48 / Veränderung

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Violet

Während Newt bereits zum Essen und zu den anderen zurückgegangen war, blieb ich noch eine Weile dort in der Nähe des Wassers sitzen und ließ unsere ganze Unterhaltung noch einmal Revue passieren.
Vor allem dachte ich über meine Schwester nach und natürlich über Gally.
Und ich wusste nach wie vor nicht zu hundert Prozent, was ich denn machen sollte.
Ich wollte Sol nichts kaputt machen oder mich in den Vordergrund stellen, andererseits konnte ich sie auch nicht in ein Unglück rennen lassen. Ich konnte immer hin nicht ganz sicher sein, ob sich Gally denn wirklich geändert hatte.
Verzweifelt ließ fuhr ich mir mit den Händen übers Gesicht und seufzte einmal laut aus.
Das war eine Sache, die ich alleine klären musste, die ich alleine klären wollte.
Schweren Herzens stand ich also langsam auf und begann mich nach dem großgewachsenen Blonden umzusehen.

Ich sollte nicht lange suchen, denn ich sah ihn ziemlich schnell unter einer Zeltplane an einer Art Bank herumschleifen.
Gally bemerkte mich sehr schnell und lächelte mich warm an, während er weiter arbeitete.
Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in meinem Magen breit, ich hatte ihn noch nie so lächeln gesehen.
Das war ein gutes Zeichen, oder?
„Hallo, Violet. Kann ich irgendwas für dich tun?", fragte er vorsichtig und trotzdem mit einer natürlichen Fröhlichkeit und Ehrlichkeit in der Stimme. Ich war misstrauisch.
Ich wollte nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen, doch noch weniger wollte ich auch nur eine Sekunde mehr mit diesem Menschen reden als ich musste.

„Läuft etwas zwischen meiner Schwester und dir?"
Wow. So hatte ich da eigentlich nicht geplant, ich wusste zwar nicht, wie ich es hätte sagen sollen, aber einfach so monoton und beinahe schon emotionslos sollte es eigentlich gar nicht klingen.
Ich kam mir insgesamt auch einfach ziemlich dumm vor, fast wie ein neugieriges Kleinkind, so wie ich das gesagt hatte, aber Gally schien irgendwie zu verstehen, wie ernst mir das war.
Endlich legte er sein Schleifpapier zur Seite und klopfte sich einmal die Holzraspeln von den Handschuhen, bevor er sich auf sein Kunstwerk niederließ und die Ellenbogen auf den Knien abstützte.

„Ich weiß, was du denkst, aber bitte hör mir zu.
Ich mag sie.."
Mich berührte was er sagte und vor allem die Art, wie er es sagte: ruhig, vorsichtig und doch so voller Überzeugung.
Es war so anders, so wie ich Gally noch nie erlebt hatte.
Und ich glaubte ihm, das tat ich von ganzem Herzen.
Ich war wirklich nicht mehr so naiv wie früher und ich vertraute diesem Mann sicherlich nicht, aber ich vertraute mir. Auch das war eine Sache, die ich über die letzten Jahre gelernt hatte; meinem Gefühl vertrauen.

„Bitte sag etwas", flüsterte der Blondhaarige derart nervös, dass es mir fast schon leid tat, dass ich ihn anscheinend so auf die Folter zu spannen schien.
Aber ich musste nachdenken. Im Nachhinein bereute ich es, dass ich ihn noch am selben Tag auf die Sache angesprochen hatte.
Denn nun war ich die, die nicht mehr weiter wusste.
Ich hätte alles wohl vorher durchdenken und planen sollen.
Doch ihn jetzt um Bedenkzeit zu bitten wäre keine gute Idee und auch irgendwie unfair.

Aber wie ging es mir dabei?
Was dachte ich- und vor allem, war es zu egoistisch mich zu fragen, was ich davon hielt?
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Ich kann und will mir keine Meinung dazu bilden, denn es ist nicht mein Business.
Ich... muss mit Sol reden."

„Ich werde es ihr sagen.", unterbrach mich Gally noch in der Bewegung und ließ mich stutzig werden.
Zu hundert Prozent war ich mir nicht sicher, was genau er gemeint hatte.. aber ich ahnte es und sollte mich nicht irren.
„Was ich dir angetan habe.
Und ich weiß, dass ich sie dadurch verlieren werde, dass ich alles verlieren werde.
Aber ich kann mit dieser Lüge nicht weiter leben, Violet."

Das war alles zu viel für mich.
Ich konnte so viel Input unmöglich verarbeiten, vor allem an nur einem Tag. Ich wollte für meine Schwester da sein, ich wollte mich auf das konzentrieren können, was Gally sagte, doch ich konnte nicht anders, als die Situation auf meine eigene zu übertragen.
Das Thema Liebe war ja sowieso nicht hoch angesehen in meiner Welt zur Zeit.
„Ist alles ok?", fragte Gally nach einigen Sekunden und sein Gesichtsausdruck wechselte von verzweifelt zu ernst und aufmerksam.
Komischer Weise merkte ich erst jetzt, wo er mich darauf angesprochen hatte, wie schwindelig mir geworden war.
Dennoch wollte ich die Aufmerksamkeit nicht auf mich ziehen und es lieber ignorieren.

„Violet.. wenn es für dich noch zu viel ist, mich hier zu sehen oder generell irgendwas, dann sag es, ok?
Ich kann jemanden rufen, ich kann dich einfach hier allein lassen.
Ich kann dir ein Wasser holen, oder eine Kleinigkeit zu essen - hast du schon gegessen?
Ich .. weiß ehrlich gesagt nicht, was ich tun soll.", flüsterte Gally so vorsichtig und fürsorglich, dass es mich tatsächlich beruhigte.

Ich weiß, es ist naiv und ihr werdet mich vielleicht dafür verurteilen - keiner von euch muss ihm vergeben, aber dieser Moment zeigte mir einfach ganz klar und deutlich, dass der Gally von der Lichtung nicht mehr existierte.
Er hatte sich ehrlich verändert und was brachte es mir, ihn für immer zu hassen?
Dass würde mich nur noch kaputter machen.

„Wenn sie dich liebt, dann wird sie dir vergeben.
Und sie wird wissen, dass ihr meinen Segen habt."

Violet 3 - The Death Cure Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt