Kapitel 3

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Amalia Amaryllis Delacour

Kann dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden?

Ausgerechnet mein Poesiealbum habe ich in der Villa vergessen! Dabei muss ich doch gerade jetzt dringend mein emotionaler Wirrwarr niederschreiben und mit Doodle-Zeichnungen meine Gefühle ausdrücken.

Um eben dieses Poesiealbum zu holen, fährt mich nun unser Chauffeur Monsieur Francois zur Hauptvilla Delacour in Passy, einem Reichenviertel im 16. Arrondissement – wobei ‚fahren' es nicht wirklich beschreibt. Wir stehen derzeit im Stau. »Wieso bewegt sich nichts, Francois?«
»Der Nahverkehr streikt wieder einmal, Mademoiselle.«
Hätte ich mir denken können. »Gibt es keinen schnelleren Weg?«
»Das ist der schnellste Weg, Mademoiselle.«

»Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn ich mit Mademoiselle angesprochen werde.« Nur ‚Bellina' ist schrecklicher, als Mademoiselle.
»Ich weiß.«

Seufzend lasse ich mich zurück auf den Autositz fallen und ziehe mein Handy hervor. Nach fünf Minuten auf Instagram scrollen, stoße ich auf einen Beitrag des Maurice Modeunternehmen. Wow. Das Universum legt es heute wirklich darauf an, mir die Laune zu ruinieren.

»Weiß mein Vater bereits von dem neuen Tochterunternehmen des Maurice Unternehmen?«, frage ich meinen Chauffeur. Allein bei dem Gedanken, meinem Vater die 96 Prozent und diese Neuigkeit zu berichten, dreht sich mein Magen um. Nicht nur ist Maurice derzeit das führende Modeunternehmen weltweit, sondern sie investieren auch schlagartig in neue Geschäfte, in ein tieferes Sortiment und kaufen langsam eine Modemarke nach der anderen auf.

So auch heute.

»Ja, Mademoiselle«, antwortet Francois. »Meines Wissens nach, befindet sich Monsieur Delacour derzeit in einem Termin zur Strategieplanung.«

Erleichtert sacken meine Schultern nach unten, allerdings spannen sich diese direkt wieder an, als ich realisiere, dass mein Vater ähnlich mies gestimmt sein wird wie ich. Andererseits habe ich ihn schon lange nicht mehr lächeln sehen. Nur schaffen Neuigkeiten über das Maurice Unternehmen seine sonstig mürrische Stimmung wie Sonnenschein wirken zu lassen. 

Früher konnte Mutter seine Stimmungen noch besänftigen, aber seit das Maurice Unternehmen den höchsten Marktwert unter Modeunternehmen erzielt hat, geht selbst sie meinem Vater aus dem Weg.

Ich kann es ihr kaum verübeln.

Kaum.

Nach einer halben Ewigkeit erreichen wir schließlich die Allee, die den Beginn der Einfahrt zur Villa darstellt.
Gut, dann sind es jetzt nur noch fünf Minuten Fahrt.

Die Februarsonne senkt sich bereits dem Horizont zu, obwohl es erst früher Abend ist. Die weitläufigen, saftig grünen Wiesen, die sich hinter den Linden entlang strecken, werden ab und an durch Fußwege, Springbrunnen, Rosengärten und Statuen unterbrochen. Selbstverständlich ist die gesamte Einfahrt symmetrisch aufgebaut, das heißt, alles was auf der rechten Seite zu sehen ist, spiegelt sich auf der linken Seite. Mein Vater legt großen Wert darauf, dass es sich hierbei um eine makellose Spiegelung handelt. Keine Rose darf zu viel sein, keine Statue befleckt und bloß kein Blatt darf es wagen, sich im Brunnwasser zu verirren.

Die Einfahrt endet mit einem imposanten Springbrunnen in der Mitte der Straße, was als Art Autokreisel fungiert. Francois fährt den halben Weg um den Springbrunnen und hält dort direkt vor dem Eingang der weißen Villa an, die sich durch ihre hohen Fenster und der schlichten Fassade auszeichnet. Mein Chauffeur steigt aus, eilt zu seiner Autotür und öffnet mir diese verbeugend. »Mademoiselle, wir sind hier.«

»Vielen Dank, Francois. Sie können hier warten.« Mit hochgestrecktem Kinn und angespannten Muskeln steige ich die zehn Treppenstufen zur Veranda mit den ionischen Säulen hoch. Bevor ich die Eingangstür erreiche, die genauso gut für Riesen erbaut worden sein könnte, öffnet Hausdame Iyana Silva mir die Tür. Augenblicklich fällt ein kleiner Teil der Anspannung von meinen Schultern. »Iyana, schön dich zu sehen. Ist mein Vater hier?« Ich drücke ihr meinen Mantel in die Hand.

The Love GameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt