Kapitel 1

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-ELLA-

Die Laternen in der Straße ließen Licht auf den alten Gehweg fallen. Ich zog meine lila Stoffjacke enger um mich und ließ meine lila Haare locker über meine Schultern fallen. Ich blickte auf ein neu aussehendes Haus und überprüfte die Adresse. Sie stimmte. Daraufhin öffnete ich das Gartentor und betrat den Weg aus Kieselsteinen. Als das Tor von selbst zuging ertönte ein kleines Quietschen, dass meine Mundwinkel ein wenig nach oben wandern ließ. Der Garten sah sehr gepflegt und zugleich verwuchert aus. Rosenbüsche säumten meinen Weg zur Haustür. Ich überprüfte noch einmal die Adresse. Sie stimmte immer noch, auch das Klingelschild stimmte. Soll ich es wirklich tun? Kann ich den Brief nicht einfach in den Briefkasten werfen? Meine Gedanken waren plötzlich durcheinander. Klar kann ich den Brief auch in den Briefkasten werfen, aber ich hatte es meiner Mutter versprochen. Vor ihrem Tod. Vor all den Problemen, denen ich seit einer Woche mit Erfolg aus dem Weg ging. Eine Woche hatte ich nun und trotzdem war mein Ticket zurück ins Ungewisse bereits gekauft. Noch genau zwei Stunden, dann würde ich wieder im Zug nach Frankreich sitzen. Zurück dorthin wo mein Leben genau so weiter gehen sollte wie es aufgehört hatte. Streit, Mobbing und Emotionslos.

Eine heiße Träne lief mir meine Wange, die meine Finger schnell aus dem Gesicht entfernten. Emotionen machten mich schwach. Ich zwickte mich einmal in meinen Arm, der voll mit Narben war. Manche sind noch von dem Unfall. Manche sind durch das Mobben in der Schule. Der kleine Rest, der übrigblieb war von mir. Wenn eine fremde Person meine Arme sah, war ihr Blick sofort voller Sorge. Klar, kein Kind läuft mit über 100 Narben herum aber wen man meine Situation betrachtet, sind das recht wenige. Vor einem Monat waren doppelt so viele auf meinem Körper und vor einem Jahr war mein Körper voll damit. An meinen Beinen war bereits kaum noch etwas zu sehen, genauso wie an vielen anderen Stellen. Nur die Arme, die wurden nicht besser. Ich schritt die Stufen zur Treppe hinauf und atmete noch einmal laut aus und ein.

Mein letzter Funke Hoffnung verschwand als ich auf die Türklingel drückte. Die Kirchenglocken läuteten in der Ferne. Es war 22 Uhr. Hinter der weißen Tür ertönten leise Schritte. Dann öffnete sich die Tür. Ich blickte in zwei braune Augen. Da stand er. Die Person, die ich gerne einfach umarmt hätte. Stattdessen nahm mein Mund es als Aufgabe, sich seine Worte selbst auszusuchen: „Ich werde warten bis Mitternacht, dann bin ich weg. Du wirst mich nur finden, wenn ich es will, also beeile dich." Ich gab ihm den Brief, drehte mich um und zog noch während dem Laufen mein Skateboard aus der Halterung am Rucksack. Auf der Straße hörte ich dann zum ersten Mal seine Stimme. „Wie heißt du?", es war kaum mehr als ein leises Flüstern, trotzdem hörte ich es noch leise.

"Ella"

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