Kapitel 10

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Amalia Amaryllis Delacour


Unbeholfen räuspere ich mich, während ich nervös auf dem Autositz hin und her rutsche. »Ellion?«
Verdammt, ich bereue es bereits, diesen Ort ausgesucht zu haben!
Da dachte ich mir, ich könnte mir den Tag versüßen und Ellion mit seiner Höhenangst aufziehen, doch nun sitzen wir bereits eine Minute stumm im Auto auf dem vollen Parkplatz. Wie versteinert schaut er aus dem Fenster zum Park, bewegt sich kein Stück.

Ich wusste, dass er Höhenangst hat, aber ich hatte ja keine Ahnung wie sehr!

Eigentlich war mein Plan, so zu tun, als wüsste ich nichts von seiner Angst und dann vorzuschlagen, die höchste Achterbahn des Parkes zu fahren. Einfach um ihn in eine unangenehme Situation zu bringen. Vor mir musste er noch nie Schwäche eingestehen – wenn überhaupt jemals. So sehr habe ich mich auf diesen Moment gefreut und doch sehe ich ihn nun mit mulmigem Gefühl im Magen an und verwerfe meine Idee in den Wind.

Ich möchte den Ellion zurück, der arrogante Witze reißt, mich aufzieht und neckend mit mir flirtet, weil er weiß, wie sehr mich das aufregt.
Diese angstvolle Version von ihm behagt mir nicht.

Ich bin nicht gut mit Gefühlen. Wie auch? Mein Vater ist ein Monster in Menschen-Verkleidung und meine Mutter ist seine Marionette, einst voller Liebe, die längst erloschen ist. Die Liebe zu ihrem Kind war nicht heiß und groß genug, um sie vor Vaters Kälte zu schützen.
Als hätte mein Vater sie, die einst fröhliche Natur, gebrochen und ins Verderben mitgezogen. Als wäre seine Kälte ansteckend.

Auch ich bin schon infiziert.
Es bleibt ungewiss, wie groß der Schaden ist. Angesichts meiner vergangenen Taten und auch meines heutigen Planes, muss ich es mir eingestehen: Die Krankheit ist in meine Zelle eingedrungen, hat sich in meine Seele gegraben und färbt diese Tag für Tag etwas schwärzer.

Ein Wundermittel existiert nicht.

Früher, da hoffte ich, Liebe könne alles reparieren. Liebe könnte heilen.
Nur hat selbst das helle, liebliche Licht meiner Mutter nicht helfen können. Anstatt meinem Vater Licht zu schenken, vergrub er sich mehr und mehr in Arbeit, versteckte sich vor dem Licht und schließlich, da riss er Mamas Licht an sich und verschluckte es mit seiner Dunkelheit.
Mein Vater ist das Schwarze Loch meines Universums, meines Lebens.

»Ellion?«, versuche ich es erneut. Unsicher, ob ich ihn berühren soll, zuckt meine Hand. Ich schlucke meine Bedenken herunter und lege sanft meine Finger auf seinen Unterarm.
Plötzlich, als hätte ich einen Schalter umgelegt, wirft er seinen Nacken nach hinten und lacht los. 

Mein Arm schnellt zurück, als hätte ich mich verbrannt. Mit offenem Mund starre ich ihn an, meinen verrückt gewordenen Rivalen.

»Du Miststück!«
Bisher wurden diese Worte nur giftig mir an den Kopf geworfen, doch Ellion lacht noch immer. Er lacht nicht nur, nein, er weint vor Lachen!

Einen Moment erwäge ich es, auszusteigen und schleunigst das Weite zu suchen, nur bewegen kann ich mich nicht.

»Du wusstest es, nicht wahr?«, fragt er nun, nachdem sein Lachen verklungen ist. Ich wusste nicht, was ich erwartet habe, aber das nicht. Seine Stimme klingt normal – zumindest, wenn man normal als neckend und frech versteht. Es ist dieselbe Stimmlage, die er stets im Gespräch mit mir verwendet. Lediglich seine Augen verraten, dass sich hinter dem Glanz eine Dunkelheit birgt.

Beleidigt verschränke ich meine Arme vor der Brust. »Ich wusste nicht, dass es dir so viel ausmachen würde.«
Nun runzelt sich seine Stirn. Der Glanz in seinen Augen erlischt, wird hart und kalt. »Du dachtest nicht, dass der Ort, den ich mit den letzten schönen Erinnerungen an meine Mutter verbinde, mir viel ausmachen würde?«
Meine Gehirnzellen wehren sich das gerade Gesagte wahrzunehmen. Ich benötige mehrere Sekunden, um seine Worte zu verstehen. »Bitte was?«, hauche ich. »Oh, Gott.« Scheiße, Scheiße, Scheiße! »Das war nicht meine Intention!«

The Love GameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt