42 | gebrochener Mann

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Violet

„Nein.. nein ich spür's! Ich spür's!"
Von diesen Worten wurde ich mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und sah mich verwirrt um.

Ich war zwar im Halbschlaf gesehen, aber ich bildete mir dennoch ein, ganz klar Newt's Stimme erkannt zu haben.
Fast aus Reflex wollte ich neben mich greifen, um Thomas zu wecken, doch dann fiel mir ein, dass wir nicht mehr eine Hütte teilten. Ich hatte das so gewollt.
Lluvia schlief ganz friedlich in ihrem Kinderbett am Ende der Hütte und ich fühlte mich bereits so, als hätte ich mir das Schreien bloß eingebildet, doch als ich es kurz darauf erneut wahrnahm, stand ich so leise es ging auf und schlich mich durch die kühle Nacht nach draußen zur Hütte, die direkt neben uns lag. Einem kleinen Tipi.

Draußen saßen noch einige andere am Feuer und lachten und spielten Gitarre, sodass sie die Stimme sicherlich nicht gehört hatten.
Meine Vermutung, dass es sich dabei um Newt gehandelt hatte sollte sich bestätigen, als ich die Hütte betrat und ihn dort vorfand.
Aufgrund des mangelnden Lichts in der Hütte, konnte ich bloß grob das Bett sehen, also schnappte ich mir eine kleine Laterne, die am Eingang stand und leuchtete mir meinen Weg in Windeseile zu seinem Bett.

Newt lag schweißgebadet und total verkrampft dort und hatte sich total zusammen gezogen und ich realisierte, dass er in einem furchtbaren Albtraum stecken musste, aus dem er von alleine nicht herauskommen würde.
Ohne viel nachzudenken stellte ich die Laterne neben seinem Bett ab und packte ihn beherzt an den Schultern.
Diese Situation löste sofort Erinnerungen in mir aus, nur war es diesmal anders. Damals auf der Lichtung war ich die mit den Träumen gewesen und jedes Mal war es Newt gewesen, der mich aus diesen schrecklichen Orten rausgeholt hatte und ich würde jederzeit dasselbe für ihn tun.

„Newt, wach bitte auf.", flüsterte ich und drückte zaghaft etwas zu. Ich wollte ihn ja schließlich nicht noch mehr erschrecken.
Es dauerte glücklicherweise nicht allzu lange, bis der Blonde langsam die Augen öffnete und sich panisch umsah, bis seine dunklen, braunen Augen auf meine trafen und er zu verstehen schien, wo er sich gerade befand.

Sein Anblick tat mir in der Seele weh. Seine Augen waren voller Schmerz und voller Angst. Er war gebrochen worden und obwohl ich absolut keine Ahnung hatte, was genau er da geträumt hatte, hatte ich dennoch eine Vermutung.
„Was.. was haben sie dir da angetan?", kam es wie von selbst aus mir heraus, während ich ihn mindestens genauso ansah.
Ursprünglich hatte ich nicht geplant ihn so direkt zu konfrontieren und nahm mich augenblicklich ein Stück zurück.
„Du musst natürlich nicht darüber sprechen, Newt. Du sollst nur wissen, dass ich dir zuhöre und für dich da bin, egal was ist.
Das.. das hat sich nicht geändert."
Jedes einzelne Wort meinte ich ernst aus tiefstem Herzen und hoffte inständig, dass er dies annehmen würde und nicht versuchte, alles mit sich selbst auszumachen.

Er sah mich eine Weile einfach stumm an. Das gelbliche, warme Licht der Laterne leuchtete ihn bloß leicht von der Seite an, doch ich konnte seine Gesichtszüge dennoch lesen.
Ich konnte Newt genauestens ansehen, dass er mit sich rang und wahrscheinlich gerade die Möglichkeiten miteinander abwägte.
Es war schon verrückt, dass man sich nach drei Jahren immer noch so gut kannte und verstand.
Außergewöhnlich war es. Und auch, wenn mittlerweile Ozeane zwischen uns lagen, fühlte sich dieser winzige Bruchteil eines Momentes so an, als wären wir niemals voneinander entfernt gewesen.
Wie bittersüß das doch war.

Nach einigen weiteren Sekunden setzte er sich langsam auf und ich ließ mich unaufgefordert aber anscheinend nicht unerwünscht auf seiner Bettkante nieder.
„Ich wollte dich nicht wecken. Es tut mir leid.
Habe ich Llu-"
Ihn unterbrechend schüttelte ich den Kopf.
„Sie schläft wie ein Stein. Es ist fast unmöglich sie zu wecken.", erklärte ich leicht schmunzelnd und konnte genau erkennen, wie sich auch seine Lippen zu einem Lächeln verzogen.

„Wie ihre Mutter.", ergänzte er flüsternd und sah mich etwas ernster an, woraufhin auch mein Lächeln starb.
Ein unheimliches Gefühl von Sehnsucht, sowie Nostalgie überzog meinen ganzen Körper wie eine Eisschicht und der ganze Raum kam mir auf einmal viel kühler und düsterer vor.
Ich wusste nicht, warum dieser sicherlich nett und gut gemeinte Kommentare mich so unwohl fühlen ließ.
Vielleicht war es die Tatsache, dass er zeigte, wie gut Newt mich kannte und ich wieder daran erinnert wurde, was für eine lange Geschichte wir hatten.
Das wollte ich allerdings nicht zugeben, außerdem hatte er sowieso versucht vom Thema abzulenken.

„Wovon hast du geträumt? Ich kann sowieso nicht mehr schlafen und du sicherlich auch nicht mehr, also können wir uns so die Zeit vertreiben.", schlug ich mit ruhiger Stimme vor, während ich immer stets den Abstand zu ihm wahrte und ihn weiterhin nicht bedrängen wollte.
Doch Newt schien irgendwie darüber reden zu wollen und irgendwie auch nicht.
Das konnte nur zwei Dinge bedeute:
Entweder er vertraute mir nicht oder, was noch viel schlimmer wäre, es handelte sich um etwas so Grausames, dass er es lieber verdrängte.
Über schlimme Erlebnisse zu reden kostete wirklich Überwindung. Wir wussten alle wie das war, wir machten das alle durch, denn jeder von uns hatte grauenhafte Dinge gesehen.
Und über sie zu reden würde sie real werden lassen, würde uns akzeptieren lassen müssen, dass diese Dinge nicht bloß in Albträumen geschehen waren.

„Nun gut.", begann er dann aber doch hingegen meiner Erwartungen leise seufzend.
„Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass sie mich bei WCKD nicht unbedingt wie einen Ehrengast behandelt haben.
Obwohl ich das für die meisten der Ärzte war. Der Crank Junge.
Es war logisch gesehen völlig unmöglich, dass ich mit diesem Virus in mir so lange leben konnte. Ich hatte zwar am laufenden Band irgendwelche Gegenmittel gespritzt bekommen, doch es war nie ganz weg gewesen, verstehst du?
Es war als konnte ich mich immer und immer selbst sterben und mich selbst verlieren fühlen. Wie, als würde ich zum Zombie und im letzten Moment gerettet werden.
Und das war für die Wissenschaftler wie ein 6er im Lotto.
Das mussten sie einfach weiter erforschen. Sie hatten jetzt ihren ganz persönlichen lebendigen Crank, an dem sie Rumschneiden und experimentieren konnten, wie sie lustig waren.
Ganz ohne Betäubung oder Schmerzmittel natürlich. Ich war ja tot, ich konnte ja sicherlich nichts spüren.
Ich spürte alles. Jeden Schnitt... jede... Berührung."

Violet 3 - The Death Cure Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt