Kapitel 29

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Ich stand neben Julian und beobachtete Lena, von der natürlich viel mehr Bilder gemacht wurden. Immerhin war sie der Star von diesem Tag. ''Du siehst wirklich total... wow aus.'' Julian riss nun meine Aufmerksamkeit von dem Shooting zu ihm. Er lächelte mich an, was meine Beine weich wie Pudding werden ließ. Er kann ja auch süß sein.

''Danke.'' Ich lächelte zurück. Julian's Blick lag die ganze Zeit auf mir und, ich muss schon sagen, dass ich es irgendwie genoss. Bevor Julian in mein Leben trat war ich ein graues Mäuschen, kaum einer hatte mich bemerkt. Ich ließ alles, ohne ein Wort zu sagen, über mich ergehen, doch seit zwei Monaten war das anders: Ich fiel auf, Leute fanden mich hübsch, interessant. Ich genoss es wirklich in diesen Tagen, mal im Mittelpunkt zu stehen. Es war was Neues.

Ich schaute wieder zu Lena, als ich spürte, wie mir Julian einen Kuss auf meinen Haaransatz gab, sein Arm legte sich um meine Schulter. Je länger ich diese Berührungen spürte, um so mehr kribbelte es. Mein Herz schlug wie wild geworden in meiner Brust, aber ich ließ mir nichts anmerken. Nicht hier.

''Caitlin, jetzt kommst du auch mal bitte wieder hier her. Ich würde gerne ein Bild mit euch beiden zusammen haben.'', meine Timon. ''Tut mir leid, Julian.'' Er wendete sich ihm zu und hob entschuldigend die Hände in die Luft, woraufhin Julian schmollte, mich aber dann doch losließ. Ich ging zu Lena wieder vor die weiße Leinwand und befolgte die Befehle, die mir immer wieder gegeben wurden. Es machte mir zunehmend Spaß, hier vor der Kamera zu posen und zu helfen, dass gute Bilder dabei raus kamen. Ich war bei jedem Blitzlicht, das mir zeigte, dass ein Foto gemacht wurde, auf das Endergebnis gespannt.

***

''Das macht so Spaß!'', meinte ich, als wir wieder im Auto saßen. Ich hielt einen Briefumschlag in meiner Hand, der mir kurz bevor wir gegangen waren, in die Hände gedrückt worden war.

''Dann ist das alles wirklich das Richtige für dich.'', nickte Lena und tippte auf ihrem Handy herum. Ich schaute nun zu Julian, der noch immer auf irgendeiner Wolke zu schweben schien und mich stolz angrinste.

''Meine Freundin ist Model...'', flüsterte er ungläubig woraufhin ich lachte. Er war so niedlich geworden, die letzten Tage. So herzlich. Diese Macho-Masche schien er völlig beiseite gelegt zu haben. Ich konnte mich mit so einem Freund wirklich blicken lassen, musste mich nicht schämen, selbst nicht vor meinen Eltern.

''Ouh scheiße.'', fluchte ich und griff nach meinem iPhone. ''Ich bin so 'ne miese Tochter, oh nein.'' Das Auto hielt vor meinem Wohnkomplex, woraufhin ich hastig ausstieg, mich bei Lena bedankte und die Nummer meiner Mutter in mein Handy eintippte. Julian war mit mir ausgestiegen und stand direkt neben mir. Nervös spielte ich mit meinem zu großen Pulli herum und wartete, bis meine Mutter an ihr Telefon ging. Ich hatte sie seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesprochen, hatte sie nicht besucht, war wie ausgelöscht. Sie hatte ebenfalls kaum Zeit gehabt, klar, ab und zu hatten wir auf WhatsApp miteinander geschrieben, aber ich hab ihr noch nichts von Julian erzählt und erst Recht nichts von meinem Modeljob. Ich war so mies!

Als ich gefühlte Stunden wartete und nur die Mailbox dran ging, gab ich es auf und legte auf. Sie war sauer! Zu 100% war sie angepisst! ''Ich hab's vergeigt, Julian...''

''Was ist passiert?'', fragte er verwirrt.

''Meine Eltern. Ich hab sie immer noch nicht angerufen... Sie wissen noch nichts von dem, was die letzten Monate hier passiert ist.'' Meine Stimme war vor lauter Schuldgefühle total belegt, weswegen ich kurz hustete. Wann bin ich bitte zu so einer schlechten Tochter geworden?

''Ich bin mir sicher, dass sie das verstehen, wenn du ihnen all das erzählst. Du standest ja auch wirklich unter Stress.'', meinte Julian. Er sah das alles etwas lockerer, keine Ahnung warum, aber ihm schien es nichts auszumachen, dass er mal etwas länger keinen Kontakt zu seinen Eltern hat. Fußballer eben, die wohnen meistens ja auch hunderte von Kilometer von ihren Elternhäusern entfernt. Ich hingegen wohnte gerade mal 20 Minuten von meinen Eltern weg und hatte sie nicht ein einziges Mal besucht... Sie waren bestimmt total enttäuscht von mir, dachten vielleicht auch, dass sie mir gar nichts mehr Wert waren.

Allein der Gedanke daran zerbrach mein Herz.

Black Ink (#Wattys2015)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt