I.0 Mit Aufgang der Sonne

73 7 3
                                    

'Man sagte mir einst, wenn ich frei leben wolle, so müsse ich schweigen. Doch nun frage ich mich, was ist mit all jenen, die ihr Schweigen brechen?'

In seiner vollen Pracht strahlt der Mond auf die Erde hinab und spendet all jenen Seelen etwas Trost, die nun allein durch die Gassen irren und ihre Wege ziehen.

Es muss sich bereits um eine Uhrzeit nach Mitternacht handeln, den der tiefe Klang der Glocke, welche die Mitte der Nacht ankündigt, ist längst vor geraumer Zeit verklungen. Hinter den Mauern scheint das Leben lange schon zu schlafen. Nur noch wenige Soldaten der Mauergarnison sind auf ihren Wachposten zu erblicken, ansonsten weit und breit niemand. Zumindest so lange man sich an den Straßen und Plätzen aufhält, welche durch ihre Laternen und die Lichter der Häuser angemessen beleuchtet sind.

Das Gesindel der Nacht findet man hier gewiss nicht, erst wenn man die beleuchteten Orte verlässt und in die Dunkelheit taucht, wird man auch diesen Menschen finden.

Das tiefe Schnauben eines Pferdes hallt durch die fast komplette Gasse, während das Tier sich umherschaut und dann einmal mit dem Huf scharrt. Ungeduldig und hektisch, genauso wie die Menschen, die sich um den braunen Wallach herscharren und immer wieder an ihm vorbeilaufen. Hinein und wieder hinaus aus dem Haus, vor welchem das Tier wartend steht. Leise flüsternd und zutiefst beschäftigt.

"Ganz ruhig mein Großer, geht ja gleich los", murmelt die Stimme beruhigend auf das Tier ein, während die Person ein letztes Mal den Sattelgurt nachzieht und dem Vierbeiner mit der breiten weißen Blesse dann besänftigend auf den Hals klopft, während sie selbst sich die Kapuze in Gesicht zieht. Als Schritte vor ihr zum stehen kommen, dreht sich die fremde Person zum Eingang des Hauses, wo nun eine weitere Person steht und Mensch wie Tier beobachtet. Kurz wechseln die beiden den Blick, bevor die Kleinere erneut ihr Pferd streichelt. Ein einfaches: "Ist alles so weit?", verlässt ihre Lippen und sorgt dafür, dass der Größere kurz nickt.

"Wir können wie geplant beginnen", informiert er, worauf seine Gegenüber nickend die Lederzügel des Tieres in die Hand nimmt und sich mit einer einfachen, aber dennoch unglaublich eleganten Bewegung in den Sattel schwingt. "Gut"

Und so würden sie erneut im Schein des Mondes ihren Job erledigen. Still und leise, auf das der einzige Hinweis auf ihr Wirken die zurückgebliebene Seele sein wird.

Die einst war, doch mit dem Anbruch der Sonne nicht länger sein wird.

Man solle meinen, die Militärpolizei hätte schon alles gesehen, wäre perfekt ausgebildet in ihrem Job und würde wohl jeden Täter schnappen. Eine illusionäre Vorstellung, welche sich mit der Zeit in den Köpfen der Menschen breit gemacht hat und nur selten erschüttert werden kann. Doch wenn dies passiert, äußert es sich in Schock und Wut.

Zwei Emotionen, die auch Darius Zackley direkt bemerkt, als er aus seiner Kutsche aussteigt und zunächst nur das Gebäude betrachtet.

Die weiße Fassade und der gepflegte Garten präsentieren bereits das Geld ihres Besitzers und dennoch haben ihn die kleinen Münze und glatten Scheine nicht retten können. Mehr aus Zufall wandert der Blick des obersten Generals zu einer kleinen Traube von Menschen, die tuschelnd am Seitenrand stehen. Dass der Inhaber einer Händlergilde des Ortes in der Nacht getötet worden war, hatte sich scheinbar noch schneller als bei den vorherigen Morden herumgesprochen.

Die entsetzten Gesichter der Menschen sprechen für sich. Wie sie mit großen Augen beobachten wie Soldaten das Haus betreten und wieder verlassen, Situationen leise besprechen und sie selbst nichts tun können außer zu zusehen. Jedoch sind es nicht die Menschen, welche Zackley beunruhigen. Im Gegensatz. Dass sich Menschentrauben bilden ist zwar für die Polizei nervig, doch es spricht zumindest dafür, dass man sich für ihre Arbeit – oder den Toten – in irgendeiner Weise interessiert und sei es nur die reine Neugier der Menschen.

・Grace • Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt