Ellion Antoine Girard
Während uns die kühle Februarluft empfängt und wir durch die Allee vor dem Internat zur Hauptstraße laufen, kreisen meine Gedanken um Amalias vorherigen Worte. Was eine Unverfrorenheit! Mir unterstellen, ich könnte mich an Frauen vergreifen, wenn ich es doch bin, der sich vor Berührungen schützen muss! Nicht einmal ausrasten darf ich, wenn jemand mich gegen meinen Willen berührt! Denn das würde schließlich meinen Ruf schaden – und mein Ruf ist mehr wert, als mein Wohlbefinden.
Und dann auch noch unterstellen, ich wäre kein Feminist!
Wenn sie nur wüsste, wie viel ich spende! Wie viel ich mich für Gleichberechtigung einsetze!
Cazzo!
Vermutlich würde sie selbst dann noch behaupten, ich täte es nur für Show.Wie idiotisch von mir auch nur eine Sekunde anzunehmen, die Wette könnte mir Spaß bereiten. Wie dumm und naiv auch nur in Erwägung zu ziehen, dass ich mich länger als sechzig Sekunden mit Amalia verstehen könnte. Doch nein, natürlich nicht. Sie zwingt mich in das Bild, welches sie sich von mir gemacht hat; sieht mich immerzu aus diesem fauligen Licht und rückt sich alles so zurecht, dass es in ihre Vorstellung passt.
Ich bin der Schauspieler. Sie ist die, die hinter die Maske blickt.
Ich bin der verwöhnte Idiot. Sie ist die zielstrebige Kämpferin.
Ich bin der Böse. Sie ist die Beste.Sie sieht nicht, wie ich meine Maske und die Schauspielerei hasse.
Sie sieht nicht, wie ich kämpfe und Pläne schmiede.
Sie sieht nicht, wie ich mit meinem eigenen Makeln zu hadern habe.Dennoch muss ich ihr zugestehen, dass sie mit ihren Vermutungen nicht falsch liegt.
Nur weil ich meine Maske nicht ausstehen kann, heißt es nicht, dass ich sie nicht aufsetze.
Nur weil ich kämpfe, heißt es nicht, dass es mir nicht einfacher als ihr fällt, Bestnoten einzuheimsen.
Nur weil ich manche Aspekte meines Charakters nicht leiden kann, heißt es nicht, dass ich sie nicht besitze.Selbst sie, die, die glaubt, meine dunkelsten Geheimnisse offenbart zu haben, sieht die Vielzahl meiner Gesichter und Facetten nicht.
So soll es auch bleiben.
In den nächsten Tagen werde ich alles daranlegen müssen, ihr Vertrauen zu gewinnen und sie zu überzeugen, dass ich nicht der böse große Wolf ihres Märchens bin.
Normalerweise sollte das keine große Herausforderung sein, jedoch reden wir hier von Amalia – der Eiskönigin, der es gelingt, hinter meine Maske zu schauen. Und nicht nur das! Zusätzlich scheint auf unerklärliche Weise meine Maske zu fallen, sobald ich ihre braunen Augen erblicke. Selbst bei Tristan werde ich nicht so von meinen Gefühlen gelenkt wie bei ihr.
Sie stachelt in mir einen Zorn an, tief in mir vergraben, der so wild, so ungestüm, ja ganz wahnsinnig, in mit tobt, wenn auch nur ihre weiche, wohlklingende Stimme erklingt. Manchmal, da gelingt es mir diesen Zorn zu bändigen, indem ich in ihr selbst eben dieselbe Gefühlsregung hervorrufe.
Jede Gefühlsregung, die sie in mir hervorruft, geht gegen jede Vernunft, ist ganz irrational und primitiv, aber zugleich so überwältigend, dass ich mit ihnen nicht umzugehen weiß.
Seit dem Tod meiner Mutter ist die Welt wie grau gefärbt und nur meine engsten Freunde waren fähig, sie mit Farbe zu bepinseln. Doch wenn meine Augen auf Amalias treffen, dann ist meine Welt wie in rot getaucht, als würde ein Sturm in ihr wüten und die Grundmauern zu Zerstören drohen.
Dabei kostete es mich so lange, diese Mauern zu erbauen.
»Da vorne«, deutet Amalia auf eine Limousine, die an der Straße parkte, »da ist mein Chauffeur. Er wird uns fahren.«
Mein Blick gleitet zu ihr, der Frau, mit der Gabe, mir die Rationalität zu stehlen. Die Frau, die mich hasst und in mir den Selbsthass weckt. »Kannst du kein Auto fahren?«
»In Paris Auto zu fahren, gleicht einem Selbstmordkommando.«
»Ich kann fahren.«
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The Love Game
Romance--- academic rivals to lovers --- Amalia Delacour und Ellion Girard sind wie zwei Seiten einer Münze. Sie beide sind die bekanntesten Schüler der Modeschule Fashion Society und die Kinder von den CEOs der zwei führenden Modeunternehmen. Nichtsdest...