Ich wusele nahezu von Sinnen durch meine Wohnung. Ich rücke Möbel, wische zum etlichen Male nicht existenten Staub weg. Meine Putzfee war natürlich heute da, wie jeden Samstag. Die arme Miss Roberts war am Ende total fertig von meiner nervösen Hibbelei. Normalerweise lasse ich sie schlicht ihrer Arbeit nachgehen. Sie war die Haushälterin meiner Eltern und nach deren Tod, habe ich sie zu mir geholt. Sie ist immer ledig geblieben und hat keine nennenswerte Familie mehr. Sie ist wie eine gute, alte Tante für mich. Sonntags gehen Mel und ich oft bei ihr essen. Sie wohnt hier im Haus, in einer schnuckeligen, kleinen Wohnung. Diese haben meine Eltern damals erstanden, als sie mir das Loft kauften. Wenn sie zu Besuch waren, blieben sie dort. Miss Roberts wollte sie erst nicht mietfrei annehmen, aber wenn ich möchte, kann ich sehr überzeugend sein.
Ich muss unbedingt morgen einen großen Strauß Blumen für sie besorgen. Wobei das ein Teufelsritt für mich werden wird, morgen beim Sonntagsessen. Mel und Miss Roberts werden mich so dermaßen ausquetschen! Danach werde ich mich wahrscheinlich wie ein durch die Mangel gedrehtes Hemd fühlen. Miss Roberts hat mir, bevor sie gegangen ist, aufgetragen ganz ich selbst zu sein und Henry zudem offen über meine missglückte vorherige Beziehung zu erzählen. Der logische Teil meines Wesens, versteht die Absicht dahinter. Wenn Henry weiß was mir passiert ist, wird er darauf Rücksicht nehmen, wenn er wirklich ein guter Mann ist. Der emotionale Teil meines Wesens allerdings, zeigt mir in endlos Schleife einen Vogel. Der Gedanke Henry zu verschrecken oder von ihm Ablehnung zu erfahren, weil ich 'kaputt' bin, ist beängstigend.
„Du bist nicht kaputt! Du hast Trauer und Enttäuschung erfahren. Doch du bist noch hier. Du lebst, studierst, lachst mit deinen Freunden...deine Erfahrungen haben dich nur stärker gemacht. Dein Herz mag Narben haben, doch diese machen es nur noch schöner. Und sehr viel wertvoller für denjenigen der es erobert!" Ich drehe mich überrascht, zu der warmen Stimme die mir mittlerweile so vertraut scheint, als würde ich sie schon ewig kennen, herum.
Draußen auf der Terrasse, steht mein Wingman. Gestern Abend bezeichnete er sich grinsend als solcher, während wir über das heutige Date sprachen.
Nathaniel raubt mir glatt den Atem. Und es ist nicht einmal das enge Shirt oder die modisch zerrissene Skinny Jeans, die mich so reagieren lassen. Nein. Es sind die silbernen Flügel, welche er noch nicht eingezogen hat. Er muss gerade erst gelandet sein. Die Federn seiner Flügel wiegen sich sanft in der leichten Brise und sie leuchten nahezu magisch im rot-goldenen Licht der Abendsonne. Meine Augen treffen auf seine, deren helles ozean - blau mit einem silbernen Schimmer durchzogen ist, und mir ist wieder einmal als würde die Welt schlagartig ihren Gang verlangsamen.
„Guten Abend..." , sagt er nun sanft, während ich immer noch nur starre. „Deine Flügel!", bringe ich schließlich atemlos hervor. „Ich weiß!", sagt er nun mit einem charmanten Grinsen, welches seine Augen noch mehr zum leuchten bringt. „Ich weiß nicht genau, wieso so schnell eine Änderung eingetreten ist, doch offenbar heile ich! Meine Freunde sind auch total aus dem Häuschen und Max, lässt dir ausrichten dass er einen Weg findet dir zu danken!"
Seine Freude ist ansteckend, doch da ist eine leichte Traurigkeit in mir. Bald wird Nathaniel wieder mit seinen Freunden leben. Er wird seiner Aufgabe nachgehen. Ich werde ihn dann nicht mehr sehen.
„Also..." beginne ich, stoppe dann aber, unfähig Gedanken in Worte zu fassen. Schon wieder. Was macht er nur mit mir? Ich bin echt wie so ein kleiner Fanboy. Ich spüre zudem eine leichte Wärme auf meinen Wangen, immerhin hat er mir ein Kompliment gemacht. Ein wahnsinnig tolles sogar. Ich schlucke meine Verlegenheit runter und gehe auf seine schnelle Besserung ein. „Es ist toll! Ich freue mich irgendwie für deine Heilung mit verantwortlich zu sein." „Nicht nur irgendwie Elias!", sagt er mit einem leichten Kopfschütteln. „Du magst dich der Liebe verschlossen haben, doch trotzdem hast du die Hoffnung darauf nicht aufgegeben. Sonst hättest du mich nie gesehen. Ich dagegen..." Er stoppt und seufzt, während er nun seine Flügel einzieht.
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Engelsherz
Romance!!!Mein Beitrag zum Open Novella Contest 23!!! Ich habe folgenden Schreibvorschlag genutzt: Nummer 10 : Endlich hast du den Mut aufgebracht, die süße Person anzusprechen, die du jeden Tag im Bus siehst. Ihr Gesicht verfinstert sich und sie antwortet...