25 - Lüge und Wahrheit

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...Einst...

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„Ihr lügt!", fauchte sie dem König entgegen und riss ihren Degen wieder in die Höhe. Blaue Flammen leckten inzwischen über die Klinge und ließen ihren Schein über die von Ruß geschwärzten Wände tanzen. Das kleine Mädchen hinter ihm schnappte erschrocken nach Luft und schluchzte während sich große Tränen unter ihren zugekniffenen Liedern vorbei zwangen.

Ioannes Finger zitterten. Sie wusste, dass er alles sagen würde, um sein Leben zu retten. Vielleicht sogar das seiner Tochter, wenn er tatsächlich menschlich genug dafür war. Und bisher, hatte sie ihn nie für besonders menschlich gehalten. Es war einfach die Art, auf die sie ihn alle betrachtet hatten. Fast alle.

„Es ist die Wahrheit!", keuchte er und stolperte einen Schritt zurück. „Ich habe bereits mehrere Boten geschickt die Nachrichten trugen, in denen ich auf Friedensverhandlungen hoffte. Aber du hast sie alle abgelehnt und zurück geschickt mit weiteren Drohungen."

Seine Lügen waren plump. Von Frieden, hatte sie in seinen Briefen nie gelesen. Stets waren es nur herablassende Herausforderungen gewesen. Verpackt in Floskeln und die Behauptung eines eventuellen Waffenstillstandes. Sie hatte die Worte den Hexen, genauso wie den Gefangenen Soldaten vorgelesen. Jeder wusste, dass der König den Krieg noch weiter in die Länge zog. Nun tat er so, als hätte sie ihn all die Zeit nur falsch verstanden. Als hätte sie einfach nur die falschen Nachrichten bekommen. Andere.

„Mein eigenes Volk hält mich für einen uneinsichtigen Tyrannen!" Diesmal brüllte er. Die Hände des Mannes, dessen Portrait immer so selbstgefällig auf sie herab gesehen hatte, zitterten und Angst glänzte in seinen Augen. Angst, Wut und eine Verzweiflung, wie sie sie bisher nur im Blick anderer Hexen gesehen hatte.

Ioanne glaubte ihm nicht. Weshalb hätte sie. Sie war sein Tod, das wusste er und deshalb sagte er alles, so wahnsinnig es auch zu sein schien. Doch eigentlich, hatte Ioanne nicht das erste Mal den Gedanken, das irgendetwas nicht ganz richtig war. Mehr und mehr war die Macht der Rebellen gestiegen und sie hatten sich ausgebreitet wie ein unaufhaltsamer Brand in einem trockenen Sommer. Aber seine Arroganz war geblieben. Blind und unbeeindruckt. Mit jedem Mal, hatte es ihren Hass gestärkt und ihren Zorn vertieft. Wäre sie nicht auch schon in anderen Menschen auf eine derartige Ignoranz gestoßen – besonders zu Beginn, als die Meister noch dachten, sie könnten die rebellierenden Hexen mit ein paar gerufenen Drohungen wieder unter Kontrolle bringen – hätte es sie vielleicht eher stocken lassen. So war es nur ein kurzer, aufflackernder Gedanken gewesen, ehe sie sich bestätigt sah in einem Bild, dass sich bereits in ihr gefestigt hatte.

Ohne das Kind, das sich schluchzend an seinem Mantel hielt und dass er immer wieder vor ihr zu verbergen versuchte, hätte sie seinen Worten schon längst ein Ende bereitet. Dann hätte er es gar nicht erst geschafft, diesen falschen Funken Zweifel in ihr zu sähen.

„Und doch habt ihr die Hexen, die für Frieden zu Euch kamen, eingesperrt", zischte sie, um ihn so in seinen Lügen vorzuführen. Doch er machte einfach weiter damit.

„Weil ich es für eine Falle hielt! Wie denn auch nicht? Ich konnte mich kaum in meiner eigenen Stadt bewegen, ohne den Vorwurf meines Volkes zu spüren. Aber eine von ihnen ließ ich zurück kehren zu euch. Hast du sogar die Worte einer deiner eigenen Hexen ignoriert nur um alles endgültig an dich reißen zu können?"

Ihre Klinge fuhr fauchend durch die Luft und sie trat in so heftigem Zorn auf den Boden, dass ein Riss durch das Gebäude schlug und eine Wand krachend in sich zusammen fiel. Der wilde Wind trieb Asche und Rauch durch die neu geschaffene Öffnung zu ihnen herein. Die noch immer draußen tobenden Flammen warfen ihren rot glühenden Schein über die einander gegenüberstehenden Gestalten.

Die Legenden alter LügenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt