Kleine Steine, Schmutz und getrockneter Rattenkot knirschten unter seinen Stiefeln. Flüsternd klapperten die letzten verbliebenen Fensterläden eines ehemaligen Lagerhauses weit hinten am äußeren Rand der Hauptstadt. Das Licht der Vormittagssonne kämpfte sich tapfer durch Lücken zwischen Brettern, die vor Fenster und Durchgänge genagelt worden waren. Es kroch durch krumme Dielen, vorbei an eingestürzten Treppen und über längst vergessene, aufgebrochene und ausgeräumte Stapel umgestürzter Kisten. Überall tanzten Staubkörner in der Luft und schimmerten silbrig im Halbdunkel des verlassenen Gebäudes.
Ein Glänzen strich über den glatt polierten, von sorgsam gearbeiteten Symbolen bedeckten Lauf eines schlanken Gewehrs. Der Mann der es hielt, legte es an und warf einen prüfenden Blick darüber hinweg. Hohe Gestalten mit der Statur breiter Schränke, zuckten erschrocken aus seinem Weg.
„Es ist nicht geladen! Idioten...", zischte ein schmaler Mann seinen breitschultrigen Handlangern zu und schüttelte den Kopf.
Rikkon setzte es wieder ab und legte es zurück auf den Tisch neben eine Sammlung ganz ähnlich gravierter Säbel, Pistolen und anderer kleiner Kriegswerkzeuge.
„Selbst geladen nutzt es mir so nicht viel. Die Magie darauf ist nicht aktiviert."
„Natürlich nicht." Der Waffenhändler ließ ein schräges gelbes Grinsen über seine Züge ziehen. „Weil es direkt aus einer der Fabriken kommt. Alles, was du tun musst ist eine der Hexen in euren Reihen dazu zu bringen die Zeichen zu aktivieren und ihr habt Waffen, die so gut sind wie die der Gendarmen und Soldaten. Nein, besser!"
Die Augenbrauen anhebend verschränkte Rikkon die Arme vor der Brust und legte den Kopf zur Seite.
„Und auf einmal willst du wissen, dass ich Reihen habe? Und Hexen die darin herumspringen?"
Der Mann vor ihm schnaubte ungeduldig und rollte mit den Augen. „Willst du die Ware oder nicht?"
„Sicher nicht für den Preis den du verlangt hast, wenn ich erst noch eine Hexe auftreiben muss, die den wichtigsten Teil der Arbeit übernimmt."
„Kleiner, tu nicht so als wärst du in der Position noch verhandeln zu können. Jeder weiß, dass ihr am Ende seid und die Waffen mehr braucht als..."
Er stockte. Allerdings nicht, da Rikkon entschieden hatte das spöttische Plappern in gebrochene Zähne zu verwandeln. Lautes Poltern hastig eilender Schritte war zu hören und ließ jeden aus der kleinen Gruppe aufgeschreckt in dieselbe Richtung blicken.
„Die Gendarmen!", brüllte eine bullige kleine Frau ihre panische Warnung. Einen Moment später knallte ein Schuss und schlug irgendwo krachend in alte Balken.
Wie Ratten die eben noch zusammengesessen und an dem Kadaver eines toten Tieres geknabbert hatten, stoben die zwielichtigen Gestalten ganz plötzlich bei der Ankunft größerer Raubtiere auseinander. Allerdings war die Stadtwache in ihren violetten und schwarzen Uniformen ganz ähnlich flink. Sie erschienen kaum einen Augenblick später und trampelten über die alten Dielen. Der Dreck des Bodens wirbelte auf. Ein braun grauer Schleier legte sich wie Nebel in die Luft und kroch kratzend in Nasen und Münder. Wildes Schreien war zu hören. Mündungsfeuer knallte aus Gewehren und das Zischen einer Hexe die ihre Magie dazu verwendete den Boden in Wellen zu werfen und die fliehenden Gestalten über die eigenen Füße stolpern zu lassen.
Auch Rikkon taumelte. Er stolperte gegen eine Wand, fiel zum Teil hindurch und als er sich wieder daraus befreien konnte, packte ihn einer der Gendarmen, um ihm den Arm auf den Rücken zu drehen. Keuchend stemmte er sich gegen den unbarmherzigen Griff des Gesetzes.
„Schnappt euch den Rest!" Der Befehl des Mannes hinter ihm hallte in seinen Ohren. „Ich kümmere mich um den hier."
Sofort eilten sie davon und verschwanden im schmutzigen Nebel und dem Krachen und Schlagen der Verfolgungsjagd.
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Die Legenden alter Lügen
FantasyFür gewöhnlich blieben jene die starben, auch tatsächlich tot. So sah auch sie es immer - die Hexe die das Land ins Chaos stürzte als sie entschied sich aufzulehnen. Sie starb einsam und frierend voller Reue. Oder zumindest ging sie davon aus, denn...