Kapitel 3 Abschied

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"Und du haust einfach so ab?", fragte Yan fassungslos.

"Ich sage doch noch tschüss", argumentierte Huo dagegen.

"Das ist zu schnell! Mutter und Vater sind nicht einmal hier! Was soll ich ihnen denn sagen?"

Es war wirklich Pech, dass ihre Eltern erst am Morgen aufgebrochen waren. Es gab genau zwei Orte auf der Insel und beide trennte ein Fußmarsch von einigen Stunden. Keine Chance, dass sie noch rechtzeitig da sein würden.

"Sag ihnen, dass ich sie lieb hab", schlug er also vor. Dann trat er auf seine Schwester zu. "Dich hab ich auch lieb, Yan."

Er sah, wie ihre Augen feucht wurden. Es tat ihm selber weh. Er sah lieber zu seiner Tasche und packte weiter. Viel kam nicht mit. Das wichtigste, sein Feuer, war schließlich in ihm. Es dauerte nicht lange und er war fertig. Mit dem Gesandten war vereinbart, dass er direkt zum Schiff kommen würde.

"Kannst du es nicht noch rauszögern? Wenigstens ein, zwei Stunden?", bat sie.

"Nein, das wäre gelogen. Ich habe nun mal mein Wort gegeben."

"Dann lass mich dich wenigstens zum Schiff begleiten."

"Gerne."

Auch wenn es so noch mehr weh tun würde. Jetzt, wo es in die Ferne ging, war die Vorfreude doch gedämpft. Ich werde euch vermissen! Ach, verdammt! Lieber hätte er Yan mitgenommen. Kurz ging ihm ein Plan durch den Kopf, sie einfach auf das Schiff zu schmuggeln, aber dann entschied er sich dagegen. Das würde wirklich nicht gut ausgehen. Außerdem war sie hier in Sicherheit.

"Ich gehe los", sagte er und schulterte seine Tasche.

Yan folgte ihm schweigend. Erst auf der Straße brach sie ihr Schweigen: "Du bist der erste Huang in siebzig Jahren, der diese Insel verlässt."

"Das bin ich wohl."

"Was glaubst du, wie wird es werden?"

"Ich komme schon zurecht."

Yan wollte gerade etwas antworten, da wurden beide unterbrochen: "Du willst also die Huang verlassen, Huo?"

"Lu Yin. Was willst du?", erwiderte Huo genervt. Er konnte seinen Cousin nicht leiden.

"Man könnte meinen, du hast die Nase voll von uns, Cousin. Sowas aber auch. Gibst du nichts auf den Zusammenhalt? Sogar mit einem Agni Kai hast du gedroht."

Huo wandte sich zu ihm: "Halt dein Maul." Damit ging er weiter und ließ Lu Yin einfach stehen.

"Sei vorsichtig. Wenn du weg bist, wer passt dann auf Chu auf?"

Chu war eine alte Freundin von Huo. Er wollte es nicht zugegeben, aber bei ihr fühlte er vielleicht sogar mehr als nur Freundschaft. Immerhin sah sie gut aus und war mit ihm befreundet. Das war mehr, als alle anderen behaupten konnten. Nur, er würde es wohl nie mit ihr versuchen. Zu groß war das Risiko, dass die Freundschaft daran zerbrechen würde.

"Oder Yan?"

Huo atmete tief ein und drehte sich um. Ein falsches Wort... Der Ausgang wäre ziemlich klar. Lu Yin hätte schneller einen Blitz mitten im Herz als er blinzeln könnte.

Er presste heraus: "Lass deine Finger von ihnen. Lass überhaupt alle deine Ambitionen von ihnen. Beim Feuer, wenn ich wiederkomme und nur eine Kleinigkeit höre, die mir nicht passt, dann werde ich dich zum Agni Kai fordern."

Jeder auf der Insel wusste, wie das ausgehen würde. Gleichzeitig aber war die Ablehnung einer Herausforderung das Grab jeglicher Ambitionen. Überleg es dir gut! Huo machte keine leeren Drohungen. Nicht, wenn es ums Feuerbändigen ging.

Lu Yin sah auch durchaus verängstigt aus. Er ging wohl seine Pläne und Möglichkeiten im Kopf durch. Und erkannte wohl, dass Huo's Finger bereits in der Haltung waren, um Blitze zu entfesseln. "Wieso drohst du deinem Cousin? Was habe ich dir jemals getan?"

"Mir? Du kannst mir nichts tun. Schon lange nicht mehr. Aber ich weiß, was für ein Mensch du bist. Deshalb warne ich dich. Finger weg von meiner Schwester und von Chu. Das wird für dich nicht gut ausgehen, Lu Yin. Ich gebe dir diesen Rat als dein Cousin. Sorg nicht dafür, dass ich als Feuerbändiger mit dir spreche."

Es reichte ihm. Er nahm Yan bei der Hand und zog sie mit sich. Erst kurz vor dem Pier fand sie ihre Stimme wieder: "Das war nicht gut, Bruder."

"Mir egal! Wenn dieses Stück Scheiße irgendwas versucht, bekommt er es mit mir zu tun. Ich habe nur dafür gesorgt, dass er das auch weiß."

"Trotzdem, das ist gefährlich."

Huo atmete durch. "Ich weiß. Mir passt es auch nicht, dass ich jetzt für eine Weile weg bin. Solange er Angst hat, ist das gut, aber sollte die Angst versiegen..."

Jetzt machte er sich Sorgen. Ist das wirklich so gut, es so zu machen? Nur, wenn er ging, welche anderen Möglichkeiten gab es? Alles lief darauf heraus, dass er entweder hier bleiben, seine Leute mitnehmen oder Lu Yin direkt töten müsste.

"Ich hätte ihn vielleicht noch schnell zum Agni Kai fordern sollen", meinte er halb im Scherz.

Yan griff seine Hand nun sehr fest. "Auf keinen Fall! Verstehst du nicht, dass es Menschen gibt, die sich Sorgen um dich machen?"

Er wandte sich seiner Schwester zu und nahm sie in den Arm. "Natürlich weiß ich das. Und ich mache mir Sorgen um euch. Sei vorsichtig, Yan. Ich würde mir nicht verzeihen können, sollte dir etwas zustoßen. Und schau hin und wieder mal bei Chu vorbei. Würdest du das für mich tun?"

Sie nickte an seiner Schulter.

"Danke, kleine Schwester. Wenn ich wieder da bin, bist du sicher auch Meisterin!"

Yan lachte, aber in ihren Augen standen die Tränen. "Auf Wiedersehen, Huo."

"Ich hab dich lieb, Yan."

Er wandte sich ab und ging über die Planke zum Schiff. Nur noch auf ihn hatte man gewartet. Es dauerte nicht lange, und das Schiff segelte aus dem Hafen heraus. Huo stand die ganze Zeit an der Reling und schaute zurück.

Schließlich ging er in die Mitte des Schiffes. Die Nacht brach an. Im Schein einer Laterne war der Gesandte zu sehen. Er bot Huo einen Stuhl an. Selber saß er auch. Der Feuerbändiger ließ sich nieder.

"Ich wollte dich nicht stören", setzte der Lotus an.

"Dafür bin ich dankbar."

 Da fiel ihm ein, dass er den Namen immer noch nicht wusste. Nur war gerade ein unpassender Zeitpunkt, um zu fragen.

Auch, weil der Gesandte selber fortfuhr: "Du lässt sicher einiges zurück. Es muss schwer für dich sein. War das hübsche Mädchen am Pier deine Freundin?"

"Schwester."

"Das überrascht mich. Bei einem jungen Mann wie dir hätte ich damit gerechnet, dass eine Schönheit an deiner Seite wäre, wie man sie nur einmal auf der Insel findet."

Huo ging kurz Chu durch den Kopf. Das ist lächerlich. Ihr seid Kindheitsfreunde und sie sieht normal gut aus. Stattdessen antwortete er: "Sie haben Angst, dass ich sie verbrenne, wenn sie mich mit unsinnigem Geschwätz nerven."

Der Lotus gab sich unbeeindruckt, aber Huo konnte spüren, wie seine Körpertemperatur stieg. "Ich bin auch ein Feuerbändiger. So leicht wirst du mich schon nicht verletzen."

Der Meister verzichtete auf eine Demonstration. "Wie ist der weitere Plan?", fragte er.

"Wir fahren von hier aus bis zur Ascheninsel. Von dort aus steigen wir auf ein größeres Schiff um. Der weiße Lotus entsendet eine Spezialeinheit nach Republica. Sie wird sich allerdings erst noch sammeln. Dich, also den Vertreter der Huang, haben wir schon als erstes geholt. Es war zu erwarten gewesen, dass es lange und zähe Verhandlungen geben würde, trotz der Weisung des Feuerlords."

Was das wohl über das Vertrauen in uns aussagt? "Dann ändere ich den Plan jetzt."

"Was?"

"Ich werde nicht auf der Ascheninsel warten und ebenso wenig werde ich mich höchstoffiziell in Republica einfinden, wenn ich in dunklen Ecken schnüffeln soll."

Der Sohn des Feuers - eine Avatar- FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt