Kapitel 11 - Elias - „Erzähl mir was"

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Der Tag rast an mir vorbei und schneller als ich gucken kann, liege ich abends in meinem Bett, unter meiner Decke begraben und schaue zu Nate welcher auf dem Boden sitzt und mit der silbernen Feder spielt.

Er lässt sie schweben und Kreise drehen. Zuerst wollte ich protestieren, doch welches Recht habe ich dazu? Es ist immerhin seine Feder. Sie stammt aus seinen Flügeln. Allein dieser Gedanke macht mir Schwindel.

„Machst du das seit du verschwunden bist?" frage ich nun leise. Er ist heute morgen mit zur Universität gekommen und war mit mit im ersten Seminar. In der Mittagspause hat er mich unterstützt über meinen Schatten zu springen und einem Date mit Henry zu zustimmen. Meine Ohren schmerzen immer noch von dem Freudenschrei welchen Mel losgelassen hat!

Im folgenden Oberseminar war er auch, ich glaube allerdings dass dies für ihn tödlich langweilig gewesen sein muss. Wir arbeiten in Zweiergruppen an Vorträgen. Dann musste ich mindestens eine Stunde lang Material kopieren und hab noch einmal eine Stunde in dicken Wälzern gelesen. Irgendwann ließ mich das Verlangen nach Kaffee und einem Schokoriegel nicht mehr los. Ich stand auf um den Raum mit den Snack-Automaten aufzusuchen. Dabei fiel mir auf, dass Nathaniel nicht mehr da war. Kurzzeitig plagte mich mein schlechtes Gewissen, doch dann wurde mir klar mich beim Lernen zu beobachten, gehört wohl kaum zu seinen Aufgaben. Außerdem ist er ja nicht mein Angestellter oder so.

„Hmm?" macht er, während er die Feder Loopings umher schwirren lässt. „Na...spielst du hier den ganzen Nachmittag schon mit der Feder?" Irritiert blickt er zu mir, die Feder sinkt sanft zu Boden. Seine Brauen ziehen sich zusammen. „Ob du es glaubst oder nicht: Ich hab tatsächlich ein Leben. Ich habe Freunde. Kameraden. Auch wenn mein Dasein anscheinend nur davon abhängig ist, Menschen zu begleiten, existiere ich abseits meiner Aufgabe. Zumindest noch! So lange ich existiere, werde ich auch versuchen eine Art Leben zu führen!"

Mir steht der Mund offen. (Wie macht er das nur? Er schafft es ständig!) „Ich...nein! So war das nicht gemeint. Ich wollte nur...nur..." Ich schlucke. „Ich wollte Interesse zeigen?!" Eine seiner Brauen hebt sich. „Ist das eine Frage oder eine Antwort?" „Beides?! Du warst so still seit ich zurück bin. Hast mich dich zu texten lassen. Mir beim Kochen und Essen zugesehen. Und jetzt frage ich mich was du, bevor ich zurück gekommen bin, getan haben magst. Jetzt sitzt du auch schon seit ich im Bett bin dort drüben und lässt die Feder Salti schlagen..."

„Ich sehe dir gerne zu. Du bist voller Leben. Voller Esprit. Du steckst all deine Aufmerksamkeit in eine Aufgabe und gehst darin auf. Du setzt dich ein, nutzt was dir gegeben ist und wertschätzt es. Das ist eine besondere Eigenschaft Elias. DU BIST BESONDERS!" Ich öffne und schließe meinen Mund ein paar Mal, ohne Worte zu finden. Ich muss bescheuert aussehen. Wie Nemo an Land. Seine Augen leuchten mich an in dem allmählich einfallendem Dunkel der Nacht. Ganz so als bräuchten sie keinen Lichteinfall, ganz so als würde ein Licht von innen heraus sie erhellen. So ist es wahrscheinlich ja auch. Wenn ich mir früher einen Engel vorstellte, stellte ich mir Licht vor.

„Wage es nun nicht mir in irgendeiner Weise zu widersprechen!" sagt er nun und hebt dabei den Finger. Mit wahrscheinlich nun roten Wangen, schweige ich also und blicke ihn weiterhin an. Sein Blick wird sanft und er lächelt. Wieder einmal stiehlt mir seine Schönheit den Atem.

„Du solltest schlafen!" „Mein Kopf ist zu voll. Es ist als würden tausend Gedanken wild durcheinander wirbeln." „Ich erinnere mich an das Gefühl. Wie kann ich helfen?" „Erzähl mir was!" fordere ich nun und beiße mir sogleich auf die Zunge. Wie unverschämt von mir! Irgendwie vergesse ich bei Nathaniel oft meinen Anstand. Er macht mich zu neugierig.

„Entschuldigung..." murmele ich beschämt und vergrabe meinen Kopf im Kissen. Ich schließe die Augen. „Du kannst ruhig gehen. Du bist ja nicht mein Babysitter oder mein Unterhalter!"

EngelsherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt