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Mein Herz schlägt so laut und so feste gegen meine Rippen, dass alle mich besorgt ansehen, doch ich starre nur vor mich.

Derrick hat nicht das Bewusstsein verloren, weil er plötzlich so schwach ist.

Er ist plötzlich so schwach, weil er den Hass, die Wut und die restlichen negativen Emotionen von seinen Liebsten ertragen musste.

Nicht, dass es normalerweise schlimm wäre, diese vielen Emotionen von so vielen verschiedenen Menschen zu spüren, doch diese Emotionen gelten in diesem Falle nur ihm.

Jetzt verstehe ich, was Danny vorhin meinte.

Ganz langsam sehe ich nach links und betrachte Derrick, welcher ebenfalls einfach vor sich hin starrt.

Derrick weiß davon.

Er weiß, warum er kaum noch Kraft hat und trotzdem sagt er nichts dazu.

Weil er weiß, dass er all diesen Hass verdient hat.

Jedenfalls denkt er, er hätte es verdient.

Derrick wurde krank, als ich ihn an diesem Tag von mir gejagt habe, doch schlimmer wurde es noch, weil seine Familie dasselbe mit ihm getan hat.

"Was für ein Grund habt ihr, Derrick so zu behandeln?", frage ich, ohne meinen Blick von ihm zu lösen.

Er hebt für einen winzigen Moment bloß die Augen, bis er bemerkt, dass ich ihn ansehe und schon hebt er den Kopf vollständig, um mich zu betrachten.

"Machst du Witze?", fragt Felicia mich mit ihrer zarten Stimme.

Unglaublich langsam löse ich meinen Blick von Derrick und sehe zu Felicia.

Meine Miene ist vollkommen ernst und meine Gedanken auf nur eine Frage fokussiert.

"Sieht definitiv nicht so aus", kommentiert Asher beiläufig.

"Was meinst du mit dieser Frage? Er hat eine unschuldige Frau umgebracht", argumentiert sie so, als würde sie mich nicht verstehen können.

"Nicht das erste Mal, dass Derrick ein Leben nimmt, Feli", kommt es von Danny, doch das ignoriere ich fürs Erste.

"Das Problem ist, dass die Frau unschuldig war!", kommt es nun lauter von ihr, was dafür sorgt, dass Isaac sich sofort zu ihr umdreht und Rosa tut dasselbe.

"Die Frau hat das Leben von drei Leuten an meines gebunden. Darunter dein Seelenverwandter und auch dein Bruder."
Ich verschränke die Arme vor der Brust und sehe weiterhin ernst zu ihr.

"Ich bin so unglaublich wütend auf ihn, weil er mir mit dieser Tat bewiesen hat, dass er wirklich nicht davor zurückschrecken würde, meinen Bruder oder meinen Vater zu opfern, um seine Familie zu retten. Was hast du für einen Grund?", frage ich sichtlich wütend über all das.

Die Wut staut sich immer mehr in mir an, was dazu führt, dass ich aufstehe und meinen Stuhl zurück an den Tisch schiebe.

"Er hat dich davor bewahrt, zwei deiner liebsten Menschen hinterherzutrauern und du dankst es ihm, indem du ihn deinen Hass spüren lässt? Derrick hatte genug damit zu kämpfen, dass er meine Gefühle hat spüren müssen. Und ihr? Ihr habt nicht nur eurer Familienmitglied enttäuscht, sondern euch auch gegen euren Alpha gestellt", erkläre ich wütend.

Ich muss mir tatsächlich ein Knurren unterdrücken.

Langsam löse ich meine Arme vor der Brust und lasse sie an den Seiten meines Körpers hinab fallen, was dazu führt, dass ich wieder von seinem Pullover verschlungen werde.

"Ihr solltet euch schämen", sage ich noch, ehe ich den Raum und auch das Haus verlasse.

**

"Du hast ein tolles Rudel hier, Liebes", kommt es von Yennefer, welche einige Vorbereitungen für das kommende Ritual trifft.

Ich kann kaum nachvollziehen, dass es wirklich so einfach gehen kann und wir nichts davon wussten.

Mir entkommt ein spöttisches Lachen.

"Die meisten in diesem Rudel vertrauen nicht darauf, dass jemand wie ich die wahre Alpha ist. Sie vertrauen nicht auf meine Fähigkeiten. Und mit meiner Familie ist es ziemlich schwierig", sage ich, während ich mich in dem Keller ein wenig umsehe.

Die Zeit, die ich hier verbracht habe, fühlt sich inzwischen schon so an, als wäre es Monate her.

Doch das liegt wahrscheinlich nur an den vielen Ereignissen der letzten Wochen.

In Gedanken versunken, nehme ich den Mondstein in die Hand und starre ihn förmlich an.

Wenn man es genau nimmt, ist alles nur meinetwegen geschehen.

Ich habe Silas mit diesem Stein das Gen genommen und uns so viele Probleme bereitet.

Außerdem ist meine Existenz als die wahre Alpha überhaupt erst der Grund dafür, dass all das geschehene so geschehen ist, wie es ist.

Wenn ich damals etwas mehr darum gekämpft habe, niemals bei Micah einziehen zu müssen, oder mit Silas einfach weggeblieben wäre...

Natalia wäre noch am Leben und Silas wäre niemals so geworden.

Wie kann ich in so wenigen Monaten mehrere Leben zerstört haben, nur weil ich falsche Entscheidungen getroffen habe?

Plötzlich legt mir jemand die Hand auf die Schulter, was dazu führt, dass ich schreckhaft zusammen zucke.

Als ich jedoch über meine Schulter sehe, entdecke ich mehrere bekannte Gesichter, die mich alle besorgt betrachten.

"Du hast nicht reagiert, als wir dich angesprochen haben", erklärt Derrick ziemlich zurückhaltend, was überhaupt nicht seine Art ist.

Langsam sehe ich nach unten und betrachte seine Hand, welche noch immer auf meiner Schulter ruht.

Er scheint meinen Blick jedoch falsch zu interpretieren und zieht die Hand sofort zurück.

"Ich war nur in Gedanken", sage ich und realisiere plötzlich, dass ich meine Hand fest zur Faust geballt habe.

Sofort lockere ich meinen Griff und sehe zu Yennefer.

"Bekommst du die Vorbereitung alleine hin?", frage ich sie vorsichtig.

Sie hebt eine Braue und lacht amüsiert auf.

"Ich bin Yennefer..."

"Ich weiß, ist mir klar", unterbreche ich sie, als ich realisiere, dass sie mir dieselbe Leier wieder auftischen wollte.

Dann atme ich tief ein, werfe ihr den Mondstein zu und gehe an den vielen Leuten vorbei.

Ich habe nicht einmal bemerkt, dass sie hier heruntergekommen waren.

The Alpha GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt