36 | Verdrängung

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Violet

Es war ein weiterer ganzer Tag vergangen und langsam fühlte ich mich besser. Ich konnte es kaum noch aushalten, endlich aus diesem elendigen Bett rauszukommen. Ich war auch schon viel zu lange in dem stickigen Zelt, in dem mich bisher weder Thomas noch generell irgendwer anderes als Judie besuchen gekommen war.

Das sollte sich allerdings ändern, als plötzlich die Tür aufging und jemand herein trat.
Ich war mir wirklich nicht sicher, mit wem ich gerade am wenigsten konfrontiert werden wollen würde. Thomas oder Newt?
Doch die Wahl sollte ich natürlich nicht haben, denn Thomas stand plötzlich vor mir und sah mich beinahe verunsichert an. Gut für ihn.
Ich wusste nicht, was ich ihm noch zu sagen hatte, ich war nach wie vor zu tiefst enttäuscht.

„Ich bin so froh, dass es dir gut geht.", kam es schwach von dem Dunkelhaarigen mir gegenüber.
Wenigstens schien so, als würde es ihm wenigstens irgendwie etwas leid tun.

Ich antwortete nicht auf seinen Kommentar und sah stattdessen lieber runter auf meine Beine.
Ich wollte ihm nicht einmal bewusst die kalte Schulter zeigen, aber ich wollte nicht mit ihm reden.
Ich wollte ihn gerade nicht mal da haben und das merkte er selbst auch.

„Violet.. es tut mir so leid.", flüsterte er nun ein wenig sanfter und setzte sich ans Ende meiner kleinen Liege, direkt vor meine Füße, während ich ihn beinahe hasserfüllt musterte.
Zumindest musste ich so ausgesehen haben, denn nach einem weiteren Blick in mein Gesicht sah Thomas noch verzweifelter und trauriger aus.
„Teresa ist tot."

Es war, als rutschte mir das Herz hinunter.
In mir begann sich alles zusammen zu ziehen.
Ich hatte sie drei Jahre nicht gesehen und war unendlich wütend auf sie gewesen und hätte ihr dazu sicherlich auch niemals vergeben.
Aber ich hätte niemals gedacht, dass sie...
Es hatte bloß den Bruchteil einer Sekunde gedauert, da waren mir bereits die Tränen in die Augen geschossen.
Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, dass Teresa je wieder so eine tiefe Trauer in mir verursachen könnte. Ich hatte geglaubt, sie wäre mir völlig egal geworden.

Kopfschüttelnd starrte ich meine Hände an, während ich mich völlig leblos fühlte.
Hilflos, gewisser Weise.
Langsam vergrub ich das Gesicht in den Händen, da ich meine Tränen wirklich nicht mehr zurück halten konnte und da es sich fast anfühlte, als hätte mein Gehirn völlig ausgesetzt, war dies nun einfach die Reaktion meines Körpers.

Ich hatte sie drei lange Jahre nicht mehr gesehen und auch wenig an sie gedacht, geschweige denn daran, sie irgendwann wieder bei uns aufzunehmen.
Hatte etwas in mir gehofft, dass sie sich doch noch ändern würde?
Thomas hatte es. Darüber gesprochen hat er nie, aber ich war mir dennoch sicher.

Es war nicht richtig, aber indem ich über Teresa nachdachte, kam ich nicht drum herum, auch an Thomas zu denken.
Dieser hatte sich mittlerweile neben mich gesetzt und mich in den Arm genommen und ich hatte mich nicht gewehrt.
Die Tränen in seinen Augen und dieser absolut gebrochene Gesichtsausdruck zerbrach mir erneut das Herz.

Ich wusste nicht, was ich zu ihm sagen sollte. Nicht, dass ich mich nicht traute, aber da war einfach nichts, was ich ihm zu sagen hatte und das spürte er auch.
Ich war mir sicher, dass er insgeheim wusste, dass ich den Kuss gesehen hatte.

„Wieso hast du mich nicht früher kommen lassen?", flüsterte Thomas und erinnerte mich damit daran, dass ich Judie ausdrücklich darum gebeten hatte, niemanden zu mir zu lassen.
Insbesondere nicht zwei bestimmte Menschen.

„Ich wollte nicht reden.", gab ich flüsternd mit rauer Stimme zu und meidete nach wie vor den Augenkontakt.
Thomas sah mich weiterhin, nun ziemlich perplex, an und versuchte mich irgendwie zu erreichen. Ich kannte das noch von damals, wo ich zu gebrochen war um ihn an mich heran kommen zu lassen.
Und diesmal hatte er mich verletzt, was eine Ironie des Schicksals.

„Wir sollten aber reden.", flüsterte er daraufhin so sanft, als hätte er Angst, ich würde jeden Moment in die Luft gehen, aber so war es nicht.
Ich spürte keine Wut, ich spürte gar nichts.
Nur... Kälte.

„Dann reden wir."
Meinetwegen konnte er erzählen und mir Sachen auftischen, wie er lustig war, aber ich wollte, dass er es mir selbst sagte.

„Ist etwas zwischen euch passiert?", fügte ich dem nun noch leiser hinzu, war aber keineswegs eingeschüchtert, ganz im Gegenteil, das war das erste mal, wo ich ihm wieder tief in die Augen sah.

Thomas sah mich genauso eindringlich an, wobei er nun leicht das Gesicht verzog und die Stirn in Falten legte.
„Wieso ist das wichtig? Sie ist tot."
Sein Blick war kalt und starr, seine Augen trüb.
Sie waren leer und ich realisierte, dass er das fühlte, was ich gefühlt hatte, nachdem Newt gegangen war.
Und ich durfte ihn dafür nicht verurteilen und schon gar nicht hassen, nicht, dass ich das je könnte.

„Ich denke es ist wichtig, deine Gefühle sind wichtig."
Mein Blick wurde etwas weicher, doch seiner verhärtete sich.
„Was denn für Gefühle, Violet?
Du weißt gar nichts über meine Gefühle, du hast kein Recht etwas darüber zu sagen!", rief er fast wutentbrannt und stand auf. So hatte ich Thomas noch nie zuvor gesehen. So aufgebracht, so wütend, so... fast schon aggressiv.

Doch auch ich wurde nun langsam sauer.
Man küsste niemanden ohne Gefühle, schon gar nicht Thomas.
„Du bist doch für sie überhaupt erst zurück ins Gebäude gegangen!", brüllte ich zurück und stand ebenfalls auf, wobei meine Wunde dabei ziemlich schmerzte.

Thomas starrte mich entgeistert an und schüttelte beinahe fassungslos den Kopf.
„ICH HATTE NICHT EINMAL DARAN GEDACHT ZURÜCK ZU GEHEN!
NICHT BEVOR GALLY MIR SAGEN MUSSTE, DASS DU IDIOTIN WIEDER ZURÜCK BIST!"

Danach herrschte Stille. Schock. Angst. 
Thomas hatte mich noch nie so angebrüllt.
Ich schüttele den Kopf und ließ all die Wut, die sich in mir angestaut hatte mit einem Mal von mir abfallen. Es war kein Sinn darin, einfach nur zu brüllen und zu erwarten, dass sich Dinge ändern würde.
Oder dass Menschen wieder kommen würden, die gegangen sind...

„Ich musste zurück.
Ich habe das Heilmittel bekommen, so konnten wir Newt retten.", flüsterte ich und sah dabei zu Boden.
Er hätte mir nicht folgen müssen. Ich hatte alles unter Kontrolle.

Thomas sah nun auch ruhiger aus. Aber nicht im positiven Sinne.
In seinen Augen spiegelte sich der Schmerz wieder, bevor er einmal tief Luft holte und mich dann wieder ansah.

„Dann hast du ja das, was du wolltest."
Seine Stimme war beinahe nur noch ein Hauchen, doch ich ahnte genau seine Intention.

„Was soll das bitte heißen?"

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Entschuldigt bitte, dass so lange kein Update kam!

Violet 3 - The Death Cure Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt