40 | Liebe für drei

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Violet

Es dauerte einige Sekunden, auch nachdem Newt bereits gegangen war, dass ich realisierte, was gerade mit mir passierte.
Ich wusste nicht, was ich bloß tun sollte, wenn ich daran dachte, dass gerade alles in Trümmern lag. Thomas und ich, Newt und ich, Newt und Thomas wahrscheinlich auch und es sollte alles meine Schuld sein.

Kopfschüttelnd, die Realität nicht wahrhaben wollend fuhr ich mir durch's schwarze Haar.
Ich wusste irgendwie, dass ich irgendwas tun sollte und irgendwo würde ich anfangen müssen, aber ich kam nicht darauf, wo.
Zuerst dachte ich darüber nach, mit wem ich darüber reden sollte, oder ob ich überhaupt mit irgendwem reden sollte. Viel helfen würde es sicherlich nicht, denn schließlich wusste bloß ich selbst, was ich fühlte.
Meine Schwester vielleicht? Vielleicht würde sie aber wie früher höchst unsensible darauf reagieren und das würde zu einem Streit führen.
Mit Judie? Nein. Sie wirkte so befreit und fröhlich, da wollte ich ihre Laune nicht auch noch runter ziehen. Aber eigentlich traf das auf jeden hier zu.
Alle waren noch voller Euphorie über ihre neu gewonnene Freiheit und das sollte ich auch sein.

Gut, all der Mist konnte warten.
Langsam drehte ich mich wieder um, um in die Hütte zurück zu gehen und nach Llu zu sehen, die mittlerweile dabei war, aufzuwachen.
Es dauerte wirklich nicht lange, bis sie auf einmal ihre große braunen Augen aufschlug und verschlafen in meine sah. Sofort schlich sich ein breites Lächeln auf ihre Lippen und ein fröhliches "Mami!", verließ krächzend die Kehle meiner Tochter bevor ich sie hochhob und mit Küssen übersäte. Auch ich konnte mir das Lächeln jetzt nicht mehr verkneifen. Sie war einfach mein ganzes Glück und würde mich wohl immer aufheitern können.
"Hallo mein Schatz! Ich bin wieder da und ich werde niemals wieder gehen! Du hast mir so so so gefehlt, mein Liebling", flüsterte ich erleichtert. Ich erinnerte mich daran, dass ich vor nicht allzu langer Zeit sicher gewesen war, dass ich sie niemals wieder sehen würde.
Sie jetzt in den Armen zu halten war fast zu schön um wahr zu sein. Eigentlich wollte ich das nicht denken. Immer wenn mir dieser Gedanke kam, passierte im nächsten Moment irgendetwas Schlimmes.

„Wo ist Papa Thomas?", fragte die Kleine unschuldig, nachdem sie fertig gekichert hatte.
„Hat er dich etwa noch nicht besucht?", fragte ich ganz verdutzt und sah mich um, als wäre Thomas in dem Moment irgendwo im Raum gewesen.
„Doch! Papa hier aber.. da ein Mann"
Ihre Baby-Sprache war so unendlich niedlich, dass ich mich am Anfang gar nicht darauf konzentrierte, was sie inhaltlich sagte, sodass es mich einige Sekunden kostete, bis ich realisierte, was sie meinte.
Der andere Mann..?

„Wie hat er denn ausgesehen?", fragte ich unsicher und sah sie prüfend an, woraufhin sie sofort aufhörte zu Lächeln. Das hatte ich nicht gewollt.
„Da Mann Newt, Mama?", flüsterte sie und sah fast ängstlich zu mir auf. Und mir machte es fast Angst, wie schlau unsere Tochter doch schon war. Es war doch unmöglich, dass sie durch Intuition das herausgefunden hatte.
Ich hätte es ihr aber sowieso früher oder später gesagt, weshalb ich jetzt auch nur bestätigend nickte und über ihre Wange streichelte.
„Wo ist er? Newt! Newt!", rief sie aufgeregt. Ich hatte ihr immer von ihrem leiblichen Vater erzählt. Nun, so gut ich wohl konnte, denn sie war immer hin noch ein Kleinkind und ich wollte sie nie mit Informationen überschütten.

„Er freut sich sehr dich kennenzulernen, mein Liebling. Aber später, okay? Erst gibt's Abendessen. Mama ist sooooo hungrig!"
Vor ihr schaffte ich es eigentlich immer meine Sorgen völlig zu überspielen, sodass sie das Gefühl hatte, dass alles okay war.
„Thomas traurig..? Llu auch traurig.."
Sofort schüttelte ich den Kopf und nahm sie fest in den Arm.
„Nein, mein Schatz. Thomas ist nicht traurig, er freut sich. Er freut sich für dich, weil du jetzt zwei Männer hast, die dir unendlich viel Liebe geben können. Du bekommst jetzt Liebe für drei! Ist das nicht schön?", fragte ich schmunzelnd und nahm sie anschließend auf den Arm, um anschließend mit ihr rauszugehen.
Lange konnte ich meine Tochter allerdings nicht tragen, dafür war ich leider noch nicht stark genug, aber sie konnte zumindest ein paar Schritte selbst laufen.

Lange genug, dass Thomas, der in dem Moment aus der Hütte, in der ich gelegen hatte kam, uns entdecken und auf uns zulaufen konnte.
Als Llu ihn dann erblickt hatte ließ ich ihre Hand los und beobachtete Schmunzelnd, wie sie auf wackeligen Beinen zu Thomas wankte und er sie voller Freude auf den Arm nahm und anschließend zu mir hinüber kam.
Fast verunsichert sah er mich an, doch als ich bloß abwinkend nickte verstand er, dass ich nicht mehr verärgert war. Dafür war ich auch einfach zu müde und erschöpft.

Lluvia hingegen war genau das Gegenteil davon, denn als wir nah genug standen, ließ sie einen Arm los und legte ihn um meine Schulter, sodass sie fast wie ein kleines Klammeräffchen zwischen uns hing und belustigt darüber zu kichern begann, was sich unfreiwillig auf uns beide übertrug.
„Mama! Papa!", rief die Dreijährige glücklich und sorglos, während ich zu Thomas hinüber sah, der mir seinerseits tief in die Augen sah und mit seinen Lippen ein lautloses „Es tut mir leid" formte.
Und ich wusste, dass er das ehrlich meinte. Trotzdem wusste ich nicht, wie ich in seiner Anwesenheit zu ihm sein sollte. Was wir waren. Auch, wenn Teresa ...
Das musste nicht immer was an den Gefühlen ändern. Ich wusste das besser als niemand anderes.

Doch seine Augen, wenn sie ehrlich waren, spiegelten pure Liebe wieder. So ein Ausdruck, einer der so klar war, war so selten und ich wollte es ihm glauben.
Es fühlte sich richtig an. Uns drei zusammen, so wie es die letzten drei Jahre gewesen war!

Doch wieso tat es dann so weh, als ich Newt im Augenwinkel von weiter weg erkennen konnte, wie er völlig hoffnungslos und niedergeschlagen zu uns hinüber sah?

Violet 3 - The Death Cure Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt