ist und den Jungen mit sich bringt, der die Kontrolle über sich verloren und Natalia zerfleischt hat?

Ich hatte jedenfalls nicht damit gerechnet, doch mit Sicherheit werde ich Jason nicht aufhalten, wenn er es bemerken sollte.

Jason wird es früher oder später bemerken und er wird den Jungen angreifen, doch sterben lassen, werde ich den Jungen nicht.

Er ist ein Kind, welches bloß die Kontrolle über sein inneres Tier verloren hat.

The Alpha GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt