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Bevor ich die Tür jedoch öffne, wird erneut geklingelt.

Und erneut und erneut und erneut, bis ich die Tür endlich aufziehe und in ein bekanntes Gesicht blicke.

Die braunen bekannten Augen sehen mich besorgt an, ehe sie näher kommt, meine Hand von meinem Gesicht löst und sich meine blutende Nase ansieht.

Sofort darauf ertönt ein tiefes Knurren aus der Küche, während ich die Frau vor mir schockiert betrachte.

Doch ich lasse es geschehen.

Kenneth kommt näher, wirkt völlig zornig und außer Kontrolle, doch sobald ich ihn neben mir spüre, greife ich mit meiner linken Hand nach seinem rechten Arm und streiche sanft mit meinem Daumen über seine Haut.

Es dauert einen Moment, doch Kenneth scheint sich davon etwas zu entspannen, während ich die Frau vor mir weiterhin verwundert betrachte.

"Du bist in einer schlechteren Verfassung, als wir angenommen hatten", ertönt dann ihre zarte Stimme, als sie mich einfach wieder loslässt und einen Schritt zurück macht, um mein Gesamtbild zu betrachten.

"Nicht mehr so dünn wie damals, aber doch zu dünn für deinen Zustand. Dein Körper kämpft dagegen an, Liebes. Du solltest nicht so weit von ihm entfernt sein", erklärt sie, während meine Hand an dem Arm des Jungen hinab wandert, bis ich meine Finger mit seinen verschränke.

"Er hat meine Anwesenheit nicht verdient", sage ich harsch, während ich meinen rechten Arm erneut hebe und das Blut nun von meinen Lippen wische.

Die Frau vor mir atmet frustriert aus.

"Du bist genauso stur, wie es deine Mutter war. Das einzige, was du damit erreichen wirst, ist euer gemeinsames Ende", sagt sie dann und verschränkt beinahe schon frustriert die Arme vor der Brust.

Dann atmet sie aber erneut tief ein und laut wieder aus, ehe sie neben mich blickt.

"Wer ist denn der kleine Welpe?", fragt sie dann und sieht Kenneth etwas genauer an.

Inzwischen habe ich keinerlei Zweifel mehr, dass diese Frau der übernatürlichen Welt angehört.

Um ein einfacher Mensch zu sein, ist sie einfach viel zu scharfsinnig.

"Nael hat ihn aufgenommen. Magnus ist der Meinung, er sei nicht fähig, zu lernen", sage ich, ehe ich von dem Jungen ab lasse und mich umdrehe.

"Also habt ihr alle zueinander gefunden? Das freut mich", kommt es von der Frau, während die Tür ins Schloss fällt.

"Sie hätten mir sagen können, dass sie von all dem wissen", sage ich ernst und laufe zurück in die Küche.

"In einem Supermarkt? Liebes, das gehört sich nicht. Außerdem hat mir meine Alpha befohlen, niemals ein Wort darüber zu verlieren. Es sei denn, die Personen sind bereits eingeweiht", erklärt sie, was mich sofort zum Stoppen bringt.

Ganz langsam drehe ich mich zu ihr um und betrachte sie ernst, als mir ein Eintrag der Tagebücher meiner Mutter wieder in den Sinn kommt.

"Nach dem Tode eines Alphas ist der Bann gebrochen", sage ich und habe jeden einzelnen Buchstaben direkt vor meinen Augen.

Ich blicke der Frau vor mir direkt in die braunen Augen und ziehe die Brauen fest zusammen, während in meinem Kopf alle möglichen Dinge umherwandern, die ihre Worte verzweifelt versuchen zu rechtfertigen.

Zunächst wirkt sie etwas schockiert, doch dann lächelt sie und nickt.

"Und dir ist dabei nicht in den Sinn gekommen, dass eine wahre Alpha alles andere als der Norm entspricht?", fragt sie, während sie die Arme vor der Brust verschränkt.

Daran habe ich definitiv bereits gedacht, doch in letzter Zeit ist es schwer, alle Fakten gleichzeitig im Kopf zu behalten.

Verzweiflung breitet sich in mir aus.

"Wie zum Teufel mache ich einen Befehl rückgängig?", frage ich eher an mich selbst gewandt, als an mein Gegenüber.

Wütend schmettere ich das Papier aus meiner Hand in das Waschbecken und fahre mir mit den Fingern durch mein weißes Haar.

"Warum nimmst du den Befehl nicht einfach zurück?", fragt die Frau vor mir, als ich meinen Kopf hängen lasse.

Ein ironisches Lachen entkommt meinen Lippen.

"Wie kommt es, dass Sie einfach auftauchen, sich über meine Verfassung auslassen und dann auch noch Vorschläge machen, die überhaupt keinen Sinn ergeben? Wäre ich hier, wenn ich nicht so unglaublich verzweifelt wäre? Ich habe diesen Befehl nicht ausgesprochen. Außerdem ist die Person kein Wolf mehr", sage ich wütend und spüre, wie mir immer schwindeliger wird, je mehr ich mich aufrege.

Sofort greife ich fester um die Arbeitsfläche, ehe Kenneth plötzlich neben mir auftaucht und mich zu stützen versucht.

Geschwächt kneife ich einige Male die Augen fest zusammen, ehe ich sie langsam wieder öffne und mein Gegenüber betrachte.

Sie wirkt besorgt.

"Du musst zu ihm, Liebes. Ihr werdet sterben und das kleine Leben in dir, ist noch nicht bereit dazu", sagt sie, was mich eigentlich wundern sollte, doch bei dieser Frau, wundert mich gerade überhaupt nichts mehr.

"Ich kann nicht", sage ich schwach, ehe ich mir von Kenneth um die Theke und auf einen Stuhl helfen lasse.

"Lass mich alle Karten offen auf den Tisch legen, Liebes", beginnt die Frau nun.

Inzwischen sitze ich neben ihr, während ein Lehrer Stuhl zwischen uns steht.

"Nael hat mich darum gebeten, nach dir Ausschau zu halten, falls du hier auftauchen solltest."
Sofort sehe ich sie mit großen Augen an, weil ich definitiv nicht gebrauchen kann, dass einer von ihnen hier auftaucht.

Sie hebt jedoch beschwichtigend die Arme in die Höhe.

"Er weiß von nichts. Weder von deinem Aufenthalt noch von deinem kleinen Geheimnis mit den Ruinen", versichert sie mir und lässt mich genervt aufatmen, als sie mir entblößt, dass sie auch weiß, wo ich Silas hingebracht habe.

"Ich war diejenige, die euch zur Welt gebracht hat, Kleines. Ich war diejenige, die sicher gegangen ist, dass ihr am Leben bleiben könnt. Deine Mutter war meine Alpha, aber auch meine beste Freundin. Ich war ihr Plan B", erklärt sie mir, was mich sofort überrascht.

The Alpha GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt